Eine Partei, die kritische Presseberichte als « Fake News » bezeichnet, war in Luxemburg bisher nicht üblich. Die Piraten belehren die Öffentlichkeit jetzt eines besseren. Die Vorgehensweise der Partei ist ein Präzedenzfall für den Verfall der politischen Kultur im Land. Ein Kommentar.

« Fake News », « Opgepasst »: Es gibt viele Möglichkeiten, wie eine Partei auf Kritik reagieren kann. Die « Piraten » haben sich am Wochenende für einen besonderen Weg entschieden. Bei REPORTER erschienene Artikel wurden in einem Facebook-Beitrag des Südbezirks der Piratenpartei als « Fake News » bezeichnet. Die Partei sieht sich als Opfer einer Kampagne, weil sie « ze onbequem fir eng politesch Elite hei am Land » sei.

Foto: Screenshot Facebook

Dass Parteien auf Presseberichte reagieren, gehört zum politischen Geschäft. Auch deutliche Medienkritik von Politikern unterschiedlichster Couleur ist ein alltäglicher Vorgang. Dass eine Partei auf einem von ihren offiziellen Accounts in den sozialen Medien einen Bericht als « Fake News » brandmarkt, ist allerdings in dieser Form ein rezentes Phänomen – zumindest in Luxemburg.

Und doch kommt einem die Vorgehensweise allzu bekannt vor. Luxemburgs Piratenpartei bedient sich der gleichen Methoden wie Donald Trump, die AfD und andere Populisten dieser Welt: Kritik in den Medien wird erst gar nicht im Kern kommentiert, sondern als « Fake » abgetan. Im Zweifel sieht man sich als Opfer einer Kampagne der « Mainstream-Medien » und einer « politischen Elite ». Die einzige vermeintliche Wahrheit sollen die Wähler ungefiltert von der Partei selbst erhalten. Was die Populisten aller Länder am meisten scheuen, ist ein offener demokratischer Diskurs.

« Lügenpresse »-Rhetorik soll Kritiker einschüchtern

Der Facebook-Post der Piraten wurde mittlerweile zwar angepasst. Die Kernaussage, wonach man sich als Opfer einer medialen Kampagne darstellt, wurde aber nicht relativiert. Vergleichbare Kampagnen gegen Medienhäuser kannte man bisher nur von der ADR, dem Kooperationspartner der Piraten im Parlament. Spätestens jetzt wächst in Luxemburgs Parteienlandschaft also zusammen, was zusammen gehört.

Kritiker sind frustrierte Neider und Verlierer, unliebsame Berichte werden pauschal als « Fake » abgestempelt. Das Politikverständnis von Marc Goergen könnte aus einem Lehrbuch über Populismus stammen. »

Zudem hat sich Marc Goergen in den sozialen Medien persönlich in sehr ähnlicher Weise geäußert. So zeigt sich denn auch, dass es vor allem der Abgeordnete aus dem Südbezirk ist, der die Piraten via soziale Medien in populistische Gewässer führt – « Lügenpresse »-Rhetorik, « Eliten »-Feindbild und Verschwörungstheorien inklusive. Goergens Partei- und Parlamentskollege Sven Clement geht diesen Weg, der letztlich jegliche Kritiker der Partei einschüchtern soll, offensichtlich mit.

Es gibt jedoch weitere Parallelen zum « Trumpismus ». Mit der internen Kritik an seiner Person konfrontiert, sagte Goergen, dass seine Kritiker ihm entweder unterlegen seien oder ihm seinen politischen Erfolg nicht gönnen würden. Zudem verweist er auf seine demokratische Wahl ins Parlament, die letztlich jegliche Kritik im Keim ersticken soll. Kritiker sind frustrierte Neider und Verlierer, unliebsame Berichte über ihn, die er nicht selbst kontrollieren kann, werden pauschal und ohne den Hauch von sachlichen Gegenargumenten als « Fake » abgestempelt. Das Politikverständnis von Marc Goergen könnte aus einem Lehrbuch über Populismus stammen, wie auch die « woxx » kommentierte.

Ablenkungsmanöver von objektiven Missständen

Was Goergen dabei nicht bedenkt: Seit dem « Fake News »-Post haben sich weitere Parteimitglieder von ihm abgewendet, in dem sie sich in ungewöhnlich klarer Form in den sozialen Medien von den Methoden des Piraten-Südbezirks distanziert haben. Die dünnhäutige Reaktion der Führungsriege der Piraten bestätigt denn auch in ungeahnt eindrucksvoller Form ihre Kritiker.

Alle Ablenkungsmanöver schaffen jedenfalls nicht die substanzielle Kritik an den parteiinternen Missständen und dem vollendeten Wandel der Piraten zur populistischen Partei aus dem Weg. Im Gegenteil, die Reaktionen von Goergen und Clement dienten vielmehr als Subwoofer und Verstärker. Man würde den beiden Piraten im Parlament am liebsten ans Herz legen, den « Streisand-Effekt » zu googeln.

Die gesamte Öffentlichkeit steht in der Verantwortung, dass solche Methoden, die im Ausland vielerorts längst Einzug in die politische Debatte gehalten haben, in Luxemburg nicht salonfähig werden. »

Im konkreten Fall geht es um zwei Berichte von REPORTER. In einem Artikel wird einerseits die Interessenvermischung von Piraten-Kandidat Daniel Frères thematisiert, die die Piraten-Abgeordneten Marc Goergen und Sven Clement selbst als « problematisch » bezeichnen. Andererseits geht es um objektiv nachvollziehbare Unregelmäßigkeiten in den Parteifinanzen der Piraten, die der Rechnungshof in einem jüngsten Bericht als « nicht akzeptabel » kritisierte.

Im zweiten Artikel wird die Kehrseite des politischen Erfolgs der Piraten beleuchtet, die sich durch mehrere unzufriedene Mitarbeiter und Mitglieder äußert, die ihrer Partei wegen des Einflusses von Marc Goergen und Daniel Frères eine « Atmosphäre von Angst und Unterdrückung » sowie einen Ausverkauf ihrer einstigen Ideale vorwerfen. Angesichts der besagten Reaktion bemerkenswert: Einer der Hauptvorwürfe lautet, dass Goergen nicht mit Kritik umgehen könne.

Donald Trump hat es nach Luxemburg geschafft

Die Grenzüberschreitung von Marc Goergen betrifft aber letztlich alle Medien des Landes. Denn beim nächsten kritischen Bericht über eine Partei oder einen Politiker kann sich die politische Methodik der vermeintlichen « Fake News » schnell wiederholen. Nicht nur die Medien, sondern die gesamte Öffentlichkeit steht in der Verantwortung, dass solche Methoden, die im Ausland vielerorts längst Einzug in die politische Debatte gehalten haben, in Luxemburg nicht salonfähig werden.

Dass ein Abgeordneter sich nicht zu schade ist, Presseberichte in Trump-Manier als « Fake News » abzustempeln, bestätigt jedenfalls nicht nur die Kritiker inner- und außerhalb der Piratenpartei. Der Vorgang ist vor allem ein bedenklicher, potenziell gefährlicher Präzedenzfall für den Verfall der politischen Kultur im Land. Bisher konnte man annehmen, dass Luxemburg vor den Auswüchsen des Populismus und der davon ausgehenden Gefahr für die Pressefreiheit gefeit wäre. Spätestens jetzt zeigt sich: Die ätzende, demokratiegefährdende Politik eines Donald Trump hat sich ihren Weg definitiv auch nach Luxemburg gebahnt.


Lesen Sie mehr zum Thema