In Afghanistan werden Bodenschätze im Wert von vielen Hundert Milliarden Euro vermutet. Doch das enorme wirtschaftliche Potenzial birgt auch ein großes politisches Konfliktpotenzial für das ohnehin von Krisen und Gewalt geprägte Land am Hindukusch.
Die vielen bunten, ineinander greifenden Flächen lassen die geologische Karte Afghanistans wie ein abstraktes Gemälde aussehen. Orange, gelb, grün, blau – kaum ein Zentimeter auf der Landkarte, der nicht ein Vorkommen an Bodenschätzen beschreibt. Doch das hier ist kein Museum, sondern eine Ausstellung von Gesteinsproben im dritten Stock der Polytechnischen Universität Kabul (KPU). Entlang eines ausgedehnten Korridors befindet sich Afghanistans renommiertestes Bergbau-Institut, die Fakultät für Tagebau-Ingenieurswesen.
Als die KPU vor über 50 Jahren von der Sowjetunion gegründet wurde, war noch wenig über die afghanischen Reichtümer unter Tage bekannt. Erst in den letzten Jahren erforschten Geologen das Ausmaß der Rohstoffvorkommen am Hindukusch. Nun ist sicher: Unter der afghanischen Erde befinden sich laut unterschiedlichen Schätzungen Metalle und Edelsteine im Wert von über einer Billion US-Dollar. Darunter sind Stoffe wie das in der Elektro-Industrie begehrte Lithium und eine Reihe seltener Erden. Afghanistan hat eines der weltweit größten Kupfervorkommen sowie große Vorräte an Erdöl, Erdgas und Kohle.
Wirtschaftliches Potenzial, fehlende Infrastruktur
« Der Bergbau hat das Potenzial, die wirtschaftlichen Probleme unseres Landes zu lösen und viele neue Arbeitsplätze zu schaffen », sagt Amanullah Zahid, ein junger Lehrer, der an der KPU Minenmaschinerie unterrichtet und dabei von der deutschen Entwicklungshilfe-Agentur GIZ unterstützt wird. Zahid erklärt Zusammenhänge mit der Präzision eines versierten Technikers. Wie viele Experten setzt er große Hoffnungen in die allmähliche Ausbeutung der afghanischen Reichtümer unter Tage.
Die afghanische Regierung möchte die Bodenschätze so bald wie möglich systematisch abbauen und das Land damit unabhängig von fremden Geberländern machen. Geht es nach Kabul, so soll der Bergbau in weniger als zwei Jahrzehnten bereits 50 Prozent der afghanischen Wirtschaftsleistung betragen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Vor Zahids Büro stehen vier Styroporkästen, die die gängigsten Minen-Typen im internationalen Bergbau veranschaulichen sollen. Die Modelle wurden von Studenten gefertigt und angemalt. Noch allerdings bleibt es bei Modellen, denn bisher besitzt Afghanistan keine einzige Mine, die professionell ausgebeutet wird. Zudem fehlt es dem Land an gut funktionierenden Betrieben, die über die notwendigen Technologien verfügen.
Vielerorts wird noch gänzlich per Hand abgebaut, Sicherheitsvorkehrungen und Arbeitsschutz gibt es kaum. Erst im vergangenen Januar kamen beim Einsturz einer illegalen Goldmine in der nordafghanischen Provinz Badachschan 35 Menschen ums Leben. Dorfbewohner hatten in einem trockenen Flussbett einen sechzig Meter tiefen Schacht gegraben und den Abbau selbst in die Hände genommen.
Warlords und Rebellen kontrollieren den Bergbau
Nach Schätzungen gibt es in Afghanistan mindestens 2.000 solche nicht-offizielle Förderschächte. Mehr als zwei Drittel davon werden von Warlords, den Taliban oder anderen Rebellengruppen kontrolliert. Wenn in einer Region neue Rohstoffvorkommen entdeckt werden, kommt es häufig zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen lokalen Stämmen, die sich alle ein Stück vom Kuchen abschneiden wollen. Ein solch instabiles Umfeld schreckt ausländische Investoren ab, auch wenn profitgierige Firmen vor allem aus China, aber auch aus Südasien und den Vereinigen Staaten, bereits in den Startlöchern stehen.
Der Bergbau hat das Potenzial, die wirtschaftlichen Probleme unseres Landes zu lösen und viele neue Arbeitsplätze zu schaffen. »Amanullah Zahid, Uni-Dozent in Kabul
Glaubt man einem Bericht der Deutschen Welle, so soll Donald Trump das enorme Potenzial des afghanischen Bergbaus erkannt haben und hofft nun, durch Gewinne aus der Rohstoffförderung Teile der amerikanischen Kriegsausgaben zu kompensieren. Reaktionen aus Kabul sind scharf: Amerika soll die Bodenschätze am Hindukusch nicht als « Kriegsbeute » betrachten, heißt es bereits von Kritikern wie der Organisation « Afghanistan Integrity Watch ». Manche US-Kritiker stellen längst den Vergleich an: Wenn es den Amerikanern im Irakkrieg um Öl ging, so sind es in Afghanistan die Bodenschätze.
Dass die Verbindung von Afghanistans Rohstoffreichtum und der sich zunehmend verschlechternden Sicherheitslage im Land hohe Risiken birgt, weiß auch Zahid. Er selbst stammt aus der Provinz Wardak, in die er seit Jahren nicht mehr reisen konnte – die Taliban haben dort das Sagen, wenn auch nur wenige Dutzend Kilometer von Kabul entfernt. Zudem könnten Verteilungskämpfe um die Bodenschätze zwischen lokalen Kriegsfürsten das Land wieder in einen Bürgerkrieg stürzen. Umso wichtiger, betont Zahid, sei eine verantwortungsvolle Regierungsführung in Sachen Bergbau.
Gewinne und Kollateralschäden für die Bevölkerung
So sieht das im Jahr 2014 verabschiedete afghanische Bergbaugesetz vor, dass jeweils fünf Prozent der Einnahmen an einer Mine direkt zur Entwicklung der jeweiligen Provinz beitragen müssen. Noch hapert es jedoch an der Umsetzung. Es fehlt Afghanistan an der notwendigen Infrastruktur und an gut ausgebildeten Fachkräften, die solche Prozesse effizient steuern können. Kommunikation zwischen dem Ministerium für Bergbau und Erdöl und den Bergbau-Experten der Polytechnischen Universität gibt es bisher kaum, bemängelt Zahid.
Die meisten technischen Felder sind längst abgearbeitet. Aber im Bergbau gibt es noch viel zu tun. »Zohra Hazrati, Bergbau-Studentin
Die vielfachen Herausforderungen für Afghanistan lassen sich am Beispiel der südöstlich von Kabul gelegenen Kupfermine Ainak aufzeigen, ein Prestigeprojekt der afghanischen Regierung: Der Kupferabbau und die zur Ausbeutung benötigten Wassermassen haben zu erheblichem Wassermangel in den umliegenden Gebieten geführt. Örtliche Bauern sind die Leidtragenden, können ihre Felder nicht mehr bewässern.
Auch die von der Kabuler Regierung versprochenen Arbeitsplätze dürften eher geringfügig ausfallen, denn es mangelt an verarbeitender Industrie. Zudem gibt es keine Zugverbindung, um die Mengen an Kupfer abzutransportieren. Auch militärische Operationen von Rebellen in der Region haben den Abbau in den letzten Jahren erschwert, chinesische Arbeiter zogen sich nach mehrfachen Angriffen zurück. Hinzu kommt, dass die Kupfermine in einem Gebiet mit archäologischen Schätzen aus der buddhistischen Periode liegt.
Junge afghanische Generation bleibt hoffnungsvoll
Dennoch ist Zahid von der KPU guter Dinge, dass Afghanistan in Sachen Bergbau lernfähig ist. Seine Schülerinnen und Schüler jedenfalls scheinen hoch motiviert, etwas in ihren Land verändern zu wollen. Bergbau-Studentin Zohra Hazrati ist die einzige Frau in einem Kurs von 32 Studenten. Sie sitzt an einem alten Pult in der ersten Reihe und verfolgt aufmerksam die Powerpoint-Präsentation, anhand derer Amanullah Zahidi Bergbaumaschinen und ihre Funktionsweise erklärt.
Als sie sich für das Bergbau-Studium entschied, bekam Hazrati reichlich verwunderte Fragen aus dem Freundeskreis zu hören. Eine Frau, die sich für den Bergbau begeistert? Hazarti hat eine Antwort parat: „Die meisten technischen Felder sind längst abgearbeitet. Aber im Bergbau gibt es noch viel zu tun.“ Später will die Hazrati einmal im Kabuler Bergbau-Ministerium arbeiten und dabei helfen, Afghanistans Potenziale im Bergbau auszuschöpfen. Eins ist sicher: Es kommt viel Arbeit auf sie zu.