Der Vorschlag der EU-Kommission zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Netz stößt seit seiner Vorstellung bei Datenschützern auf wenig Gegenliebe, wie Reporter.lu bereits berichtete. Das gilt auch für die EU-Datenschutzbehörden, die den Gesetzentwurf nun in einer neuen Stellungnahme scharf kritisieren.
36 Seiten umfasst das Dokument des « European Data Protection Supervisor »(EDPS) und des « European Data Protection Board » (EDPB), in dem die Autoren „ernste Bedenken“ äußern, ob die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen, wie die sogenannte Chatkontrolle, verhältnismäßig seien. Denn diese würden tief in Grundrechte wie das Recht auf Privatsphäre und den Schutz persönlicher Daten eingreifen.
In Bezug auf die Chatkontrolle mangelt es den EU-Datenschützern an klaren Bedingungen. Sie sehen viel Raum für potenziellen Missbrauch und warnen vor einer allgemeinen und wahllosen automatisierten Erfassung von Textnachrichten. Die Kriterien dafür seien mehr subjektiv als objektiv und so befürchten sie, dass Eingriffe in private Kommunikationen eher die Regel als die Ausnahme bilden würden. Ein solcher Einsatz der Technologie sei „übertrieben“ und könne den „Kern“ des Grundrechts auf Privatsphäre treffen.
Der Entwurf, den die Kommission Anfang Mai vorstellte, sieht unter anderem vor, dass Anbieter von Kommunikations- und Chatdiensten dazu verpflichtet werden können, auch private Inhalte ihrer Kunden zu scannen. So sollen Darstellungen von sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige aufgespürt werden. Dabei sollen sowohl bekannte Darstellungen als auch bisher unbekannte erkannt werden, was den Einsatz einer tiefgreifenden, automatischen Erkennungssoftware erfordern würde.
Besonders diesbezüglich zeigen sich die EU-Datenschützer besorgt. Sie bezweifeln, dass eine Technologie zwischen harmlosen Urlaubsfotos und der Abbildung strafbarer Handlungen unterscheiden kann, und verweisen auf mögliche hohe Fehlerquoten sowie falsche Verdächtigungen mit weitreichenden Folgen. Infolgedessen gelangen die Datenschützer zu dem Schluss, dass diese Maßnahmen komplett aus dem Vorschlag gestrichen werden sollten.
Sehr kritisch äußern sie sich auch dazu, dass bei der Chatkontrolle die Anbieter auch auf Sprachnachrichten und Telefonate zugreifen könnten. Ein solches Vorgehen sei „besonders invasiv“ und müsse daher ausgeschlossen werden, so die Datenschützer. Zudem fordern sie ein klares Bekenntnis, dass es zu keinem Verbot oder einer Schwächung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Nachrichten kommt.
Unterm Strich begrüßen natürlich auch die EU-Datenschutzbehörden das Vorhaben der Kommission, etwas gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder zu unternehmen. Sie bezweifeln aber, dass das Mehr an Daten, das bei einer Umsetzung des Vorschlags den Ermittlern zur Verfügung stehen würde, überhaupt hilfreich wäre. Und Täter, die strafbare Handlungen begehen, könnten weiterhin gezielt die Chatkontrolle umgehen, so die Datenschützer. (GS)


