Xavier Bettels Traum einer Nationalgalerie in der alten Nationalbibliothek muss definitiv anderen Plänen weichen: In den altehrwürdigen Gebäuden im Zentrum der Hauptstadt soll nun das Handelsgericht sowie eine permanente Ausstellung zur luxemburgischen Sprache einziehen.
„Das Allerwichtigste bei der Nationalgalerie ist das Dokumentationszentrum. Wir müssen aufarbeiten, was an Kunst in Luxemburg besteht – dafür brauchen wir aber nicht unbedingt ein Gebäude, wir können das schneller in Angriff nehmen“, vertraute die frischgebackene Kulturministerin Sam Tanson (Déi Gréng) dem „Luxemburger Wort“ im Dezember 2018 an.
Damit deutete sie erstmals öffentlich an, was hinter den Kulissen bereits bekannt war: Die grüne Ministerin war keine Freundin der Idee ihres DP-Vorgängers, eine eigene Galerie für luxemburgische Kunst in der ehemaligen Nationalbibliothek unterzubringen. Premierminister Xavier Bettel (DP), der das Kulturressort bis Ende 2018 verantwortete, hatte das Projekt noch kurz vor den vergangenen Wahlen vorgestellt. Auf 1.000 Quadratmetern sollte eine Galerie entstehen, die 36 Millionen Euro kosten und etwa ein Dutzend Mitarbeiter beschäftigen würde.
Fast drei Jahre und eine Pandemie später sehen die Pläne ein bisschen anders aus. Wie Sam Tanson und als Verantwortlicher für öffentliche Bauten auch François Bausch (Déi Gréng) dem DP-Abgeordneten André Bauler bestätigten, wird das Tribunal du Commerce in die oberen Etagen des altehrwürdigen Bauwerks einziehen. Aus Platzgründen müssen gleich drei Kammern des Gerichts umziehen.
Sprachausstellung wird konkreter
Ein Teil des Erdgeschosses soll jedoch exklusiv kulturellen Zwecken dienen, wie das Bildungsministerium auf Nachfrage bestätigt, das dort eine permanente Ausstellung zur luxemburgischen Sprache einrichten will. Lanciert wurde die Initiative von Marc Barthelemy, dem Kommissar für die luxemburgische Sprache. Im Gespräch mit Reporter.lu erklärt er den Ursprung dieser Idee. „Es waren Studierende und Künstler aus dem Ausland, die mich gefragt haben, wieso es keinen zentralen Ort gebe, an dem man sich über die Sprache informieren könnte. Ich fand dies auch eine gute Idee, denn unsere Sprache und ihre Geschichte sind äußerst komplexe Themen.“
Marc Barthelemy fand beim zuständigen Minister Claude Meisch (DP) Gehör, der das Projekt wiederum in den Ministerrat einbrachte. „In Zwischenzeit ist das Projekt gereift und mit ‚Historical Consulting‘ arbeitet auch eine erste Firma an der Erstellung eines Konzepts“, so Marc Barthelemy.
Der Kommissar für die luxemburgische Sprache bestätigt auch, dass bereits Kontakte mit verschiedenen Kulturinstitutionen, wie dem nationalen Literaturzentrum (CNL), dem Centre National de l’Audiovisuel (CNA), der Nationalbibliothek und den Archiven sowie der Universität, geknüpft wurden. Er schließt dabei nicht aus, die düsteren Kapitel der nationalen Sprachpolitik zu thematisieren, etwa wenn Luxemburgisch genutzt wurde, um Ausländer auszugrenzen. Momentan sei das Projekt in der Budgetierungsphase. Wenn diese abgeschlossen sei, werde man für die Umsetzung nach spezialisierten Museographen suchen.
Dass die permanente Ausstellung zur luxemburgischen Sprache bereits so weit fortgeschritten ist, trifft aber auch auf Unverständnis. Serge Wilmes (CSV), Abgeordneter und Erster Schöffe der Hauptstadt, sprach sich am Dienstag im Interview mit „RTL Radio“ gegen das Projekt aus. Stattdessen brachte er die Idee eines „Kindermuseums“ ins Spiel.
Neuer Standort für Nationalgalerie
Die Initiative für das neue Projekt liegt allerdings beim Bildungsministerium. Auch wenn das Kulturministerium die Sprachausstellung unterstützt, hat es selbst keine Pläne mehr für dieses Gebäude. Der wichtigste Grund, warum aus der Nationalgalerie bei der Kathedrale nichts wurde, lag in der Machbarkeit des Projekts. Es gab unter der neuen Regierung mehrere Visiten der Räumlichkeiten, deren Auswertungen alle zu dem Schluss kamen, dass ein Umbau zur Galerie sehr kostspielig sein und trotzdem nicht ausreichend Funktionalität bieten würde.
Deshalb konzentriert sich das Kulturministerium jetzt auf zwei andere Standorte in der Hauptstadt: Die Villa Louvigny und ein Teil des Robert-Schuman-Gebäudes auf Kirchberg. Im Süden des Landes wird auch die « Neischmelz » in Düdelingen in Betracht gezogen. Hier soll ein Depot mit Kunst aus Luxemburg eingerichtet sowie Restaurationsateliers und Raum für die Forschung an der hiesigen Kunstgeschichte geschaffen werden.
Wie es aus mehreren gut unterrichteten Quellen heißt, befinden sich diese Projekte aber aktuell noch „in einer allerersten Planungsphase“. Vieles würde noch von der « Administration des bâtiments publics » abhängen. Ebenso sei noch unklar, welches Budget im Lichte der andauernden Coronakrise noch für solche Projekte übrig sein wird.
In einer ersten Version dieses Artikels war zu lesen, dass das Kulturministerium am Standort Lycee Robert Schuman interessiert wäre. Es handelt sich aber um das Robert-Schuman-Gebäude auf Kirchberg.