Längst nicht alle Fälle von häuslicher und sexualisierter Gewalt werden der Polizei gemeldet, nicht alle Verletzungen werden dokumentiert. Trotz zahlreicher Anlaufstellen stehen Opfern oft Hürden im Weg. Experten fordern einen zentralisierten Dienst.
„Es hängt vom Tag ab.“ Ein Satz, den man über das Melden von Gewalt bei der Polizei nicht hören will. Doch im Gespräch mit Experten fällt er öfter, wenn sie über ihre Erfahrungen mit Anzeigen bei der Polizei in Luxemburg sprechen. „Es ist sehr unterschiedlich, auf welchen Polizisten man trifft und wie viel los ist“, ist ein weiterer solcher Satz.
Doch das Erlebnis beim Erstatten einer Anzeige, nachdem Opfer körperliche Gewalt erlebt haben, sollte nicht abhängig von Glück oder Zufall sein. Denn erschwerend kommt hinzu: „Alles kann Opfer abschrecken, eine Anzeige zu erstatten.“ Das sagt Stéphanie Gardini, Verantwortliche des sozialen Dienstes bei der Vereinigung „Médecins du Monde“. Kleine Bemerkungen, etwa wenn ein Polizist meine: „Sie waren jetzt schon dreimal hier“, würden Betroffene weiter verunsichern. Durch die Sensibilisierung in der Polizeiausbildung werden derartige Bemerkungen hoffentlich weniger, doch Sozialarbeiter bestätigen, dass sie immer noch vorkommen.
Wohin wenden sich die Opfer?
Kristin Schmit, Generalsekretärin der Polizei, hält die entsprechenden Schulungen in der Grundausbildung der Polizisten. Dort intervenieren auch soziale Akteure, um etwa die Gewaltspirale bei häuslicher Gewalt zu erklären. Kristin Schmit sagt, Opfer würden in akuten Phasen seltener in ein Kommissariat kommen und eher den Notruf wählen. Aber auch im Kommissariat würden Polizeibeamte Anzeigen aufnehmen, bei Sexualdelikten würde zudem die Kriminalpolizei hinzugezogen.
Die Verantwortliche bestätigt, dass es unterschiedliche Verfügbarkeiten gibt, etwa wenn gerade ein Einsatz sei. „Es ist, wie in eine Notaufnahme zu gehen“, so Kristin Schmit. In nicht akuten Situationen könne man aber im Voraus anrufen und einen Termin vereinbaren.
Wer bedroht wird oder unter Druck steht, geht in den Überlebensmodus. Diese Personen können nicht einfach weitergeschickt werden.“ Stéphanie Gardini, „Médecins du Monde“
Im Gespräch mit Reporter.lu bestätigen soziale Organisationen wie „Femmes en détresse“ und „Médecins du Monde“, dass sich viele Opfer von Gewalt an sie wenden. Wenn eine betroffene Person nicht sicher ist, ob sie einen Täter bei der Polizei anzeigen will, kann sie seit 2018 auch die „Unité médico-légale de documentation des violences“ (Umedo) aufsuchen. Diese kostenlose Anlaufstelle des „Laboratoire National de Santé“ (LNS) führt die rechtsmedizinische Untersuchung und Dokumentation von Verletzungen durch. Umedo kann die Gutachten und Beweise zehn Jahre lang sichern und gibt ohne Einverständnis des Opfers nichts an die Polizei weiter. Dadurch sollen Opfer Taten langfristig besser zur Anzeige bringen können.
Doch die Anlaufstelle wird kaum besucht. 2022 haben laut Angaben von Umedo 55 Personen telefonisch mit dem Dienst Kontakt aufgenommen, es wurden aber nur 18 Untersuchungen durchgeführt …
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