Henri Kox hat mit seinem Mietgesetz endgültig die Realität des Luxemburger Wohnungsmarktes akzeptiert. Statt gegen hohe Mietpreise vorzugehen, hofft die Regierung auf langfristige Lösungen – auf Kosten der Wohnungssuchenden von heute. Eine Analyse.

„Wir haben den Markt analysieren lassen und das, was heute gefragt wird, ist das, was wir versucht haben, im Mietgesetz umzusetzen“, sagte Henri Kox (Déi Gréng) Ende November. Ziel des Gesetzes sei vor allem, für mehr Transparenz zu sorgen und Auswüchse zu unterbinden, so der Minister im Interview mit „Radio 100,7“. Das Prinzip: Der Einkaufspreis und die getätigten Investitionen sollen im Mietvertrag festgeschrieben werden. Anhand dieses Betrags könne anschließend die maximale Miete festgelegt werden.

Laut dem Wohnungsbauminister soll dies vor allem dazu führen, dass die Preise von möblierten Zimmern fallen. Das sind die Auswüchse, von denen der Minister spricht. Die sonstigen Mietpreise stören ihn offenbar wenig.

Es ist eine erstaunliche Kehrtwende von Henri Kox. Denn im ersten Entwurf des Gesetzprojektes sollte die Möglichkeit, Mieten zu erhöhen, noch kleiner sein. In diesem Entwurf wurde noch die aktuell gültige Formel angewendet, laut der die Miete nicht mehr als fünf Prozent des investierten Kapitals ausmachen darf. Um der Wertsteigerung der Immobilien zum Teil Rechnung zu tragen, wird das investierte Geld anschließend mit einem Koeffizienten multipliziert. Allerdings spiegelte dieser Koeffizient die Realität des Luxemburger Wohnungsmarkts nicht wider. Das war ursprünglich jedoch auch nicht das Ziel.

Die Gesetze des Marktes

Mit Verweis auf ein Gerichtsurteil erklärte das Ministerium in der ursprünglichen Begründung der Reform, es sei nicht der Wille des Ministeriums, das investierte Kapital an die Marktpreise anzupassen. Nun sieht man dies offenbar anders: Der Koeffizient für eine Wohnung, die 1985 gekauft wurde, hat sich im neuen Entwurf beispielsweise verfünffacht. Ausgerechnet für Wohnungen, die sich schon länger im Besitz desselben Eigentümers befinden, wäre die Reform demnach besonders großzügig. Die Höchstmiete darf derweil nur noch drei oder 3,5 Prozent des investierten Kapitals betragen anstatt wie aktuell fünf Prozent. Einzige Einschränkung wäre, dass nur bei energetisch sanierten Wohnungen die Obergrenze von 3,5 Prozent des investierten Kapitals gilt.

Es reicht, dass zwei bis drei Prozent der Mietwohnungen vom Markt verschwinden, und dann haben wir ein Problem. »Mike Mathias, Berater des Wohnungsbauministers

Das Ministerium will die Eigentümer dieser oft bereits abbezahlten Wohnungen bei der Festlegung der Mieten also nicht zu stark einschränken. Man fürchtet wohl, dass diese es sonst vorziehen, die Wohnung zu verkaufen, statt sie zu vermieten. Es ist ein Risiko, das das Wohnungsbauministerium nicht eingehen will.

„Es reicht, dass zwei bis drei Prozent der Mietwohnungen vom Markt verschwinden, und dann haben wir ein Problem“, sagt Mike Mathias. Man wolle eine Situation wie in Berlin verhindern, so der hohe Beamte des Wohnungsbauministeriums im Gespräch mit Reporter.lu. Dort habe der Preisdeckel dazu geführt, dass viele Wohnungen verkauft wurden und es immer schwieriger wird, eine Mietwohnung zu finden. Anders als in Luxemburg können Zweitwohnungen in Deutschland allerdings nach zehn Jahren steuerfrei verkauft werden. Der Verkaufsanreiz ist also weitaus größer. In Luxemburg fällt hingegen beim Verkauf eine Steuer von bis zu 21 Prozent auf die Wertsteigerung an. Die Situationen sind also kaum vergleichbar.

Das Gesetz trägt im Wesentlichen den Interessen der Vermieter Rechnung. Für Mieter gilt im Gegenzug, dass die Mietgarantie nicht mehr als zwei Monatsmieten betragen darf. Zudem soll die Maklergebühr mit dem Eigentümer geteilt und nicht mehr wie bisher allein vom Mieter gezahlt werden.

Inkohärente politische Ziele

Eigentlich sollte das Mietgesetz ein wichtiger Baustein in der Wohnungsbaustrategie der Regierung sein. Schon zuvor wurden etwa die Mietzuschüsse erhöht oder der Wohnungspakt 2.0 angenommen. Zudem wurde das Gesetzprojekt für eine Grundsteuer, Mobilisierungssteuer und Leerstandsteuer vorgelegt. Neben der Reform des Mietgesetzes sind zwei weitere Vorhaben zu erschwinglichem Wohnraum und den Wohnungsbeihilfen auf dem Instanzenweg. Henri Kox bezeichnete das Mietgesetz im Interview mit „Radio 100,7“ als letztes Puzzlestück dieser „kohärenten Wohnungspolitik für erschwinglichen Wohnraum“.

Doch diese „Kohärenz“ lässt zu wünschen übrig. Zum einen sollen die verschiedenen Steuern dazu führen, entweder mehr Wohnungen zu bauen, diese eher zu verkaufen oder leerstehende Wohnungen zu vermieten. Quasi als Gegenleistung dafür, die Wohnung nach langem Leerstand auf den Markt zu bringen, können fortan die Mieten höher ausfallen. Gleichzeitig will die Regierung über den Weg der öffentlichen Bauträger verstärkt auf Mietwohnungen setzen.

Dass diese durch das Gesetz des Ministers auf einem höheren Niveau begrenzt werden, wirkt demnach wie ein Widerspruch. Die neue Obergrenze sieht man im Ministerium aber nicht als problematisch an. „Es hat sich ohnehin niemand an das Gesetz gehalten, es konnte nicht angewendet werden“, sagt Mike Mathias im Gespräch mit Reporter.lu. Die Preise würden durch das neue Gesetz also nicht steigen, in manchen Fällen, wie etwa für gemietete Zimmer in einer Wohnung, könnten sie sogar fallen, so der Erste Regierungsrat im Wohnungsbauministerium.

„Warum eine ganze Mietreform machen, wenn es eigentlich nur um einen kleinen Teil des Marktes geht?“, fragt hingegen Jean-Michel Campanella bei „RTL 5 minutes“. Er kann den Rückzieher des Ministers nicht nachvollziehen. Zurzeit sei die Situation auf dem Wohnungsmarkt festgefahren, so der Vorsitzende der « Mieterschutz ASBL ». Wenn die Mieten dann nicht begrenzt werden, versucht der Staat, die Mieter zumindest finanziell zu unterstützen.

Beihilfen statt Preisbremsen

Für die, die sich bereits jetzt kaum die Miete für eine herkömmliche Wohnung leisten können, hat das Ministerium eine altbewährte Lösung. „Für sie haben wir ja die Mietsubvention“, sagte Henri Kox vor gut zwei Wochen im Gespräch mit dem „Lëtzebuerger Land“. Dieser Zuschuss wurde erst kürzlich auf einen breiten Bevölkerungsanteil ausgeweitet und erhöht. Mehr als 70 Prozent aller Mieter seien für die Wohnungsbeihilfe berechtigt, geht aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von April hervor. Mittlerweile wurde die Hilfe noch weiter ausgeweitet. Bei der hohen Zahl der Berechtigten handelt es sich jedoch nur um eine Schätzung, relativiert der Beamte Mike Mathias.

Dennoch könnte das Versagen des Staates, die Mieten zu begrenzen, kaum deutlicher sein. Ein Markt, in dem mehr als zwei Drittel der Mieter ein Anrecht auf staatliche Unterstützung hat, ist ein klares Zeichen für ein Marktversagen. Es ist für das Ministerium dann fast tröstlich, dass ein Großteil der Betroffenen ihr Anrecht auf Subventionen nicht nutzt. Allerdings ist nicht klar, ob dies aus Unwissenheit geschieht oder weil der Mehraufwand größer ist als die erwartbare Beihilfe. Zurzeit müssen Antragsteller ohnehin drei Monate auf eine Auszahlung warten.

Hoffen auf den « Bon Marché »

Um die Beihilfen zu erhalten, muss man zudem bereits eine Wohnung mieten. Für Menschen, die sich bereits heute keine Wohnung leisten können, setzt das Ministerium auf zum Teil staatlich geförderte erschwingliche Wohnungen. Von denen gibt es zurzeit aber zu wenig.

Die „Société Nationale des Habitations à Bon Marché“ (SNHBM) verwaltet seit etwa drei Jahren gerade mal 20 Wohnungen, die als „erschwinglich“ und noch nicht als Sozialwohnung mit entsprechenden Kriterien gelten. Für die Wohnungen hätten sich 182 Interessenten gemeldet, erklärt SNHBM-Direktor Guy Entringer im Gespräch mit Reporter.lu. Beim „Fonds du Logement“ ist die Lage nur bedingt besser. Dort würden sich im Schnitt etwa sieben Kandidaten pro Wohnung melden, heißt es vom öffentlichen Bauträger. Im vergangenen Jahr wurden nur 17 von 122 vermieteten Wohnungen nicht subventioniert. Das Segment des erschwinglichen Wohnraums bleibt überschaubar.

Für eine Sozialwohnung sind jedoch viele Wohnungssuchende nicht berechtigt und die Warteliste ist in der Regel noch länger. Bei der SNHBM sind zurzeit 3.368 Kandidaten und beim « Fonds du Logement » 5.155 auf einer Warteliste. Im Durchschnitt müssen sie zwischen fünf und sechs Jahre warten, bis ihnen eine Wohnung angeboten werden kann.

Menschen, die eigentlich kaufen wollen, aber es durch die hohen Preise nicht können, werden gezwungen, hohe Mieten zu zahlen. »Jean-Michel Campanella, Mieterschutz ASBL

Der Druck auf die Sozialwohnungen könnte zudem noch steigen. In Zukunft soll das Kriterium für solche Wohnungen noch bis zum Medianeinkommen, das zurzeit rund 3.600 Euro monatlich beträgt, ausgeweitet werden. Es werden also noch weit mehr Wohnungen gebraucht, obwohl die Nachfrage bereits heute enorm ist. Die Regierung will neben einer stärkeren finanziellen Unterstützung von öffentlichen Bauträgern auch private Bauherren dazu verpflichten, einen Teil der Wohnungen an den Staat oder eine Gemeinde abzutreten, im Gegenzug dürften sie dichter bauen.

Doch bis diese Wohnungen fertiggestellt werden, werden viele Jahre vergehen. Einziger Lichtblick in der aktuellen Lage von hohen Baukosten und steigenden Zinsen: Bauherren beginnen bereits, ihre Immobilien öffentlichen Trägern anzubieten, da sie die Kosten selbst nicht mehr tragen können. Das bestätigt zumindest Guy Entringer von der SNHBM: „Wir befinden uns hier noch in einem kleinen Maßstab von zwei Projekten von jeweils 40 und 20 Wohnungen.“

Lage droht sich zu verschärfen

Die steigenden Baukosten gekoppelt mit höheren Zinsen führen jedoch auch schon dazu, dass die Kaufbereitschaft für Immobilien sinkt. Der Verkauf von neuen Wohnungen ist laut « Statec » bisher in diesem Jahr etwa um 17 Prozent eingebrochen. Das könnte sich auch auf den Mietmarkt auswirken. „Menschen, die eigentlich kaufen wollen, aber es durch die hohen Preise nicht können, werden gezwungen, hohe Mieten zu zahlen“, sagte Jean-Michel Campanella im Gespräch mit „RTL 5 minutes“. Der Vorsitzende des Mieterschutzes hätte sich deshalb bei der Reform von Henri Kox einen stärkeren Eingriff in den Markt gewünscht.

Das Potenzial für Mieterhöhungen ist ohnehin schon hoch. Im Vergleich zu den Verkaufspreisen sind die Mieten in den letzten Jahren wesentlich langsamer angestiegen. Laut der „Fondation Idea“ hätten die Immobilienpreise seit 2010 um 110 Prozent zugenommen, die Mieten hingegen nur um 52 Prozent. Damit die Investition sich also weiterhin lohnt, müssen die Mieten steigen. Das gilt vor allem für Investoren, die auf variable Zinssätze setzen. Ab Januar sind die Mieten zum ersten Mal seit zwei Jahren zudem nicht mehr eingefroren. Die Lage auf dem Mietmarkt droht sich also zu verschärfen.

Die kurzfristige Gefahr wird nicht wahrgenommen. „Das Problem ist eher, dass die Wohnungspreise zu hoch sind“, sagt Mike Mathias. Erst langfristig könnten die öffentlichen Bauträger mit niedrigeren Mieten auch den privaten Markt beeinflussen. Zurzeit machen diese zwischen zwei und drei Prozent der Wohnungen in Luxemburg aus. Mit der jetzigen Geschwindigkeit kann ein Wirkungseffekt erst in mehreren Jahrzehnten erwartet werden. Bis dahin regelt der Markt den Rest. Koste es, was es wolle.


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