Paulette Lenert will Luxemburgs erste Premierministerin werden. Im Interview mit Reporter.lu spricht sie über ihre linksliberale Überzeugung, die Kehrseiten des politischen Geschäfts und warum sie der Meinung ist, dass man über den Index „diskutieren“ können sollte.

Interview: Christoph Bumb

Frau Lenert, der LSAP-Wahlkongress stand unter dem Motto „Well et net egal ass, ween hei am Land um Rudder ass“. Warum ist das nicht egal?

Weil wir als Sozialisten ein Garant für die soziale Gerechtigkeit im Land sind. Eine Regierung ist immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft. Da hat eine Partei, die sich konsequent für das Soziale einsetzt, natürlich Gewicht und eine wichtige Rolle zu spielen. Deshalb ist es nicht egal, wer dieses Land regiert. Wenn die LSAP nicht mehr in der Regierung wäre, könnte sich die Politik schnell in eine andere Richtung entwickeln.

Man könnte den Satz aber auch so verstehen, dass es nicht egal ist, wer in der Regierung als stärkste Partei den Ton angibt. Was würden Sie als Premierministerin anders machen als der aktuelle Amtsinhaber Xavier Bettel?

Ich habe wahrscheinlich einen anderen Arbeitsstil als Xavier Bettel. Mein Fokus wäre ganz klar auf innenpolitischen Problemen. Zum Beispiel würde ich mich als Premier stärker zur Lösung der Wohnungskrise engagieren und einmischen. Das gilt auch für andere Fragen, bei denen mehrere Ressorts involviert sind. Ich verstehe den Führungsanspruch in einer Regierung auch so, dass man in solchen wichtigen, interministeriellen Dossiers stärker die Richtung vorgibt. Natürlich muss das in Kooperation mit den Ressortministern geschehen. Ich bin mir auch bewusst, dass man als Premier viel auf internationalem Parkett unterwegs ist. Mein Ziel ist jedoch ganz klar, dass wir bei den wichtigen innenpolitischen Fragen schneller und besser vorankommen.

Luxemburg hatte bekanntlich noch nie eine Frau als Premier. Warum wäre es wichtig, dass sich das ändert?

Es wäre schön, wenn sich das ändert, weil es schon eine starke Symbolwirkung hätte. Wir haben in Luxemburg immer noch nicht genügend Frauen in der Politik, oder auch sonst in Verantwortungspositionen. Es wäre wichtig, zu zeigen, dass das möglich ist. Ich bin aber auch der Meinung, dass es letztlich um Kompetenzen und politische Programme gehen muss. Und trotzdem wäre es zu begrüßen, wenn wir den immer noch zu kleinen Kreis von Ländern, in denen eine Frau an der Spitze ist, etwas größer machen könnten.

Von mir aus kann der Index so bleiben, wie er ist. Dann müssen wir aber eine große Steuerreform hinbekommen. »

Ihre Partei, die LSAP, regiert mittlerweile seit fast 20 Jahren ununterbrochen, seit zehn Jahren gemeinsam mit der DP und Déi Gréng. Gibt es für Sie so etwas wie ein blau-rot-grünes Projekt?

Ja. Wir haben es in den vergangenen Jahren geschafft, große Krisen zu meistern. Die drei Parteien kriegen es immer wieder hin, gute Kompromisse zu finden. Das ist an sich schon eine große Stärke. Wir teilen auch alle gewisse Grundwerte. Keiner der drei Parteien ist der Klimaschutz egal, allen drei Parteien ist etwas am sozialen Zusammenhalt gelegen. Natürlich gibt es auch Bereiche, in denen gerade im Wahlkampf die Unterschiede sichtbarer werden. Ich denke da vor allem an die Steuerpolitik oder auch an die Frage von Privatisierungen im Gesundheitssystem …