Die Datenschutzkommission bringt neue Fakten in eine Debatte ein, die seit Monaten schwelt. Das Gutachten der CNPD bestätigt viele Befürchtungen der Opposition – und lässt weder Minister François Bausch noch die Polizei in einem guten Licht erscheinen.

Das Fazit der Datenschützer ist klar: Die Polizei hält sich mit ihrer Datenbank « Fichier central » nicht an alle Datenschutzregeln. « Dies gefährdet die Gewährleistung der Grundrechte und Freiheiten der betroffenen Personen sowie das Vertrauen der Bürger in diese wichtige Institution ». Bereits im August 2018 hätte die Polizei konform sein müssen, doch sie ist es bis heute nicht.

Noch im Juni bezeichneten die zuständigen Minister François Bausch und Felix Braz (beide déi Gréng) die Diskussionen um die Datenbanken als « parteipolitische Spielchen » und « überflüssige und unhaltbare pauschale Beschuldigungen gegen Polizei und Justiz ». 

Zu Beginn der Debatte hatte Sicherheitsminister François Bausch (CNPD) die « Commission nationale pour la protection des données » (CNPD) mit einem Gutachten beauftragt. Die darin enthaltenen Ergebnisse begrüßte er am Mittwoch. Die Vorschläge entsprächen seinen Analysen und Einschätzungen der letzten Monate. In einem Punkt stimmt das: Die Polizeidatenbank hat eine rechtliche Grundlage. Doch das restliche Gutachten beschreibt dennoch unhaltbare Verhältnisse.

Probleme mit Ansage

Der CNPD kommt in der Debatte eine bizarre Rolle zu. Denn der Hauptpunkt des Gutachtens ist nicht neu. Die Datenschützer warnten bereits Ende 2017, dass es nicht ausreiche, allgemeine Regeln für die Datenbanken von Polizei, Justiz und auch Geheimdienst aufzustellen. Jede einzelne müsse gesondert geregelt werden – etwa in den Punkten, wie lange die Informationen gespeichert werden. Doch Parlament und Regierung ignorierten diese Warnung und verabschiedeten das Gesetz vom 1. August 2018.

Die Datenschützer betonen nun, dass es in der EU nur fünf Mitgliedstaaten gibt, die das Datensammeln ihrer Polizeibehörden nicht im Detail regeln. Blau-Rot-Grün stellte sich in diesem Punkt gegen den Ansatz, den alle drei Nachbarländer verfolgen.

Was ist das « Fichier central »?

Diese zentrale Datenbank der Polizei umfasst einerseits Informationen über Personen (etwa Adresse, Geburtsdatum usw.) und andrerseits Dossiers über Ermittlungen. Diese Dossiers umfassen vor allem Protokolle und Berichte der Polizisten. Es ist zwar kein « casier bis », aber es gibt durchaus Dossiers pro Person. Sie sind so nummeriert, dass sie einem Individuum zugeordnet werden können. Zugang haben alle 2.000 Polizisten. Wer welches Dossier konsultiert, wird gespeichert. Allerdings ist die Kontrolle mangelhaft, klagt die CNPD. Mehrheitlich fragen Polizisten über Funk bei der Zentrale nach, damit die Kollegen nach einer Person in der Datenbank suchen. Diese Anfragen sind später aber nicht nachzuvollziehen.

Das Problem stellt sich nur bei dem sogenannten « Fichier central », mit dem sich das aktuelle Gutachten der CNPD ausschließlich beschäftigt. Die Polizei arbeitet mit mehr als einer Datenbank. Kürzlich wurde etwa die Existenz eines « Fichier stupéfiants » bekannt, die Verdachtsfälle von Drogendelikten umfasst. Auch bei diesen weiteren « Fichiers » gibt es offensichtlich Probleme.

Tatsächlich kritisiert die CNPD, dass die Polizei kein vollständiges Inventar ihrer Datenbanken hat – obwohl sie dazu verpflichtet ist. « Es steht nicht alles im Register, was darin sein müsste », sagte der CNPD-Kommissar Christophe Buschmann anlässlich einer Pressekonferenz am Mittwoch. Selbst beim « Fichier central » sind die Angaben unvollständig. Die CSV-Abgeordneten forderten am Mittwoch von Minister Bausch eine komplette Liste aller Polizei-Datenbanken.

Unterschiedslose Speicherung

Die ursprüngliche Idee der Luxemburger Regelung war, dass ein Gesetz der Polizei und Justiz allgemeine Vorgaben macht und die Behörden sich im Detail selbst um den Datenschutz kümmern. Das hat die Polizei nachweislich nur zum Teil gemacht. In einem wichtigen Punkt fehlte die Kooperation der Justiz, um Datenschutzregeln einzuhalten.

Aktuell speichert die Polizei über 500.000 Dossiers im « Fichier central ». Davon sind allerdings leicht über 300.000 archiviert, also nur über eine Genehmigung des Generalstaatsanwaltes für Polizisten einzusehen.

Alle Daten werden in der Regel zehn Jahre lang gespeichert und dann archiviert. Die Polizei unterscheidet dabei nicht zwischen Delikten und Verbrechen, betont die CNPD. Dabei sind erstere in der Regel nach fünf Jahren verjährt und müssten demnach archiviert werden.

Selbst wenn eine Person von Richtern freigesprochen wird oder es erst gar nicht zu einem Verfahren kommt, bleibt ihr Dossier trotzdem bei der Polizei gespeichert. Der Grund: Die Staatsanwaltschaft informiert die Polizei nicht über die Entscheidungen der Justiz. Im « Fichier central » kann ein Polizist also nicht zwischen verurteilten Kriminellen und Unschuldigen unterscheiden. Das soll sich allerdings durch einen automatisierten Austausch ändern.

Mehr noch: Bei den Informationen zu Personen wird nicht zwischen Verdächtigen, Opfern oder Zeugen unterschieden, bemängelt die CNPD. Dabei gilt allein die Präsenz eines Namens in der Datenbank vielen Polizisten bereits als verdächtig. Dazu kommt, dass Informationen über Minderjährige nicht gesondert behandelt werden. Dabei geht es immerhin um knapp 850 neue Dossiers pro Jahr.

CNPD machtlos gegenüber Behörden

Doch die Datenschützer können nicht viel mehr als mahnen und Verbesserungsvorschläge machen. « Gegenüber den Behörden haben wir wenig Handhabe », sagte die CNPD-Präsidentin Tine Larsen. Sie könne wenig mehr tun, als an den guten Ruf einer Behörde zu appellieren.

Gegen private Unternehmen kann die CNPD empfindliche Strafen verhängen – gegen Staat und Gemeinde nicht. Die Datensammlung der Polizei einfach zu stoppen, sei keine Option, da der « Fichier central » unabdingbar für die Arbeit der Behörde sei, so die Datenschützer.

Unter dem Strich wird klar, dass erst die von der CSV und der übrigen Opposition angestoßene Debatte der CNPD die nötige Aufmerksamkeit verschafft, um Probleme zu lösen. Sie will in den nächsten Wochen die Polizei in einem « comité de suivi » bei der Behebung der Datenschutzverstöße begleiten.

Gesetzesentwurf bis Weihnachten

François Bausch will die Debatte offenbar möglichst schnell hinter sich bringen. Am Mittwoch kündigte er an, dass bis Weihnachten ein Gesetzesentwurf vorliegen soll, der die Polizeidatenbanken im Detail regeln soll. Bereits Mitte Oktober will er einen vergleichbaren Entwurf vorlegen, der die Videoüberwachung behandelt. Auch dabei stellen sich ähnliche rechtliche Probleme wie bei den Datenbanken.

Doch unklar ist, ob auch die Datenbanken der Justiz und des Geheimdienstes näher gesetzlich geregelt werden. „Was den SRE anbelangt, liegt aktuell kein Bedarf für eine Nachbesserung vor », hieß es auf Nachfrage von REPORTER aus dem Staatsministerium. Dabei gründet die Datensammlung des Geheimdienstes auf dem gleichen Gesetz wie jene der Polizei. Also jenen Text, den Minister Bausch nun nachbessern will.


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