Eine polemische Facebook-Kampagne der Piraten bewirkt Morddrohungen gegen eine Ministerin. Die Partei distanziert sich davon nur halbherzig. Es ist nicht das erste Mal, dass die Piratenpartei sich auf gefährliches politisches Terrain begibt. Ein Kommentar.
Politik ist ein hartes Geschäft. Polemik, emotionale Debatten und persönliche Anfeindungen sind dabei eher die Regel als die Ausnahme. Wenn die politische Auseinandersetzung jedoch in Hasskommentare und offene Morddrohungen ausartet, hört der Spaß definitiv auf – unabhängig davon, wer dabei Urheber und wer Opfer ist.
Die Kontroverse um eine Facebook-Kampagne der Piratenpartei ist dafür nur das jüngste Beispiel. In einer Serie von Beiträgen erweckt die Partei den Eindruck, als ob Umweltministerin Carole Dieschbourg persönlich für eine Jagd auf Wildschafe im Osten des Landes verantwortlich sei. Von der Qualität und Glaubwürdigkeit des betreffenden Videos über « Agentin Dieschbourg » kann sich jeder sein eigenes Bild machen. Man könnte fast drüber lachen, wenn die Sache nicht so – im wahrsten Sinne des Wortes – todernst wäre.
Verspätete « Distanzierung » reicht nicht aus
Angesichts der einseitigen, faktisch fragwürdigen Darstellung der Piraten kann die Heftigkeit der Kommentare unter dem entsprechenden Facebook-Post niemanden überraschen. In vielen Fällen bewegen sich die Reaktionen im womöglich strafrechtlich belangbaren Bereich der Beleidigung. Bei manchen Kommentaren handelt es sich eindeutig um Anspielungen auf den Mord an der Ministerin oder anderen Koalitionspolitikern. Die Piratenpartei ließ diese Kommentare mehrere Tage lang unkommentiert unter ihren Postings vom Wochenende stehen.
Ob bewusst oder nicht, ob Populismus oder Dilettantismus: Dieses Verhalten schadet dem politischen Diskurs, in dem es die Grenzen des Zulässigen in der politischen Auseinandersetzung allmählich verschiebt. »
Erst als die Ministerin sich selbst auf Facebook gegen die Anfeindungen verwahrte und mehrere Fälle an die Justiz weiterleitete, reagierten die Piraten. Am Dienstag verwiesen sie auf die Verhaltensregeln einer « Netiquette ». Später distanzierten sie sich per Pressemitteilung eher abstrakt von « Hasskommentaren ».
Doch das reicht in diesem Fall nicht aus. Eine Partei, die auf dem Boden des demokratischen Rechtsstaats stehen will, muss mehr tun, als sich nur auf Druck von außen hin zu distanzieren. Die Piratenpartei hat wie alle anderen politischen Gruppierungen eine Verantwortung für den politischen Diskurs im Land. In diesem konkreten Fall hat sie auch eine glasklare Verantwortung dafür, dass sie selbst die extremistischen Reaktionen überhaupt hervorrief – und dann nicht klar verurteilte, sondern im Gegenteil der Eskalation des Hasses auf ihrer Facebookseite freien Lauf ließ.
Eine neue Stufe der Piratisierung der Politik
Zudem ist es nicht das erste Mal, dass die Partei mit grenzwertigen politischen Botschaften von sich reden macht. Das Parteimitglied Daniel Frères vermischt seinen Einsatz für Tierschutz bereits seit Jahren mit penetranten Kampagnen gegen die Regierung oder Minderheiten. Und auch Parteikoordinator Marc Goergen übte sich in der Vergangenheit bereits als Trump’scher Lehrling in populistischer Medienschelte. Auch jetzt lässt sich der Abgeordnete nur zu einer halbherzigen Distanzierung von Morddrohungen auf Facebook verleiten, die von seiner Partei verursacht und nicht unverzüglich unterbunden wurden.
Eine Ministerin als Mörderin von schutzlosen Tieren darstellen und im Gegenzug Mordaufrufe gegen Regierungsmitglieder unkommentiert lassen: So weit ist diese Piratenpartei schon gekommen. »
Ob bewusst oder nicht, ob Populismus oder Dilettantismus: Dieses Verhalten schadet dem politischen Diskurs, in dem es die Grenzen des Zulässigen in der politischen Auseinandersetzung allmählich verschiebt. Eine Ministerin als Mörderin von schutzlosen Tieren darstellen und im Gegenzug Mordaufrufe gegen Regierungsmitglieder unkommentiert lassen: So weit ist diese Piratenpartei und ihre Piratisierung der Politik jedenfalls schon gekommen.
Die ganze Partei steht in der Verantwortung
Heute stehen aber nicht mehr nur die üblichen Verdächtigen innerhalb der Partei in der Verantwortung. Auch die Gründergeneration um Sven Clement, jedenfalls jene Mitglieder, die noch nicht das Weite gesucht haben, können nicht länger schweigen. Die allmähliche Wandlung und inhaltliche Entleerung der Partei haben sie bereits mehr oder weniger stillschweigend hingenommen. Jetzt hat der Wandel der Piraten jedoch eine neue, bedrohliche Qualität erreicht, die nicht ohne Folgen bleiben darf.
Eine Partei, die im Parlament vertreten ist, gefährdet mit ihrem Verhalten das Menschenleben von anderen Politikern – und vergiftet damit die gesamte politische Kultur. Das darf nicht nur von den anderen Parteien verurteilt werden. Wenn es innerhalb der einstigen Bürgerrechtspartei noch Mitglieder mit einem Hauch Anstand und Verantwortungsbewusstsein gibt, könnte das hier ihre letzte Chance sein, um sich noch halbwegs glaubwürdig von der gefährlichen Willkür ihrer Parteiführung loszusagen.
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