Die blau-rot-grüne Koalition versagt bei ihrem zentralen Versprechen, den Staat transparenter zu machen. Das Gesetz zum Informationszugang ist Ausdruck eines tiefen Misstrauens der Politik gegenüber den Bürgern. Ein Kommentar.

Sie waren angetreten, um die Fenster groß zu öffnen und den Staat „durchzulüften“. Die politische Methode von Blau-Rot-Grün setze auf Offenheit, auf einen guten Zugang zu Informationen, auf Argumente und Diskussion, erklärte der frisch gebackene Premier Xavier Bettel in seiner Regierungserklärung am 10. Dezember 2013.

Angesichts dieses Versprechens ist das „Gesetz zur transparenten und offenen Verwaltung“ ein Stinkefinger der Koalition gegenüber den Bürgern. Der Staat gibt sich alle Möglichkeiten, Informationen zu verschweigen. Und statt zu diskutieren, ignorierten Premierminister Bettel und das Parlament jede berechtigte Kritik am Text, der in der vergangenen Woche verabschiedet wurde.

Dabei war das blau-rot-grüne Regierungsprogramm eigentlich klar: Der Bürger solle ein „Recht auf erweiterten Zugang zu Informationen und Verwaltungsdokumenten“ erhalten. So stand es gleich auf Seite 6 des 200 Seiten umfassenden Programms. Die Koalition zog einen Entwurf von Jean-Claude Juncker zurück und hinterlegte 2015 einen neuen Text.

Ein perfides Detail

Doch das neue Gesetz ist in einem entscheidenden Punkt identisch mit dem viel kritisierten Entwurf von Juncker. Der Text offenbart sich gleich im Artikel 1, Absatz 1 als Mogelpackung: Es geht um ein „Zugangsrecht zu Dokumenten“, die in der Hand von staatlichen Verwaltungen sind. Merke: Es geht um Dokumente und nicht um Informationen.

„Perfide“ sei diese Einschränkung, sagte der Anwalt und Presserechtler Pol Urbany anlässlich einer Konferenz der Zeitschrift „Forum“ 2013. Konkret bedeutet das, dass ein Bürger nur Informationen auf diesem Weg bekommt, wenn er weiß, dass es ein Dokument dazu gibt. Auf diesen grundsätzlichen Unterschied weist auch das Gutachten des Mouvement écologique hin.

Ein Beispiel aus der Praxis: REPORTER fragte bei der CSSF an, wie viele Whistleblower sich an die Finanzaufsichtsbehörde gewandt haben. Diese Information war aber bei der CSSF nicht in einem Dokument zusammengefasst. Ein Mitarbeiter musste die Zahlen erst zusammensuchen. Anschließend teilte die Behörde uns mit, dass es 94 Whistleblower innerhalb von drei Jahren waren. Alles gut demnach. Doch wäre die CSSF weniger kooperativ gewesen, dann hätte das sogenannte „Transparenzgesetz“ nichts gebracht.

Kurz: Alles was irgendwie interessant ist, bleibt in der Schublade. »

Die Einschränkung auf Dokumente sei ein Mittel, um den Informationszugang überhaupt in den Luxemburger Verwaltungen realistischerweise umzusetzen, meinte Alex Bodry beim genannten „Forum“-Rundtischgespräch. Er wisse aus seiner Erfahrung als Bürgermeister, dass Gemeindeverwaltungen nicht einmal ein Eingangsverzeichnis von Briefen führen. Damit versenkte Bodry allerdings sein eigenes Argument. Wenn die Verwaltung keinen Überblick hat, wie soll dann der Journalist seine Anfrage so „ausreichend präzise“ formulieren? Die Anfrage müsse „Elemente enthalten, die erlauben ein Dokument zu identifizieren“, schreibt das Gesetz vor.

15 Gründe für ein Nein

Ein anderes Beispiel: Das Umweltministerium nahm Anfang Juni den nationalen Abfallplan an. Ein wichtiger Teil des Programms handelt vom Umgang mit Bauschutt, weshalb die Verwaltung eine entsprechende Studie verfasste. Doch das Ministerium rückt das Dokument mit 15 potentiellen Standorten für neue Deponien nicht heraus. Nicht gegenüber REPORTER und selbst nicht nach Anfrage des DP-Abgeordneten Max Hahn. Die Studie werde erst zusammen mit der großherzoglichen Verordnung veröffentlicht, heißt es.

Das Dokument ist klar identifiziert und trotzdem gibt es ein Nein. Das wird sich auch mit dem neuen Gesetz in vielen Fällen nicht ändern. Es enthält 15 Gründe, die es erlauben ein Ersuchen abzuschmettern. Mehrere Gutachten zum Text bemängelten, dass diese so vage formuliert sind, dass die Verwaltung Anfragen von Bürgern immer ablehnen kann, wenn sie es darauf anlegt. So bleiben etwa alle Dokumente unter Verschluss, die internationale Beziehungen, Regulierungsaufgaben oder etwa kommerzielle Interessen berühren. Und alle Dokumente, deren Bekanntgabe die Finanz-, Steuer-, oder Wirtschaftspolitik beeinträchtigen könnte. Kurz: Alles was irgendwie interessant ist, bleibt in der Schublade.

Wir müssen die begrenzten Möglichkeiten bis zum Anschlag ausreizen. Jeder Information nachjagen, die verweigert wird. Jeden Minister und jede Verwaltung bloßstellen, die auf Verschleierung setzten. »

Dieses Gesetz sollte ursprünglich das Vertrauen wieder herstellen, das die CSV-LSAP-Regierung mit den Affären Cargolux, Wickreng-Léiweng und SREL beschädigte. Diesen Anspruch erfüllt es nicht, denn selbst bei weniger großen Skandalen, werden die Ministerien jeden Grund nutzen, die Herausgabe von Dokumenten zu verweigern.

Dazu kommt eine ganz besondere Form von Amateurismus: Parlament und Regierung haben es versäumt, bestehende Texte zum Informationszugang in das neue Gesetz zu integrieren. Seit 2005 besteht etwa ein Zugang zu Umweltinformationen aufgrund einer EU-Richtlinie. Vor kurzem wurde das Archivgesetz verabschiedet, das ebenfalls die Zugänglichkeit von staatlichen Dokumenten behandelt. Wieder andere Bedingungen zur Herausgabe stehen im Gesetz über die Wiederverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors. Wie all diese Regeln zusammenspielen, weiß derzeit wohl niemand. Die Politik kümmert das wenig.

Unter Kontrolle des Staatsministers

Von einer gewissen Arroganz der Exekutive zeugt auch die Anbindung und Besetzung jener Kommission, an die sich ein Antragsteller wenden kann, wenn eine Verwaltung ein Dokument nicht herausgibt. Dieses Gremium ist nicht unabhängig, sondern dem Regierungschef unterstellt. Unter den Mitgliedern sind ein Beamter des Staatsministeriums, ein Vertreter des staatlichen Informationsdienstes SIP (der ebenfalls dem Premierminister untersteht) sowie ein Vertreter der Datenschutzkommission und ein Mitglied des Kommunalverbandes Syvicol. Präsident der Kommission muss ein Richter sein, der damit alleine die Unabhängigkeit garantieren soll.

Hätten Parlament und Regierung es ernst gemeint mit der Unabhängigkeit, hätten sie es anders gemacht. In Deutschland etwa untersteht die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit keinem Ministerium. In Luxemburg wäre etwa die inzwischen ebenfalls vom Staatsministerium abgetrennte Datenschutzkommission eine sinnvolle Alternative gewesen. Eine weitere Variante hätte es sein können, die Kommmission bei der Ombdudsfrau anzusiedeln.

Wie wahrscheinlich ist es, dass eine solchermaßen besetzte Kommission der Herausgabe von Dokumenten zustimmt, die Missstände in Ministerien oder Gemeinden offenlegen? Dem Journalisten bleibt zwar die Möglichkeit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht. Bis zu diesem Punkt sind jedoch bereits über vier Monate an Fristen verstrichen.

Der Präsident des Verwaltungsgerichtes warnte in einem Gutachten, dass diese Prozedur das Gesetz quasi unbrauchbar mache. Zusätzlich zu den Fristen, die das Gesetz für die Anfrage von Dokumenten vorsieht, brauche es in der Regel mindestens ein Jahr, bis das Verwaltungsgericht ein Urteil in erster Instanz fällt. Das ist eine ganz neue Definition von Aussitzen.

Die stumpfe Waffe nutzen

Was bleibt? Trotz ihrer Kritik am spät-junckerschen Gesetzesvorschlag von 2013 ist die Dreierkoalition nur einen minimalen Schritt vorangekommen. Das heißt aber auch, dass von der nächsten Regierung – egalwelcher Couleur – ebenfalls kein Fortschritt zu erwarten ist. In der Parlamentsdebatte meinten der LSAP-Fraktionschef Alex Bodry (LSAP) und die Abgeordnete Sam Tanson (Déi Gréng), es müsse eben bei Bedarf nachgebessert werden. Zu hoffen bleibt, dass das nicht weitere 20 Jahre braucht.

Es bleibt uns Bürgern also nichts anderes übrig, als die stumpfe Waffe zu nutzen. Man muss die begrenzten Möglichkeiten bis zum Anschlag ausreizen. Jeder Information nachjagen, die verweigert wird. Jeden Minister und jede Verwaltung bloßstellen, die auf Verschleierung setzten. Zudem sollten die erlangten Antworten dokumentiert werden, wie es etwa die deutsche Plattform „Frag den Staat“ tut.

Vielleicht dämmert es dann der Regierung, dem Parlament und den Beamten irgendwann, dass die kleinen Geheimnisse des Luxemburger Staates es nicht wert sind, sich mit dem Souverän anzulegen.