Job und Familie unter einen Hut bringen? Das war in Luxemburg nie so einfach wie heute. Der neue „Congé Parental“ verspricht Eltern mehr Zeit für ihre Kinder, ohne ihre Karriere opfern zu müssen. Doch er hat auch seinen Preis. Und den zahlt nicht nur der Staat. Eine Analyse.

„Was nichts kostet, ist auch nichts wert“, besagt ein bekanntes Sprichwort. Eines, das sich die blau-rot-grüne Regierung offenbar sehr zu Herzen genommen hat. Sie hat massiv in das neue Elternzeit-Gesetz investiert, seit es im Dezember 2016 in Kraft getreten ist. Das Ziel war dabei immer klar definiert: Die Leute sollen Kinder bekommen können, ohne dadurch ihre Karriere zu gefährden. Niemand solle sich zwischen Job oder Familie entscheiden müssen. Und es sollte verhindert werden, dass sich Frauen für die Kinder und gegen den Arbeitsmarkt entscheiden. « Alles ist möglich », so das Motto.

Mehr als zwei Jahre später scheint der Plan aufgegangen zu sein. Es gibt ein flexibleres Elternurlaubs-System – es wird sogar ein besseres Ersatzgehalt versprochen. Während es für die Erziehungs- und Schulpolitik der DP oft Kritik hagelte, hält die Partei ihre Elternzeit-Reform als glänzende Trophäe hoch. Also ein Sieg auf ganzer Linie? Jein. Denn längst nicht alle können davon profitieren.

Die Verlierer des Elternurlaubs

Das Motto der DP: « Geht es dem Land gut, soll es auch den Leuten gut gehen ». Der neue Elternurlaub geht aber auf Kosten derjenigen, denen es im Land mitunter nicht so « gut geht ». Vor der Reform vom Dezember 2016 gab es für jedes Elternteil, das Vollzeit arbeitete und eine Auszeit beantragte, eine Pauschale von 1.778 Euro in Vollzeit und 889 Euro in Teilzeit. Und dies unabhängig des Gehalts.

Diese Pauschale wurde abgeschafft und es kam ein Ersatzeinkommen, das je nach Lohn und Arbeitszeit gestaffelt wird. Das hört sich eigentlich gerecht an. Die Mindestsumme, die ausgezahlt wird, liegt bei einer beruflichen Pause in Vollzeit bei 2.071 Euro, der Maximalbetrag bei 3.451 Euro.

Das Problem dabei: Die Summen werden, anders als die Pauschale, auch versteuert und die Sozialabgaben werden fällig. Demnach profitieren vor allem diejenigen vom neuen System, die gut verdienen und in Vollzeit arbeiten. Für sie gelten in der Regel die 3.451 Euro brutto. Für alle anderen gilt die Staffelung. Wer in Teilzeit arbeitet, erhält für eine volle Auszeit maximal 1.725,92 Euro, bzw. 862,96 für eine Teilzeit-Auszeit. Beide Summen liegen auch ohne Steuern bereits leicht unter der ehemaligen Pauschale.

Bei der « Zukunftskeess » heißt es, dass das Ersatzeinkommen von den geleisteten Arbeitsstunden und dem Gehalt abhängt. Wer nicht viel verdient oder nur ein paar Stunden pro Woche arbeitet, würde dadurch weniger beim neuen « Congé Parental » bekommen als bei der ehemaligen Pauschale.

Absehbare Härtefälle der Reform

Dass vor allem jene Eltern « mehr » bekommen, die Vollzeit arbeiten, kritisierte auch eine Leserin des « Luxemburger Wort » in einem offenen Brief. Eltern, die in Teilzeit arbeiten, könnten sich die Auszeit mit dem neuen Congé parental gar nicht leisten, weil sie finanziell « nicht tragbar sei ».

Damit wird die Luxemburger Sozialpolitik auf den Kopf gestellt. Jemand muss offenbar finanziell den Kürzeren ziehen. Einige Betroffene bekommen sogar weniger als bei der Pauschale von 1.778 Euro. Dieses Problem war sogar absehbar. Denn der Nationale Frauenrat wies in einer Stellungnahme bereits eben darauf hin, bevor das Gesetz Ende 2016 verabschiedet wurde. Es war von einem « Bémol » im Gesetz die Rede, und dass das Minimal-Ersatzeinkommen erhöht werden müsse. Die Politik reagierte nicht.

Letztlich war die Initiative des Elternschaftsurlaubs auch dafür gedacht, Väter besser einbeziehen zu können. Vor allem Männer, die meist in Vollzeit arbeiten, sollten durch das Elterngeld einen Anreiz erhalten, eine Auszeit zu nehmen. Und das hat geklappt – allerdings zum Leidwesen von anderen.

« Dans l’ancienne version du congé, c’était surtout les femmes, gagnant peu, qui prenaient le congé. Mal rémunéré, il intéressait peu les hommes aussi inquiets pour leur carrière. On a voulu rééquilibrer les choses », sagte Ministerin Corinne Cahen dem Magazin « Paperjam ». Gesagt, aber nicht richtig getan. Denn statt das System ins Gleichgewicht zu bringen, ist es nur von einem Extrem in das andere umgeschwungen.

« Ein neues Kapitel schreiben »

Trotzdem feiert die DP ihre eigene Reform. Die Zahlen lassen denn auch vermuten, dass sie damit bei den Menschen durchaus punkten kann. 2016 haben 4.720 Personen den Elternschaftsurlaub beantragt, im Jahr 2017 waren es 8.251. Familienministerin Corinne Cahen gibt für das Jahr 2018 die Zahl von 9.596 Beziehern an. Die Zahl hat sich innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelt.

Das vielleicht Überraschende an diesen Zahlen: Es sind vor allem immer mehr Männer unter den Antragstellern. Im Jahr 2016 waren es lediglich 25 Prozent, 2017 45 Prozent und im vergangenen Jahr 49,2 Prozent. Frauen und Männer nähern sich demnach an – die Gleichberechtigung scheint voranzuschreiten.

« Es ist eine Erfolgsgeschichte, bei der wir jetzt ein neues Kapitel schreiben », sagte Gilles Baum (DP) vor der Abstimmung im Parlament. Auch die Familienministerin rechnete bereits damals mit einem Erfolg. In einem Interview mit dem « Luxemburger Wort » sagte Cahen: « Ich gehe fest davon aus, dass sehr viele Arbeitgeber den flexiblen Modellen zustimmen werden. »

Soweit, so erfolgreich. Doch mit dem « noch nie dagewesenen » Anstieg der Anträge, wie es im Jahresbericht der Inspection générale de la sécurité sociale (IGSS) heißt, steigen auch die Kosten.

« Es läuft sogar zu gut »

Dass Familien mehr Zeit miteinander verbringen wollen, ist gut. Dass mehr Männer sich in die Erziehung der Kinder einbringen, ist noch besser. Doch die neue Flexibilität des « Congé Parental » hat auch ihren Preis. Denn Vater Staat greift für die liberale Erfolgsstory tief in die Tasche. Um satte 97,9 Prozent sind die Kosten für das Elterngeld innerhalb eines Jahres gestiegen – von 84 Millionen Euro im Jahr 2016 auf 166,3 Millionen im Jahr 2017.

Die durch die Reform entstandenen Mehrkosten fallen fast drei Mal so hoch aus wie im Gesetzentwurf von 2016 vorgesehen. Es sei eben nicht abzusehen gewesen, wie viele Eltern sich für den neuen « Congé parental » entscheiden würden, heißt es aus dem Familienministerium. Das Budget werde aber von Jahr zu Jahr an die Entwicklungen angepasst.

Corinne Cahen ist sich bewusst, dass der Erfolg der Elternzeit ins Geld geht. Das scheint aber eher das Problem des Finanzministers zu sein. « In den Augen des Finanzministers läuft es vielleicht sogar zu gut, denn es ist teuer », so die Ministerin im Interview mit « Paperjam ».

Doch Geld spielt bei dieser Regierung ohnehin keine Rolle mehr. Nach der Sparorgie zu Beginn der ersten blau-rot-grünen Amtsperiode, nimmt es seit der Wiederwahl der Dreierkoalition selbst Finanzminister Pierre Gramegna nicht mehr so genau mit den sich häufenden Mehrausgaben. « Méi mat manner » war einmal.

Um die Finanzierung machten sich auch in diesem Fall ohnehin andere ihre Gedanken. Wie beispielsweise die Handelskammer. In einer Stellungnahme vom April 2016 heißt es, man hätte sich eine bessere Finanzanalyse vor Abstimmung des Gesetzes gewünscht. Dieser Wunsch blieb aber offensichtlich unerfüllt.

Zeit zum Nachbessern bleibt

Das neue Elterngeld ermöglicht es Männern, sich mehr Zeit für ihre Kinder zu nehmen und das sei ihnen gegönnt. Ein voller Erfolg wäre es dann, wenn nicht diejenigen zu kurz kämen, die ohnehin schon nicht viel haben.

Darüber ist in den vielen positiven Bilanzen allerdings nicht viel zu lesen gewesen. Lieber wird weiter nach vorne geschaut und weiter geplant. Vom « Congé parental plus » war bei der DP während des Wahlkampfs die Rede. Daraus wurde im Koalitionsprogramm das Konzept des « Temps partiel pour raisons familiales », das noch in dieser Legislaturperiode ausgearbeitet werden soll.

Es sind noch längst nicht alle Kapitel dieser « Success Stoy » geschrieben. Und nachbessern kann man auf Papier ja eigentlich immer. Das sollte man auch, so lange nicht alle als Gewinner aus dieser Geschichte hervorgehen.