Bauschuttdeponien sind ein politisches Dauerproblem. Seit 2021 soll eine neue Verordnung die Standortsuche vereinfachen. In der Branche begrüßt man die Prozedur. Doch damit ist das Problem nicht gelöst. Denn an die wirklichen Hürden traut sich die Politik nicht heran.

Wenn es ein Wort gibt, das man in der Baubranche nicht gerne hört, dann jenes: Deponie. Zu negativ sind die Assoziationen in der Bevölkerung. Das unterstreicht auch der Unternehmer Roland Kuhn im Gespräch mit Reporter.lu: « Ich finde, es ist falsch, von Abfall zu reden, und auch die Rede von einer Deponie ist meiner Meinung nach irreführend. » Denn es gehe schlicht um « gudde Lëtzebuerger Gromperebuedem », betont der Bauunternehmer.

Das Imageproblem beim Bauschutt unterstreicht auch Patrick Koehnen, zuständig für die Baubranche bei der « Fédération des Artisans »: « Ich glaube, es muss noch ganz viel Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung geleistet werden, was den Bauschutt betrifft. Denn am Ende reden wir hier bloß über Erde, die ausgebaggert wurde und irgendwo anders wieder abgeladen wird. Das hat mit Problemabfall nichts zu tun. »

Doch wie man es auch immer nennen will: Luxemburg hat ein Deponie-Problem. Der Grund: Täglich wird mehr Boden ausgehoben, als die bestehenden Deponien aufnehmen können.

Schwindende Kapazitäten

Pol Faber vom « Groupement des Entrepreneurs du Bâtiment et des Travaux publics » wird konkreter: « In den vergangenen zehn Jahren fielen jährlich etwa acht Millionen Tonnen Bauschutt an, der weitaus größte Teil davon Erdaushub. Brechen wir das auf den Tag herunter, sind das etwa 36.000 Tonnen Erde. Die bestehenden Deponien können am Tag jedoch lediglich 24.000 Tonnen aufnehmen. »

Die Folge: Jeden Tag wird ein Drittel des Aushubs über die Landesgrenzen nach Frankreich exportiert, erklärt Pol Faber. Die Zahlen decken sich mit jenen aus dem Umweltministerium. Dieses geht jährlich ebenfalls von acht bis neun Millionen Tonnen Erdaushub aus.

Laut der Baubranche wird das Problem immer akuter. « Jeden Tag fahren unsere Laster quer durch das Land, aus dem Süden in den Norden, um ihren Boden abzuliefern », sagt Roland Kuhn. Es ist ein Punkt, den auch Patrick Koehnen vom Handwerkerverband hervorhebt: « Jährlich entstehen durch die weiten Anfahrtswege zu den Deponien 10.000 Tonnen CO2. Ohne neue Deponien ist das Reduktionsziel von 55 Prozent weniger CO2 bis 2030 schlicht nicht zu erreichen. »

Dabei sind nicht nur die begrenzten Tageskapazitäten ein Problem, sondern auch die Gesamtkapazität der Deponien an sich. So ging das Umweltministerium bereits 2016 davon aus, dass die Deponien des Landes ihre Maximalkapazität bis 2026 erreichen könnten. Doch wie sieht die Situation derzeit aus? Die Sichtweisen gehen auseinander. Man nehme an, dass die Kapazitäten voraussichtlich für die nächsten elf bis zwölf Jahre ausreichend sein dürften, so das Umweltministerium auf Nachfrage von Reporter.lu. Insgesamt rechne man derzeit mit einer Restkapazität von 25 Millionen Kubikmeter.

Ein chronisches Problem

Alles also halb so schlimm? Jein. Denn die Rechnung des Ministeriums fußt auf der Annahme, dass alle Kapazitäten jederzeit zugänglich sind. Zudem schließt die Rechnung bereits jene Projekte ein, deren Verfahren noch nicht abgeschlossen sind oder bei denen es sich um Aufschüttungen von alten Steinbrüchen handelt. Ein Beispiel ist der von « Carrières Feidt » betriebene Steinbruch in Brouch in der Nähe von Mersch. Dort rechnet das Ministerium mit einer Gesamtkapazität von 7,7 Millionen Kubikmetern. Doch in der Baubranche ist man skeptisch, ob diese Deponie kurzfristig und auch täglich angefahren werden könnte.

Für die bei Weitem größte Deponie in Colmar-Berg gibt das Umweltministerium aktuell eine Restkapazität von knapp über 1,7 Millionen Tonnen an. 2020 war es noch fast doppelt so viel, nämlich drei Millionen Tonnen. Auch weitere Standorte drohen kurzfristig an ihre Grenzen zu kommen. So hat etwa jene in Hosingen nur noch eine Restkapazität von rund 400.000 Tonnen. Laut dem Umweltministerium könnte zumindest diese Deponie aber ein weiteres Mal erweitert werden. Dafür müsste der Betreiber « Recyma S.A. » jedoch die nötigen Dokumente einreichen, so das Ministerium in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von CSV-Abgeordneten des Nordbezirks.

Es ist schwierig, an das nötige Land für neue Standorte zu kommen. »Pol Faber, Vereinigung der Bauunternehmer

Neu ist das Deponie-Problem dabei gewiss nicht. Die Frage danach, was mit jener Erde passiert, die weichen muss, damit Luxemburg wachsen kann, beschäftigt die Politik seit Jahren. Schon 2004 sprach der damalige Premierminister Jean-Claude Juncker (CSV) von einer « Bauschuttmauer », die durchbrochen worden sei. Mit dem Erdrutsch auf der Bauschuttdeponie in Monnerich erhielt das Thema 2014 neue Relevanz und Dringlichkeit.

Das Umweltministerium arbeitete damals einen eigenen Leitfaden zur Vermeidung von Aushub bei neuen Projekten aus. Wesentlich gesunken ist die jährliche Menge an Bauschutt seitdem jedoch nicht. Und auch am chronischen Mangel an neuen Deponien hat sich in den vergangenen Jahren nur wenig geändert. Zwar wurden die Kapazitäten der bestehenden Deponien wiederholt erweitert, so etwa in Colmar-Berg. Neue Deponien wurden jedoch nur vereinzelt eröffnet, etwa in Folscheid.

Neue Prozedur bei der Standortsuche

Das hat auch damit zu tun, dass lange unklar war, welches Ministerium eigentlich für die Suche nach neuen Deponien zuständig ist. Über Jahre hinweg lag die Zuständigkeit beim Landesplanungsministerium, das die Standortsuche über sektorielle Leitpläne regeln sollte. Ein Verfahren, das sich in der Praxis als zäh und langwierig erwies. Sollte etwa die Kapazität einer Deponie erhöht werden, mussten auch die Leitpläne angepasst werden. Hinzu kam, dass eigentlich das Umweltministerium sich für zuständig erklärte, auch weil die Abfallwirtschaft in dessen Ressort fällt. Doch für diese Zuständigkeit fehlte die gesetzliche Basis.

Ändern sollte sich das erst im August 2021. Denn vor einem Jahr trat eine neue Verordnung in Kraft, welche die Zuständigkeit endgültig dem Umweltministerium übertrug. Zudem definierte der Text, wie viele neue Deponien geschaffen werden und was bei der Suche ausschlaggebend sein sollte. Dafür unterteilte das Ministerium das Land in neun Regionen.

In jeder der Regionen soll eine Deponie entstehen, die im Idealfall den Bauschutt, der in ihr anfällt, aufnimmt. Dementsprechend sind auch unterschiedliche Kapazitätsgrenzen festgelegt. So hätte die Halde im Nordosten für das Gebiet Clerf, Hosingen, Weiswampach die geringste Maximalkapazität mit 800.000 Kubikmetern. Die größte Deponie würde den Südwesten bedienen. In diese Region fallen unter anderem Esch/Alzette, Petingen, Differdingen und Düdelingen. Dort ist eine Maximalkapazität von 13 Millionen Kubikmeter vorgesehen.

Die Standortsuche selbst ist dabei so offen wie möglich gehalten. Neben Gemeinden und Privatpersonen können auch die Betreiber selbst einen Genehmigungsantrag für eine Deponie in einer der jeweiligen Regionen stellen. Allerdings hat das Umweltministerium einen klaren Kriterienkatalog ausgearbeitet, mit dem ein jeweiliger Standort bewertet wird. Ausschlaggebend für eine Genehmigung sind unter anderem die Entfernung zu Wohngebieten, die ökologischen Bedingungen sowie die Zufahrtswege.

Gemeinden sind in der Pflicht

Die Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium beschreiben sowohl Pol Faber vom « Groupement des Entrepreneurs » als auch der Bauunternehmer Roland Kuhn als gut. « Das neue Verfahren verspricht, die Prozeduren deutlich zu vereinfachen. Ich muss sagen, dass das Umweltministerium sehr aktiv mit den wirtschaftlichen Akteuren zusammenarbeitet. Ich glaube, im Ministerium ist man sich der Dringlichkeit bewusst », meint Pol Faber. Konkrete Projekte wollen beide Branchenvertreter aber nicht kommentieren.

Der Grund dafür scheint offensichtlich. Denn nimmt man die Kriterien des Umweltministeriums als Grundlage für die Standortsuche, dürfte sich die Anzahl potenzieller Standorte merklich ausdünnen. Eine Analyse, die auch die Umweltverwaltung selbst bereits durchgeführt hat. Die Verwaltung hatte bereits 2016 eine dementsprechende Studie abgeschlossen.

In der Praxis dürfte demnach eigentlich klar sein, wo neue Deponien möglich sein könnten. Doch niemand will das auch offen sagen. Denn: Die Eröffnung von neuen Deponien unterliegt ebenso wie andere große Infrastrukturprojekte der Kommodo-Inkommodo-Prozedur der Gemeinden. Demnach können in der Praxis auch die Bürger selbst neue Projekte hinauszögern. So kurz vor den Kommunalwahlen wollen viele Lokalpolitiker es wohl nicht riskieren, mit einem neuen Deponieprojekt in die Ungunst der Wähler zu fallen.

Renitente Grundstücksbesitzer

Ein weiteres Problem in der Praxis unterstreichen sowohl Pol Faber als auch Patrick Koehnen: jenes der verschiedenen Grundstückseigentümer. « Es ist schwierig, an das nötige Land für neue Standorte zu kommen. Denn bei einer Bauschuttdeponie reden wir über eine Fläche von meist mehreren Hektar, die verschiedenen Besitzern gehören », betont Pol Faber. Die aktuelle Prozedur sieht vor, dass alle Grundstücke im Besitz des Betreibers sein müssen, bevor die Genehmigungsanträge gestellt werden können. « Das ist einfach unrealistisch », so der Generalsekretär des « Groupement des Entrepreneurs ».

Es kann nicht sein, dass ein Eigentümer ein ganzes Projekt verhindert. »Patrick Koehnen, Handwerkerverband

Auch bei der « Fédération des Artisans » wünscht man sich mehr Flexibilität bei der Erschließung der Grundstücke. Patrick Koehnen sieht in einem Vorstoß des Innenministeriums beim Wohnungsbau ein Vorbild für Bauschuttdeponien: « Es kann nicht sein, dass ein Eigentümer ein ganzes Projekt verhindert. Ich würde die Idee eines ‘Remembrement ministériel’ auch bei der Suche nach Deponien sinnvoll finden. » Der Mechanismus würde es ermöglichen, dass das Ministerium jene Parzellen, die für ein Projekt nötig sind, zusammenlegen würde, auch gegen den Willen eines einzelnen Besitzers. Natürlich samt der erforderlichen Entschädigungen.

Der Problematik der Grundstückseigentümer scheint sich auch das Umweltministerium bewusst zu sein. Denn rund ein Jahr nachdem die erste Verordnung in Kraft getreten ist, hat das Ministerium bereits die erste Anpassung auf den Instanzenweg gebracht. Der Entwurf sieht vor, dass die Planung eines neuen Deponieprojektes beginnen kann, auch wenn noch nicht sämtliche der dafür nötigen Grundstücke im Besitz des künftigen Betreibers sind. Laut Ministerium sollen durch die Anpassung Verzögerungen in der Genehmigungsprozedur verringert werden. Wann die neue Verordnung in Kraft tritt, ist derzeit jedoch noch ebenso unklar wie die Frage, wo neue Deponien eröffnet werden könnten.


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