Das Bistum verkauft Saint-Paul Luxembourg, den Herausgeber des « Luxemburger Wort », an den belgischen Konzern « Mediahuis ». Pit Hentgen, Präsident des Ex-Aktionärs Lafayette S.A., spricht im Interview über Beweggründe, Initiativen und Käufer-Garantien, die letztlich keine sind.
Interview: Christoph Bumb
Herr Hentgen, der Verkauf von « Saint-Paul Luxembourg » ist ein historischer Moment für Luxemburgs Presselandschaft. Warum trennt sich das Bistum von seinem traditionsreichen Verlagshaus?
Es ist in der Tat ein historischer Schritt. Doch die Zeiten ändern sich. Die Saint-Paul-Gruppe ist in den vergangenen Jahren durch mehrere Krisen gegangen, die gezeigt haben, wie prekär die Situation der Printmedien auch in Luxemburg ist. Die Erosion der Abonnentenzahl und der noch deutlichere Einbruch des Anzeigengeschäfts sind Realitäten, mit denen man sich als Aktionär auseinandersetzen muss. Die Anfälligkeit dieses Geschäftsmodells zeigt sich ja auch in der aktuellen Krise. Schon Anfang der 2000er Jahre hat das Verlagshaus eine neue Strategie eingeleitet, um sich finanziell besser aufzustellen. Die Unternehmensstruktur wurde konsequent umgebaut, die Belegschaft von über 1.100 auf heute etwas mehr als 300 reduziert. Dennoch bleibt das Zeitungsgeschäft in Luxemburg ein sehr labiler Markt. Ein Aktionär muss sicherstellen, dass seine Beteiligung sich auch wirtschaftlich rechnet.
Dem Unternehmen ging es rein finanziell zuletzt wieder besser. Warum gerade jetzt dieser Schritt?
Unsere Szenarien für die nächsten Jahre deuteten darauf hin, dass Saint-Paul nur mit weiterer Rationalisierung dauerhaft schwarze Zahlen schreiben kann. Der Aktionär, also das Bistum, war schlicht nicht mehr in der Lage, regelmäßig weiteres Geld in dieses Unternehmen zu investieren. Das Geld wird gebraucht, um die finanziellen Folgen der Trennung von Kirche und Staat zu stemmen. Konkret: Um die Gehälter der neuen Priester zu bezahlen, die nicht mehr vom Staat übernommen werden. Diese neue Situation hat die Überlegungen letztlich beschleunigt, einen neuen Partner für Saint-Paul Luxembourg zu suchen.
Der entscheidende Impuls, um die Strategie zum Verkauf voranzutreiben, war sicherlich die Trennung von Kirche und Staat. »
Warum fiel die Wahl gerade auf « Mediahuis »?
Die Leitlinie, die das Bistum vor einigen Jahren herausgab, lautete: Die Beteiligung an Saint-Paul ist in der bisherigen Form strategisch nicht mehr sinnvoll. Gleichzeitig wollte das Bistum einen gewissen Zugang zu einer publizistischen Plattform wie dem « Luxemburger Wort » behalten. Wie sich schnell herausgestellt hat, sind die meisten finanzstarken Akteure in diesem Geschäft aber nicht an Partnerschaften, also nicht an Minderheitsbeteiligungen interessiert. Sie wollen die komplette Kontrolle erhalten. Mit « Mediahuis » haben wir letztlich einen Partner gefunden, der eine ähnliche Geschichte hat wie Saint-Paul und auch historisch im traditionell katholischen Milieu verankert ist. Damit ist durchaus gesichert, dass das « Wort » jetzt keine radikal andere Zeitung wird.
Bei der Bekanntgabe des Deals hieß es, dass die Publikationen von Saint-Paul weiter religiöse Themen behandeln und die Kommunikation der Kirche wiedergeben sollen. Zudem sollen Direktion und Chefredaktion nicht ausgetauscht werden. Für welchen Zeitraum gelten diese Zusagen?
Alle beteiligten Parteien sind sich einig, dass die « Ligne éditoriale » beibehalten werden soll. Auch die Struktur der Redaktion soll beibehalten werden. Das wurde uns zugesagt. Zeitlich gibt es da natürlich keine Grenzen und damit auch keine Garantie für immer. Die Dinge können sich schnell ändern. Das liegt letztlich im Ermessen des neuen Aktionärs. Dass es jetzt aber zu radikalen Änderungen in diesen Bereichen kommt, kann ich mir schwer vorstellen. Ich erwarte eher Kontinuität.
Neuer Aktionär von « Saint-Paul Luxembourg »
Am Montag gab das Luxemburger Verlagshaus « Saint-Paul Luxembourg », das unter anderem das « Luxemburger Wort » herausgibt, eine kleine Revolution bekannt: Die belgische Mediengruppe « Mediahuis » hat alle Anteile an Saint-Paul übernommen. Zum Portfolio des neuen Aktionärs mit Sitz im belgischen Antwerpen gehören unter anderem die flämischen Zeitungen « Het Nieuwsblad » und « De Standaard », die niederländischen « NRC Handelsblad » und « De Telegraaf » sowie seit 2019 auch die irische Tageszeitung « Irish Independent ». Seit der Gründung des « Luxemburger Wort » im Jahre 1848 gehörte Saint-Paul Luxembourg dem Erzbistum Luxemburg bzw. dem Vermögensverwalter des Bistums, Lafayette S.A.
Erwarten Sie sich weitere Restrukturierungen bei Saint-Paul? Solche Transaktionen gehen ja oft genug mit Entlassungen einher …
Das erwarte ich ehrlich gesagt nicht. Man muss bedenken, welche Anstrengungen Saint-Paul in den vergangenen Jahren bereits hinter sich hat. Diese Transaktion war nur deshalb möglich, weil Saint-Paul sich in den letzten 20 Jahren neu aufgestellt hat. Das Unternehmen ist heute finanziell gesund. Nur deshalb waren wir auch jetzt in der Lage, einen schlankeren Betrieb zu übergeben. Welche Personalwechsel der neue Aktionär mittelfristig plant? Darüber bin ich natürlich nicht eingeweiht. Wie der Aktionär die Entwicklung des Betriebs in der weiteren Zukunft sieht, ist natürlich ihm überlassen.
Ein international operierender Konzern hat natürlich ganz andere Möglichkeiten, um ein Luxemburger Medienhaus umzustrukturieren. »
Sie haben die wirtschaftlich schwierige Situation von Saint-Paul, aber auch des ganzen Mediensektors angesprochen. Worin lag die Attraktivität des Unternehmens für den neuen Aktionär?
Ein international operierender Konzern wie « Mediahuis » hat natürlich ganz andere Möglichkeiten, um ein Luxemburger Medienhaus umzustrukturieren. Sie können dabei auf ihre langjährige Erfahrung im digitalen Wandel aufbauen und auch gewisse Synergien mit ihren bestehenden Marken nutzen. Dadurch hat der neue Aktionär natürlich ganz andere Möglichkeiten, Kosten zu reduzieren oder abzuschreiben, wie das eine rein auf den luxemburgischen Markt beschränkte Gruppe könnte. « Mediahuis » verfolgt generell eine Wachstumsstrategie. Da ist es natürlich interessant, wenn die führende Tageszeitung eines Landes verfügbar wird.
Beide Partner haben sich verpflichtet, keine Details über die Verkaufssumme preiszugeben. Sind Sie aber zumindest zufrieden über den Erlös?
Keiner der Partner ist bei einer solchen Transaktion wohl immer vollauf zufrieden. Das liegt in der Natur von solchen zähen Verhandlungen. Die Schätzung des Wertes von Saint-Paul war kein leichtes Unterfangen, weil der Betrieb seit 1848 nie den Besitzer gewechselt hat. Zudem gehören dem Verlag selber keine Immobilien mehr, was bei anderen Verkäufen sonst eine wichtige Rolle bei der Wertschätzung spielt. Zu den finanziellen Details kann ich mich in der Tat nicht äußern. Das ist eine Vereinbarung, an die sich beide Partner halten. Ich kann aber sagen, dass wir durch diese Transaktion Liquiditäten erhalten, die wir an anderer Stelle gut gebrauchen können.

Lafayette S.A. verkauft Saint-Paul, wird aber selbst Teilhaber bei « Mediahuis ». Welche wirtschaftliche Strategie steckt dahinter?
Es gehört zu der Kontinuität, die ich bereits angesprochen habe. Das gilt für die Direktion und den Verwaltungsrat von Saint-Paul. Der Einstieg in das Kapital von « Mediahuis » ist für uns die Möglichkeit, weiter zur Familie zur gehören, wenn man so will. Also zum Projekt, für das das Bistum über 170 Jahre lang verantwortlich war und das uns natürlich weiter am Herzen liegt. Unsere Beteiligung an « Mediahuis » ist bei weitem nicht so hoch wie der Wert, den wir durch den Verkauf von Saint-Paul Luxembourg erhalten haben. Deshalb handelt es sich hierbei auch weniger um eine wirtschaftlich bedingte Entscheidung.
Wie lange dauerten die Verhandlungen mit « Mediahuis »? Wer war bei diesen Gesprächen federführend?
Die Verhandlungen gingen Ende des letzten Jahres in die entscheidende Phase und wurden nach Weihnachten richtig konkret. An dem damals vereinbarten Verkaufspreis wurde übrigens trotz der aktuellen Krise festgehalten. Sowohl der Verwaltungsrat von Saint-Paul Luxembourg als auch der Aktionär, also Lafayette S.A. und das Bistum, waren in die Gespräche involviert. Der erste Kontakt zu den Besitzern von « Mediahuis » ging von François Pauly, dem Verwaltungsratspräsidenten von Saint-Paul, aus.
Die Initiative zum Verkauf ging also von Ihnen aus?
Ja, das hat sich in den Gesprächen zwischen Aktionär und Verwaltungsrat schnell so herauskristallisiert. Schon vorher, etwa in der Zeit des ehemaligen Saint-Paul-Präsidenten Erny Gillen, gab es vergleichbare Überlegungen und mögliche Kandidaten. Der entscheidende Impuls, um die Strategie zum Verkauf voranzutreiben, war aber sicherlich die Trennung von Kirche und Staat. Dadurch sind neue Ausgaben auf die Kirche zugekommen, die sich finanziell auf fast alle Aktivitäten des Bistums auswirken werden.
Die sogenannte ‘C-Familie’, also das christlich-soziale Milieu in Luxemburg, ist bei weitem nicht mehr so eng verflochten, wie das noch vor 20 oder 30 Jahren war. »
Das Unternehmen Saint-Paul Luxembourg wird voraussichtlich nächstes Jahr von Gasperich in ein neues Gebäude in Howald umziehen. Die Druckerei wird zunächst am alten Sitz bleiben, die Produktion jedoch bald auslaufen. Inwiefern spielte diese Perspektive eine Rolle in den Verhandlungen?
Wir sind in der Tat in Gesprächen mit der Stadt Luxemburg und den Besitzern in der Nachbarschaft, wie wir das Grundstück des aktuellen Sitzes von Saint-Paul langfristig neu gestalten können. Für konkrete Pläne ist es aber noch zu früh. Kurzfristig könnten die Räumlichkeiten in Gasperich vermietet werden. Und auch die Druckerei wird wohl noch eine Zeit weiter funktionieren. Doch längerfristig wird Saint-Paul mit dem neuen Aktionär hier wohl eine neue Lösung finden müssen. Was den neuen Sitz betrifft: Das neue Grundstück gehört Lafayette gemeinsam mit der Baufirma Soludec. Saint-Paul wird das Gebäude mieten. Diese Verträge wurden schon vor geraumer Zeit unterschrieben. An dieser Konstellation ändert der Aktionärswechsel nichts.
Historisch ist der Verkauf vor allem, weil damit die traditionelle Verbindung zwischen dem Wort und dem Bistum, und damit womöglich auch die Bindung an das christlich-konservative Milieu verschwindet. Gibt das Bistum diese Verbindung leichten Herzens auf?
Die sogenannte « C-Familie », also das christlich-soziale Milieu in Luxemburg, ist bei weitem nicht mehr so eng verflochten, wie das noch vor 20 oder 30 Jahren war. Zwischen Wort, CSV, LCGB und anderen Akteuren herrscht schon länger eine gewisse Distanz. Das war eine ganz natürliche Entwicklung, die ja auch beim Wort von Ex-Chefredakteur Jean-Lou Siweck weiter vorangetrieben wurde. Auch danach gab es keine wirkliche Wiederannäherung der « C-Familie » mehr. Das « Wort » ist politisch schon länger etwas neutraler geworden. Und auch die Beziehung zwischen « Wort » und katholischer Kirche war schon länger von einer steigenden Unabhängigkeit geprägt. Jetzt kann man in den Verkauf von Saint-Paul vieles hinein interpretieren. Aber für uns war es ganz klar eine rein ökonomische Überlegung.