Eine Studie geht auf das auch in Luxemburg erhöhte Risiko ein, Opfer von Genitalverstümmelung zu werden. Ein Fazit: Durch die zunehmende Migration aus afrikanischen Ländern, vor allem aus Eritrea, müssen Mädchen und Frauen stärker geschützt werden. Noch fehlt es aber an einem Konzept.

Fehlende Anlaufstellen trotz steigendem Risiko: Die Kernaussagen der Studie über weibliche Genitalverstümmelung, die das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) am 3. Februar veröffentlichte, sind eindeutig: Mit der steigenden Migration aus afrikanischen Ländern wächst auch das Risiko für in Luxemburg lebende Mädchen und Frauen, Opfer von Genitalverstümmelung zu werden. Trotzdem fehlt es im Land weiter an Anlaufstellen und einer staatlichen Koordination.

Die Studie geht davon aus, dass von den 822 in Luxemburg lebenden Mädchen im Alter zwischen 0 und 18 Jahren, die ursprünglich aus einem Land kommen, in dem weibliche Genitalverstümmelung praktiziert wird, zwölf bis 17 Prozent einem reellen Risiko ausgesetzt sind, Opfer dieser seit 2008 in Luxemburg verbotenen Praxis zu werden. Ebenso ist laut der Studie jede fünfte Asylbewerberin unter 18 Jahren, die 2019 nach Luxemburg kam, dem Risiko der Genitalverstümmelung ausgesetzt.

Befragungen der Community

Nahezu alle im Rahmen der Studie Befragten waren sich einig, dass Luxemburg ein gutes und prinzipiell leicht zugängliches Gesundheitssystem habe. Einig waren sich die Befragten allerdings auch darin, nicht zu wissen, an wen sie sich wenden sollten, wenn sie medizinische Hilfe wegen der Konsequenzen von Genitalverstümmelung bräuchten. Ebenso wenig waren ihnen Anlaufstellen bekannt, um Schutz und Unterstützung zu bekommen, um Genitalverstümmelung zu vermeiden.

Während der gesetzliche Rahmen den internationalen Bestimmungen Folge leistet und somit theoretisch eine Waffe im Kampf gegen Genitalverstümmelung vorhanden ist, sieht die Praxis weniger angemessen aus: Die Studie kritisiert, dass im Nationalen Aktionsplan zur Gleichheit zwischen Frauen und Männern, den das Ministerium im September 2020 veröffentlichte, das Wort „Genitalverstümmelung“ nicht einmal vorkommt. Auch Vorbeugemaßnahmen durch Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen sowie Anlaufstellen seien in Luxemburg spärlich. Es gebe zwar Zentren für Frauen, die sowohl medizinische als auch psychologische Unterstützung anbieten, allerdings nicht mit speziellem Angebot für Frauen, die an den Folgen von Genitalverstümmelung leiden.

Empfehlungen für Luxemburg

Die Studie schließt mit eindeutigen Empfehlungen ab: Der Umgang mit Genitalverstümmelung müsse professionalisiert werden. Das EIGE fordert einen Aktionsplan gegen Genitalverstümmelung, Sensibilisierungskampagnen, eine bessere Unterstützung während des Asylverfahrens sowie eine nationale Koordination der beteiligten Akteure. Dazu gehöre auch der Aufbau eines nationalen Registrierungssystems, in dem Fälle von Genitalverstümmelung anhand von verschlüsselten Codes aufgelistet werden können. Hebammen bemängelten gegenüber Reporter.lu, dass häufig Informationen fehlten, um etwa im Falle einer Geburt entsprechend handeln und helfen zu können.

Pünktlich vor dem internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung am 6. Februar verschickten sechs Ministerien gemeinsam eine Pressemitteilung: Es müsse daran erinnert werden, „dass ein derart schwerer Angriff auf die Gleichstellung von Frauen und Männern und eine solche Form extremer geschlechtsspezifischer Gewalt nicht akzeptiert und niemals toleriert wird.“

Außer mit einem Verweis auf eine 2011 veröffentlichte Broschüre zur Aufklärung über Genitalverstümmelung, bleibt die Regierung in dem Schreiben allerdings weitere Maßnahmen schuldig. Die Pressemitteilung gibt keinen Aufschluss darüber, wie die Regierung gedenkt, dem auch in Luxemburg wachsenden Problem der weiblichen Genitalverstümmelung zu begegnen.


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