Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie hat wohl kaum ein anderes Medikament so stark die Öffentlichkeit polarisiert wie Hydroxychloroquin. Neue Studien belegen nun das, was viele Ärzte und Forscher bereits vermuteten: Das Malariamedikament ist für die Behandlung von Covid-19 ungeeignet.

„Hydroxychloroquin wird nicht mehr zur Behandlung von Covid-19 empfohlen“, sagt Dr. Jean-Claude Schmit. Man habe so gehandelt, wie die Nachbarländer auch, so der Direktor der Santé im Gespräch mit REPORTER. Auch bei der Discovery-Studie, an der Luxemburg teilnimmt, werde das Medikament nicht mehr eingesetzt. Am Mittwoch hatte zuerst RTL darüber berichtet.

Noch vor ein paar Wochen sah das anders aus. Damals setzten mehrere Länder große Hoffnung in das Medikament. Auch Luxemburg setzte auf dem Höhepunkt der Behandlungen von Covid-19-Patienten auf Chloroquin-Präparate, wie REPORTER Anfang April berichtete.

Der « Conseil Supérieur des Maladies Infectieuses » hatte gar ein Expertengutachten veröffentlicht, in dem er die Verabreichung des Medikamentes an Covid-19-Patienten unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich empfohlen hatte. Nicht nur bei Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf, sondern auch bei leichten bis mittelschweren Fällen wurde es als „experimentelle Behandlungsmethode“ vorgesehen.

Dabei ist das Medikament nicht für die Behandlung des Coronavirus zugelassen. Und es kann tiefgreifende Folgen für den Patienten haben. Seh- und schwere Herzrhythmusstörungen zählen unter anderem dazu. Mediziner sprechen deshalb von einer schwierigen Abwägung der Wirksamkeit bei Covid-19-Symptomen und den diversen beträchtlichen Nebenwirkungen.

Kein Nutzen, erhöhte Sterblichkeit

Hydroxychloroquin war allerdings in der Ärzteschaft von Anfang an umstritten. Erst jetzt wendet man sich in Luxemburg aber von der Behandlungsmethode ab. Die Kehrtwende kommt nachdem vergangene Woche das renommierte Medizinjournal „The Lancet“ eine Studie veröffentlicht hatte, wonach sich das Malariamittel Hydroxychloroquin wohl nicht zur Behandlung von Covid-19 eignet. Das von manchen Befürwortern, darunter US-Präsident Donald Trump, als « Wundermittel » gepriesene Arzneimittel könnte laut den Forschern sogar die Sterblichkeit erhöhen.

Die « Lancet »-Studie stützt sich auf die bislang größte Zahl von Studienteilnehmern. Immerhin 15.000 sollen entweder Hydroxychloroquin oder Chloroquin erhalten haben, weitere 81.000 Teilnehmer wurden nicht medikamentös behandelt. Die statistische Analyse zeigt eindeutig, dass die Sterblichkeit durch die Verabreichung des Medikaments steigt. Zudem bleibt die Genesungszeit für beide Gruppen gleich. Anders gesagt, das Medikament hat entweder keinen Nutzen oder es kann im schlimmsten Fall die Gesundheit des Patienten zusätzlich schädigen.

Nach der Veröffentlichung hat die Weltgesundheitsorganisation WHO Tests mit dem Medikament an Covid-19 Patienten vorerst ausgesetzt. Auch Frankreich rät mittlerweile von einer Behandlung damit ab.

Warten auf ein neues Gutachten

Doch welche Richtlinien gelten jetzt für Ärzte? Mittlerweile ist man offenbar vorsichtiger geworden. Federführend bei der Ausarbeitung des Gutachtens vom Conseil Supérieur des Maladies Infectieuses zu der Verabreichung von Hydroxychloroquin war der Infektologe Dr. Vic Arendt. Er soll sich jetzt um neue Richtlinien kümmern. Das bestätigt Dr. Therese Staub, Präsidentin des Gremiums.

Auf welche Behandlungen man sich jetzt ausrichtet, ist offiziell noch nicht klar. „Wir sind noch nicht so weit“, sagt Dr. Therese Staub. „Wir müssen uns erst Gedanken darüber machen, ob wir abwarten wollen, welches Medikament tatsächlich wirkt. Oder ob wir etwas anwenden und dann wie beim Hydroxychloroquin später vielleicht wieder schlechte Nachrichten verbreiten müssen.“ Die Situation sei kompliziert, so die Medizinerin. Es gebe viele Studien zu vielen Medikamenten. Eine sichere, Erfolg versprechende medikamentöse Behandlung von Covid-19 gebe es momentan nicht.

Erhöhte Vorsicht bei neuen Studien

Vielversprechend könnte eine neue Studie aus Hongkong sein. Dort haben 127 Covid-19-Patienten in sechs verschiedenen Krankenhäusern teilgenommen. 86 von ihnen erhielten einen Medikamentencocktail aus unter anderem Interferon (zur Behandlung von Multipler Sklerose), der gegen HIV eingesetzten Wirkstoffkombination Lopinavir/Ritonavir sowie dem Hepatitis-Medikament Ribavirin. Die übrigen 41 Studienteilnehmer erhielten nur Lopinavir/Ritonavir. Eine Kontrollgruppe gab es bei dieser Studie allerdings nicht.

Die Krankheitssymptome verschwanden mit Hilfe des Medikamentencocktails bereits im Schnitt nach vier Tagen und damit doppelt so schnell wie bei den übrigen Patienten. Auch die Nasen-Rachen-Abstriche auf das Coronavirus fielen bei der ersten Gruppe im Schnitt nach sieben Tagen negativ aus. Auch schwere Komplikationen blieben laut den Autoren der Studie aus.

Weitere klinische Tests seien notwendig, doch die Autoren sprechen von wichtigen Erkenntnissen. Auf die Studie angesprochen, drückt Therese Staub sich vorsichtig aus. In der Studie habe es keine schweren Covid-19-Fälle gegeben, die beispielsweise auf eine Sauerstoff-Zufuhr angewiesen waren. Voreilige Schlüsse will man dieses Mal wohl nicht mehr ziehen.


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