In der Debatte um das Bettelverbot in der Hauptstadt werden Bettler oft mit Kriminellen gleichgesetzt. Belegen lässt sich dieser Vorwurf nicht. Experten sind sich einig: Im Kern müsste eigentlich die Bekämpfung von Armut und Wohnungsnot stehen.

Während die Geschäftsleute in der Hauptstadt ihre Läden öffnen, setzt Daniel* sich in einer ruhigen Straße unweit der Grand-Rue vor ein Reisebüro auf seinen üblichen Platz. An diesem Morgen ist noch wenig los, doch der Boden heizt sich in der Sonne bereits auf. Daniel sitzt dennoch auf seinem zusammengerollten Schlafsack, neben sich eine Wasserflasche und vor sich eine Mütze, in der sich erst wenige Münzen sammeln.

Seit fast drei Jahren bettelt Daniel in der Luxemburger Innenstadt. „Es ist ein Albtraum“, sagt der 23-Jährige auf Englisch, „Ich muss etwas machen, um rauszukommen. Ich würde gerne Sachen verkaufen, in einem Laden arbeiten.“ Ein lokaler Geschäftsmann kommt vorbei und reicht ihm im Vorbeigehen kurz die Hand. „How are you?“ –„Good, and you?“, antwortet Daniel und schon ist der Mann ein paar Schritte weiter. Es ist eine von zahlreichen schnellen Interaktionen an diesem Morgen. Daniel ist vielen Passanten bekannt und tauscht schnelle Begrüßungen auf Englisch und Französisch aus. Manchmal landet eine Münze in der Mütze, öfter keine.

Wie viele Obdachlose in der Stadt ist Daniel auf dieses Geld angewiesen. Er kauft sich davon etwas zu trinken und zu essen, manchmal ein neues T-Shirt. Keinen Alkohol, keine Drogen, stellt er gleich klar. „Um neu anzufangen, brauche ich Geld“, so der junge Mann, der kein anderes Einkommen hat. Daniel stammt aus Rumänien und hat seine Heimat eigentlich für einen Job in Deutschland verlassen, wurde dort aber ausgebeutet. Zurück wollte er danach nicht, seine Mutter sei seit Langem tot und sein Vater Alkoholiker. Stattdessen kam er ohne Geld oder Job in Luxemburg an – und fand weder eine Unterbringung noch Arbeit. Er habe Monate gebraucht, um sich erst mal zu orientieren.

Organisiert oder nicht organisiert?

Dass Daniel aktuell unbehelligt um Geld betteln kann, ist nach den letzten Monaten fast verwunderlich. Denn eigentlich sollte ein räumlich und zeitlich begrenztes Bettelverbot in die Polizeiverordnung der Stadt Luxemburg eingeführt werden, bevor das Innenministerium das Verbot kippte, da es nicht konform zu nationalem und internationalem Recht sei. Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) will diese Entscheidung juristisch anfechten. Seither hängt das Verbot in der Schwebe.

Laut dem Schöffenrat der Hauptstadt wollte man durch die Maßnahme gegen organisierte Bettelei vorgehen und das Sicherheitsgefühl der Einwohner verbessern. Tatsächlich ist gemeinsames Betteln („en réunion“) verboten, während einfaches Betteln erlaubt ist. „Ein Thema ist, inwieweit man den Bettlern vor einem Staatsanwalt oder Richter nachweisen kann, dass sie organisiert sind“, bemerkt Christof Mann, der bei der Stadt Luxemburg für soziale Angelegenheiten verantwortlich ist. „Das ist sehr schwer, das sagt uns auch die Polizei. Aber jeder weiß und sieht, dass sie organisiert sind …