Carole Dieschbourg kündigt punktuelle Konsequenzen aus der Affäre « SuperDrecksKëscht » an. Die Umweltministerin hat das Dossier lange unterschätzt und trägt auch jetzt nur zaghaft zur Aufklärung bei. Dabei sind die Missstände nicht mehr schönzureden. Ein Kommentar.

« Es wurden keine Unregelmäßigkeiten bei der Aktioun SuperDrecksKëscht festgestellt »: Es war der wohl wichtigste Satz von Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) bei der Vorstellung des Audits zur « SuperDrecksKëscht » (SDK). So wichtig und prägnant, dass ihn prompt die meisten Medien wörtlich und damit auch die ganze Lesart der Ministerin einseitig wiedergaben.

Die Krisenkommunikation des Umweltministeriums verlief also nach Plan. Die Pressekonferenz zur Vorstellung des Audits wurde am vergangenen Freitag für den späten Nachmittag, also quasi im luftleeren Raum der politischen Berichterstattung, anberaumt. Zudem präsentierte und interpretierte Carole Dieschbourg die Ergebnisse des Prüfungsberichts zur SDK, bevor dieser überhaupt öffentlich war. Die anwesenden Journalisten waren also nicht auf dem gleichen Wissensstand wie die Ministerin und ihre Beamten. Erst um Punkt 18.00 Uhr wurde das Audit-Dokument an die Presse verschickt.

Die Strategie dahinter kann kaum ein Zufall sein. Denn ohne eine eingehende Analyse der Fakten lässt sich die offizielle politische Lesart des Audits nur schwer entkräften. Carole Dieschbourg behielt so vorerst die Deutungshoheit. In einem Punkt hat die Ministerin denn auch Recht: Bei der Frage der gesetzlichen Konformität formuliert der Prüfungsbericht keine Beanstandungen. Dies war jedoch nur ein Aspekt der Untersuchung.

Verschlossene « SuperDrecksKëscht »

Eine tiefergehende Lektüre des Prüfungsberichts von „Muller&Associés“ lässt allerdings wohlbegründete Zweifel an der Schlussfolgerung der Ministerin zu. Das 127 Seiten lange Dokument ist eine ebenso nüchterne wie nuancierte Bestandsaufnahme. Es enthält jedoch mehrere kritische Passagen, die man objektiv sehr wohl als « Unregelmäßigkeiten » verstehen kann.

Würde ein kleiner Sportverein mit seinen Finanzen so sorglos umgehen wie das Unternehmen OSL mit den Millionen an Steuergeldern, hätte er zu Recht ein Problem. »

Dazu gehört an erster Stelle der Befund des Audits, dass die Konstruktion der SDK – Zitat – « Risiken des Interessenkonflikts » aufweise, die es in Zukunft zu begrenzen gelte. Zudem bestätigt der Bericht jene Irregularitäten in der Buchführung der Firma „Oeko-Service Luxembourg“ (OSL), die bereits durch die Recherchen von Reporter.lu aufgedeckt worden waren.

Laut der Recherche erhielten die Bilanzen von OSL, also jener Firma, die die SDK im Auftrag des Staates ausführt, 2018 und 2019 nur ein eingeschränktes Urteil durch externe Rechnungsprüfer. Es geht um Forderungen in Höhe von 3,7 Millionen Euro, die weder der Geschäftsführer von OSL, Hans-Peter Walter, noch der Direktor der Umweltverwaltung, Robert Schmit, erklären konnten.

Auch die Wirtschaftsprüfer von „Muller&Associés“ bissen an dieser Stelle auf Granit. « Nous n’avons pu vérifier ces opérations », heißt es knapp in ihrem Audit. Die dafür notwendigen Informationen seien den Autoren « nicht zur Verfügung gestellt » worden. Gleiches gilt für die Fragen von ausbezahlten Dividenden (allein 1,5 Millionen Euro in 2019), Wertberichtigungen und Konten zwischen verknüpften Gesellschaften. « Après analyse des comptes annuels publiés, il nous est impossible de donner une assurance sur les comptes de la société », so das bemerkenswerte Fazit des Audits.

Kein Urteil über die Finanzführung

Auch das weit verzweigte internationale Firmengeflecht des Unternehmers Hans-Peter Walter entgeht demnach einer eingehenden Analyse durch die Autoren des Audits. Zwar haben die Prüfer ein grobes Schema der Beziehungen zwischen den « zahlreichen Gesellschaften » und den wirtschaftlichen Begünstigten des OSL-Netzwerks erstellt. Doch auch hier bemängeln sie, dass ihnen keine weiteren Informationen über die Geldflüsse und Verrechnungspreise (« prix de transfert ») zugänglich gemacht wurden.

Konkret heißt das: Das Audit klammert all jene Fragen bewusst aus, die eine gewissenhafte Buchführung von OSL betreffen. Zur Erinnerung: Die Firma OSL erhält zur Ausführung der SDK-Mission laut einem 2018 unterzeichneten Vertrag über elf Jahre insgesamt 97 Millionen Euro vom Luxemburger Staat. Ob das Unternehmen regelkonform mit diesen Steuergeldern umgeht, lässt der Bericht ausdrücklich offen.

Allein der Fakt, dass die vom Ministerium beauftragte Auditfirma bei ihrer Arbeit auf wesentliche Hindernisse stieß, ist an sich eine ‘Unregelmäßigkeit’. »

Man muss sich diesen Befund nur einmal kurz vergegenwärtigen: Ein von der Regierung in Auftrag gegebenes Audit kann und will kein Urteil darüber abgeben, ob bei einer Firma, die viele Millionen Steuergelder erhält, finanziell alles mit rechten Dingen zugeht. In diesem Sinn mutet der Satz von Carole Dieschbourg, wonach bei der SDK « keine Unregelmäßigkeiten » festgestellt worden seien, überaus zynisch an. Denn wer keine Regelwidrigkeiten ausschließen kann, weil er vom Staat und der betroffenen Firma nicht alle Informationen erhielt, kann natürlich im Umkehrschluss auch keine Unregelmäßigkeiten feststellen.

Dabei könnte man auch die Frage stellen, warum das Unternehmen, das den Auftrag der SDK ausführt, den Wirtschaftsprüfern von „Muller&Associés“ nicht alle notwendigen Informationen zukommen ließ. Auch wenn es bisher keinen Verdacht auf gesetzeswidriges Handeln gibt, hätte der Staat zumindest darauf einwirken können, dass die Verantwortlichen von OSL mit den Autoren des Audits bestmöglich kooperieren. Allein der Fakt, dass die vom Ministerium beauftragte Auditfirma bei ihrer Arbeit auf wesentliche Hindernisse stieß, ist an sich eine « Unregelmäßigkeit ».

Mehrere belegbare Problembereiche

Eine weitere eklatante Irregularität betrifft die Markenrechte der « Aktioun SuperDrecksKëscht ». Laut dem besagten Vertrag hält der Staat alle Rechte an der SDK. Doch wie die Recherche von Reporter.lu im vergangenen Februar ergab, besitzen der Unternehmer Hans-Peter Walter sowie seine Firma „Oeko-Service Luxembourg“ seit 2007 die Rechte an der Wortmarke « SuperDrecksKëscht ». In diesem Punkt ist das Audit unmissverständlich. Es bestehe die Gefahr, dass – Zitat – « si OSL décide de continuer de l’utiliser respectivement la cède à une autre société, il sera laborieux et coûteux de la récupérer. » Die Regierung müsse demnach unverzüglich die Marke registrieren lassen, so die Empfehlung des Prüfberichts.

Le processus de facturation de l’action SDK est entièrement manuel et des erreurs sont régulièrement identifiées par l’Administration de l’environnement. »Audit zur « SuperDrecksKëscht »

Auch die Rechnungsabteilung der Firma OSL sowie deren Kontrolle durch die Umweltverwaltung werden im Audit als Problem identifiziert. Wie die Autoren anhand von rezenten Beispielen veranschaulichen, lässt sich die Fakturierung der SDK kaum anders als veraltet und unprofessionell bezeichnen – Zitat: « Le processus de facturation de l’action SDK est entièrement manuel et des erreurs sont régulièrement identifiées par l’Administration de l’environnement. »

Als ultimativen Beleg für diesen Missstand zieht das Audit eine Rechnungskopie heran, auf der die Umweltverwaltung handschriftlich Korrekturen anbrachte. « L’administration vérifie et corrige les factures à la main », bemerken die Wirtschaftsprüfer. Die von OSL eingereichten Rechnungen würden regelmäßig Fehler enthalten, so der Befund, darunter: « Erreur de saisie », « Factures en double », « Facture non éligible », « Montant TTC au lieu de HTVA ».

Quelle: Audit de l’action de la SuperDrecksKëscht – Rapport final

Alles zusammen genommen zeichnet das Audit das Bild eines unordentlichen, mangelhaft kontrollierten Geschäftsgebarens der beteiligten Gesellschaften. Allein der Abschnitt über das Rechnungswesen müsste die Vertreter des Staates eigentlich alarmieren. Würde ein kleiner Sportverein mit seinen Finanzen so sorglos umgehen wie das Unternehmen OSL mit den Millionen an Steuergeldern, hätte er zu Recht ein Problem. Im Fall der « SuperDrecksKëscht » scheint das aber niemanden im Ministerium so recht zu stören. Carole Dieschbourg kündigte lediglich an, dass man die Erstellung und Kontrolle der Rechnungen künftig « digitalisieren » wolle.

Auftrag zur politischen Aufklärung

Spätestens an dieser Stelle kommt auch die entscheidende Rolle und Verantwortung des Direktors der Umweltverwaltung, Robert Schmit, ins Spiel. Der hohe Beamte war persönlich in nahezu alle Angelegenheiten der Verwaltung und Kontrolle der SDK eingebunden. Er formulierte und überwachte die Ausschreibung, er überprüfte die Rechnungen, er übte gleichzeitig die Kontrolle als Mitglied im « Comité de pilotage » aus und kontrollierte als Chef der Umweltverwaltung die Konkurrenzunternehmen in der Abfallwirtschaft.

Im Lichte all dieser Aspekte ist der eingangs zitierte Satz von Carole Dieschbourg (« keine Unregelmäßigkeiten ») schlicht nicht haltbar. Vielmehr liest sich das Audit zur SDK wie ein klarer Auftrag an die Politik, handfeste Missstände zu beheben. Dabei stellt sich in der politischen Debatte nicht zuletzt die Frage, warum eine vom Staat subventionierte Recycling-Initiative unbedingt von einem Privatunternehmen ausgeführt werden muss.

Die Strategie der Ministerin ist jene der häppchenweisen Transparenz: Gerade genug, um sich nicht dem Vorwurf der Gleichgültigkeit auszusetzen. Aber doch zu wenig, um glaubhaft Fehler oder Versäumnisse einzugestehen. »

Dem Umweltministerium kann man zugutehalten, dass es nach der systematischen Recherche von Reporter.lu und den darauf folgenden politischen Diskussionen überhaupt den Weg eines unabhängigen Audits einschlug. Auch wenn der Prüfungsbericht in den meisten Punkten nur die journalistische Recherche von Anfang des Jahres bestätigt und bei weiteren Nachforschungen auf Widerstände stieß, trägt seine Analyse zur Transparenz und zur Aufklärung des Sachverhalts bei.

Auch die Zusage von Carole Dieschbourg, dass man aufgrund des Audits punktuelle Anpassungen bei der Aufsicht der SDK-Mission vornehmen wolle, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings passt diese Ankündigung eben nicht zur offiziellen Leitlinie, wonach es bei der SDK überhaupt keine Unregelmäßigkeiten gebe. Die Strategie der Ministerin ist jene der häppchenweisen Transparenz: Gerade genug, um sich nicht dem Vorwurf der Gleichgültigkeit auszusetzen. Aber doch zu wenig, um glaubhaft Fehler oder Versäumnisse einzugestehen.

Mehr Transparenz und Rechenschaft

Man darf von der Umweltministerin erwarten, dass sie in dieser Sache aufrichtiger kommuniziert und der Öffentlichkeit reinen Wein einschenkt. Der Kern dieser Affäre geht nämlich über das Beispiel der « SuperDrecksKëscht » hinaus: Aufgrund einer über drei Jahrzehnte andauernden Kooperation hat der Staat eine Initiative ins Leben gerufen, die unbestritten eine sinnvolle Mission ausführt. Gleichzeitig wurde so aber auch ein Konstrukt erschaffen, das einem Unternehmen bzw. wenigen Personen staatlich garantierte, aber nur unzulänglich kontrollierte Aufträge in Millionenhöhe bescherte. Die Verantwortung dafür trägt übrigens nicht nur die aktuelle Ressortministerin, sondern auch die Vorgängerregierungen unterschiedlicher politischer Couleur.

Besonders brisant an dem Dossier SDK ist die Tatsache, dass die zwei Hauptfiguren des « Systems SuperDrecksKëscht » – der Unternehmer Hans-Peter Walter und der hohe Beamte Robert Schmit – keinen Hehl aus ihrer parallel zu ihrer Geschäftspartnerschaft gewachsenen Männerfreundschaft machen. Dieser Punkt wird im Audit übrigens nur angeschnitten. Der von der Opposition vorgebrachte Vorwurf der Vetternwirtschaft ist damit nicht aus der Welt geschafft.

Spätestens durch das Audit wird jedenfalls deutlich: Die gute Idee hat sich über all die Jahre zu einer problematischen Konstellation entwickelt. Die « SuperDrecksKëscht » ist ein staatlich gefördertes Millionengeschäft, das seinesgleichen sucht. Auch das lässt sich übrigens aus dem Prüfungsbericht herauslesen. Angesichts der mittlerweile mehrfach belegten Unregelmäßigkeiten kann die Regierung ihre Rechenschaftspflicht aber nicht länger missachten.

Denn es geht nicht um « Peanuts », sondern allein für den aktuellen Zeitraum von 2018 bis 2028 um fast 100 Millionen Euro an Steuergeldern. Die Öffentlichkeit hat schlicht ein Recht darauf, zu erfahren und angemessene Erklärungen dafür zu erhalten, ob diese Mittel sinnvoll und regelkonform eingesetzt werden. Der Hauch von Transparenz, den die Ministerin bisher andeutete sowie der Hinweis, dass man beim nächsten Vertrag in sieben Jahren gewisse Anpassungen vornehmen wolle, sind dafür nicht ausreichend.


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