Hatespeech ist eine politische Realität, auch in Luxemburg. Der Hass im Netz darf nicht verharmlost werden, denn ihm kann physische Gewalt folgen. Die Frage nach der Verantwortung und dem richtigen Umgang mit Hassrede ist entscheidend für unser Zusammenleben. Ein Kommentar.
Politik ist knallhart. Inhalte verkürzt darzustellen, eine starke Sprache zu finden und seine Gegner anzugreifen, sind Teile des politischen Spiels. Dickes Fell gehört zur Grundvoraussetzung für die Bühne der Berufspolitik. Wer gerne austeilt, muss auch einstecken können.
Eine Demokratie braucht entgegengesetzte Meinungen und das Ringen um Deutungshoheit. Um lebendig zu sein, braucht sie zudem eine aktive Zivilgesellschaft, die sich in den politischen Diskurs einmischt. Das Internet verkürzt hier die Kommunikationswege und trägt prinzipiell zur Demokratisierung der politischen Debatte bei. Allerdings nur so lange, wie sich auch an Verhaltensregeln gehalten wird. Werden diese missachtet, kippt der Diskurs und die demokratische Debattenkultur ist in Gefahr.
Die Wichtigkeit des « Counterspeech »
Eine Umfrage von Reporter.lu hat bestätigt, dass drei von vier Politikerinnen im Internet bereits beleidigt, beschimpft und bedroht wurden. Sie hat gezeigt, dass herabwürdigende Kommentare, von Verniedlichungen über Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen, an niemandem spurlos vorbeigehen. Politikerinnen erzählten von Ohnmacht, Angst oder Hilflosigkeit, aber auch von Reaktionen der Solidarität und der Wehrhaftigkeit.
Man muss sich aktiv dagegen wehren. Die hasserfüllten Kommentatoren und Agitatoren müssen den Widerstand der demokratischen Mehrheit spüren. »
Die Antworten der Politikerinnen sollten jedem Menschen, dem etwas an einem zivilisierten Zusammenleben liegt, zu denken geben. Schwarz auf weiß lässt sich nachlesen, mit welchen menschenverachtenden Attacken die Volksvertreterinnen sich regelmäßig auseinandersetzen müssen. Gewiss: Hatespeech betrifft Frauen und Männer. Doch wie die Erzählungen zeigen, hat der Hass im Netz auch eine eindeutige Geschlechterdimension.
Sie werfen zudem viele Fragen auf, Fragen nach der Verantwortung und dem richtigen Umgang mit Hatespeech. Betroffene und Experten sind sich bei der Wichtigkeit der so genannten « Counterspeech » einig. Die sichtbare Gegenrede, das Widersprechen, Kontern und Entlarven von Lügen, ist im Internet ebenso wichtig wie im realen Leben.
Politik und Medien in der Verantwortung
Denn Sprache bereitet Handlungen vor. Wer zu Hass aufruft und ihn verbreitet, ebnet den Weg für Gewalt. Die Grenze zwischen Hass im digitalen Raum und Taten in der « realen » Welt ist nicht nur theoretisch. Extreme Ideologien und Bewegungen entstehen, verbreiten und verschärfen sich in der digitalen Welt.
Deshalb ist im Kampf gegen Hatespeech nicht zu dulden, wenn Sprache verharmlost wird. Setzt der Mensch bestimmte Worte ein, geschieht dies bewusst und zielgerichtet. Sprache schafft ein Bild der Wirklichkeit. Jeder und jede Einzelne kann dazu beitragen, den sprachlichen Diskurs im Internet zu kontrollieren und zu kanalisieren. Eine besondere Verantwortung tragen jedoch Politik und Medien.
Auch die Medien müssen sich bewusst sein: Offensichtliche Verleumdungen, Rassismus oder andere Hassreden sind nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt. »
Eine Partei, die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte für sich beansprucht, hat die Pflicht, auf die Art ihres politischen Diskurses zu achten. Polemisierende Äußerungen, Faktenverschleierung und persönliche Angriffe in Parlamentsdebatten sind allerdings auch hierzulande keine Seltenheit mehr. Ebenso wenig, wie die anschließende Manipulation und Vervielfältigung des Hasses im Internet. Dabei reichen ein polarisierender Video-Zusammenschnitt, ein irreführendes, aus dem Kontext gerissenes Bild oder eine reißerische Überschrift oft aus, um einen Shitstorm zu entfachen und Hatespeech zu befeuern.
Auch in Luxemburg zeigt sich: Solch manipulative Stimmungsmache kommt in den meisten Fällen von rechts. Sie stillt aber auch das Geltungsbedürfnis und fordert faktisch fragwürdige « Gegenangriffe » von Politikern anderer Couleur heraus. Die Verantwortung für die auf der Internetseite oder dem Facebook-Account folgenden Kommentare von Dritten wird dabei gerne weit von sich geschoben. Wenn es um Klickzahlen und eigene Popularität geht, können Respekt, Solidarität und Fairplay erschreckend schnell vom Bildschirm verschwinden.
Deeskalieren und brandmarken
Auch viele Medien scheinen der Versuchung nach den Klicks zu erliegen. Immer mehr Presseorgane stellen zwar Qualitätskriterien auf und prüfen Kommentare, bevor sie veröffentlicht werden. Dennoch finden sich in ihren Kommentarspalten noch viel zu häufig Hass und Hetze. Zu verlockend sind wohl auch hier die in Sekundenschnelle in die Höhe schnellenden Klickzahlen und das darauf zumindest indirekt folgende Geld.
Die Verantwortung aller Beteiligten liegt darin, die Grenzen der Debattenkultur zu ziehen und auf ihre Einhaltung zu pochen. Immer wieder muss klargestellt werden, dass Hassrede nicht akzeptabel ist. »
Dabei müssen sich auch die Medien bewusst sein: Offensichtliche Verleumdungen, Rassismus oder andere Hassreden sind nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Der öffentliche Aufruf zum Hass oder zur Gewalt ist strafbar und kann zur Anzeige gebracht werden. Das wird im virtuellen Raum, in dem Hemmschwellen ohnehin leichter fallen, leider viel zu häufig vergessen. Ebenso der Fakt, dass Parteien und Medien, die Hasskommentare dulden, sich mindestens moralisch mitschuldig machen.
Dass bei dem Kampf um eine respektvolle Debattenkultur auch hier in Luxemburg auf allen Ebenen viel Luft nach oben besteht, hat erst kürzlich die sogenannte „Semedo-Affäre“ eindrucksvoll vor Augen geführt. Der öffentliche Diskurs um den angemessenen Umgang mit den Mobbingvorwürfen gegen die EU-Abgeordnete Monica Semedo artete in den sozialen Medien schnell aus. Unter Beiträgen von Medien und politischen Akteuren fanden sich auch in diesem Fall rassistisch und sexistisch geprägte Beleidigungen gegen die Politikerin.
Sich aktiv gegen Hatespeech wehren
Das Beispiel hätte Potential, als Lehrstück zur Medienerziehung in die Schulbücher einzugehen. An ihm lässt sich zeigen, wie die demokratische Debattenkultur aus dem Ruder laufen und sich damit selbst gefährden kann. Die Verantwortung aller Beteiligten liegt darin, die Grenzen dieser Debattenkultur zu ziehen und auf ihre Einhaltung zu pochen. Immer wieder muss klargestellt werden, dass Hassrede nicht akzeptabel ist. Besonders für die Medien bedeutet das: Im Zweifel nicht anfeuern, sondern deeskalieren und Grenzüberschreitungen brandmarken.
« Counterspeech » bedeutet nicht, sich insgeheim über die Brutalität der politischen Kultur aufzuregen. Schweigen hilft den Betroffenen nicht. Man muss sich aktiv dagegen wehren. Die hasserfüllten Kommentatoren und Agitatoren müssen den Widerstand der demokratischen Mehrheit spüren. Sie müssen wissen, dass ihr Handeln nicht akzeptabel ist und Folgen hat. Nur so lassen sich neue Hassreden und die Verrohung der politischen Kultur verhindern.
Sprache prägt das Bewusstsein, formt das Denken und gestaltet Wirklichkeit. Es ist an uns, an jedem und jeder Einzelnen, sich dafür einzusetzen, wie diese Wirklichkeit aussehen wird.
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