Luxemburgs größte Klimasünde ist der Spritverkauf – 2019 waren es über 2,5 Milliarden Liter. Die Corona-Krise dient Blau-Rot-Grün als neuestes Argument, nichts gegen den Tanktourismus zu tun. Dabei wäre gerade jetzt die Zeit für couragierten und glaubwürdigen Klimaschutz. Ein Kommentar.

Das Coronavirus hat der grünen Klimaministerin Carole Dieschbourg eine Blamage erspart. Vor dem Lockdown sah es aus, als ob Luxemburg dieses Jahr mehr Treibhausgase ausstoßen würde als 2013 – dem Jahr, in dem die „Klimaqueen“ Ministerin wurde. Sieben Jahre und nichts erreicht – eine Bilanz, die sie aber im Interview mit dem Radio 100,7 weit von sich wies.

Dann kam der Lockdown: Es gab weniger LKW-Transit, Autos blieben in der Garage und die Industrie lief langsamer. Damit wurde weniger Treibstoff verkauft. Und dadurch geringere Emissionen, die das Klimaziel für 2020 entgegen aller Prognosen in Reichweite bringen. Und was macht die Regierung? Sie sagte eine geplante Erhöhung der Spritsteuern ab, denn das Ziel ist erreicht.

Gleichzeitig verpflichtet sich die Regierung in ihrem Klimaplan, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken. Blau-Rot-Grün prokrastiniert, statt an diesem ehrgeizigen Ziel zu arbeiten. Grund dafür ist ein Kompromiss zwischen den Regierungsparteien. Die Koalitionspartner einigten sich darauf, dass die Steuern steigen, falls der Verkauf zu schnell zunimmt.

Es ist eine Balance zwischen Klimapolitik und dem Bestreben, eine Milliarde Euro an Einnahmen nicht zu gefährden. Dazu kommt eine wacklige Einigung, eine CO2-Steuer einzuführen.

Die Gefahr des billigen Öls

Eine entscheidende Variable hat sich jedoch verändert: Die weltweite Corona-Krise ließ die Nachfrage nach Erdöl einbrechen und in dessen Folge auch die Ölpreise. Und das spürten die Luxemburger an der Tankstelle: Anfang Januar kostete ein Liter Diesel 1,2 Euro. Ende April rutschte der Preis auf 0,83 Euro. Aktuell liegt der Preis bei 0,97 Euro. Trotzdem ist Sprit heute billiger als durchschnittlich in den vergangenen zehn Jahren.

Die Phase billigen Öls wird voraussichtlich andauern: Die Nachfrage wird längerfristig niedriger bleiben als vor der Krise, es tobt ein Preiskampf zwischen den OPEC-Staaten und den USA. Das Szenario ähnelt jenem von 1985/86 als nach den Ölkrisen von 1974 und 1979 der Preis deutlich sank. Es war ein Desaster für die Bemühungen der europäischen Staaten vom Öl wegzukommen.

Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energie, die erst kurz zuvor begonnen hatten, endeten abrupt. Die „Agence française pour la maîtrise de l’énergie“ entstand 1982, aber nach dem „contre-choc pétrolier“ wurde ihr Budget drastisch gekürzt. Forschungen an einem 3-Liter-Auto wurden aufgegeben. In den USA entstand Mitte der 1980er Jahre das Marktsegment der bulligen und spritfressenden SUVs.

Diesel mit 250 Millionen Euro pro Jahr gefördert

Die Gefahr des billigen Öls ist der Regierung bewusst. Ohne erhöhte Förderung sei zu befürchten, dass der niedrige Spritpreis den Marktanteil der Dieselautos und Benziner steigen lässt – zum Nachteil der Elektroautos. Das ist die Begründung für höhere Beihilfen für Batterieautos, die im Juni in Kraft traten. Knapp 20 Millionen Euro soll dies zusammen mit der Förderung von Fahrrädern kosten.

Die logischere Folgerung wäre jedoch, die Steuern auf Benzin und Diesel zu erhöhen. Es ist das Prinzip von Umweltsteuern: Das, was man nicht will (Spritverkauf bzw. Autos mit Verbrennungsmotor) besteuert man höher. Mit dem zusätzlichen Geld fördert man das, was man will (Elektroautos).

Luxemburg sowie der Rest Europas machen das exakte Gegenteil: Die EU-Staaten fördern fossile Energie mit jährlich mindestens 137 Milliarden Euro, zeigt eine Recherche des Journalistennetzwerks „Investigate Europe“. Ein Teil dieser „schmutzigen Subventionen“ besteht darin, dass Diesel geringer besteuert wird als Benzin. Umweltpolitisch ist das spätestens seit dem Dieselskandal ein krasser Fehler. Die Differenz zwischen Akzisen auf Benzin und Diesel bedeutet, dass der Luxemburger Staat den Dieselverkauf 2019 mit knapp 250 Millionen Euro förderte.

Eine CO2-Steuer ist unausweichlich

Klar: Geht der Dieselpreis hoch, sinken die Einnahmen aus dem Tanktourismus. Die Berechnung der „schmutzigen“ Subvention ist demnach virtuell. Trotzdem zeigt sie das Missverhältnis zwischen Förderung „sauberer“ Mobilität und Festhalten an der Politik des konkurrenzlos billigen Sprits.

Noch hält der Willen innerhalb der Koalition, eine CO2-Steuer einzuführen. Sie würde Treibstoff deutlich teurer machen. Der Zeitpunkt bleibt aber noch offen. Spätestens ab Januar 2022 soll sie dann greifen, heißt es aus Koalitionskreisen.

Eine solche Steuer hat den Vorteil, dass sie klar macht, was in Zukunft geht und was nicht. Und sie bringt zusätzliche Einnahmen für die stark gebeutelten Staatsfinanzen.

Das falsche soziale Argument

Gleichzeitig müsse man die Krise in Betracht ziehen, lautet ein Gegenargument – das paradoxerweise die Grünen liefern. Es wäre „unsozial“ und „arrogant“ in einer Krise die Spritsteuern zu erhöhen, meinte der neue Co-Präsident von Déi Gréng Meris Sehovic im Radio 100,7.

Für Haushalte mit geringeren Einkommen wäre teurer Sprit eine zusätzliche Belastung. Dieses Problem sollte die Regierung aber getrennt angehen. Immerhin bestehen Pläne, einen Teil der Einnahmen aus der CO2-Steuer sozial gerecht zu verteilen. Dazu kommt, dass die Regierung die Teuerungszulage in der Krise verdoppelt hat.

Oder sie könnte den Kampf gegen Energiearmut endlich ernstnehmen. Bisher ist das ein Desaster: Die Sozialämter verteilten 2019 exakt 4.007 Euro an Beihilfen für effizientere Kühlschränke oder Trockner. Für einen einzigen Elektro-SUV schenkt der Staat dem wohlhabenden Wähler das Doppelte: 8.000 Euro.

Das Ende der Schmarotzer-Politik

Nicht die Erhöhung der Spritsteuer ist „arrogante“ Klimapolitik, die Förderpolitik ist es. Denn sie ist eine Umverteilung von unten nach oben. Wer am Monatsende sehnsüchtig auf das nächste Gehalt wartet, hat kein Geld für ein neues Auto, ein neues Fahrrad oder Solarpanel. Die geförderten Hybrid-Autos sind vor allem Steueroptimierung für Besserverdiener.

Es ist die wohlhabende Mittelklasse – die Wählerschaft von Blau-Rot-Grün – die von dieser Politik profitiert. Finanziert wird dieser warme Geldregen über den Klimafonds, der wiederum aus den Einnahmen des Tanktourismus gespeist wird. Kurz: Mit Dumpingpreisen erreicht Luxemburg, dass LKWs und Autos hier tanken und nicht in Belgien, Frankreich oder Deutschland. Damit entgehen den Nachbarländern Hunderte Millionen an Einnahmen. Als Bonus untergräbt Luxemburg ihre Klimapolitik.

In einer Post-Pandemie-Welt wird diese Schmarotzer-Politik nicht mehr haltbar sein. Dafür ist Luxemburg viel zu abhängig von der Großregion – nicht zuletzt, was das Gesundheitspersonal betrifft.


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