Die Wohnungskrise der Stadt Luxemburg wird auch für die Nachbargemeinden zum Problem. Eine Wohnung in Bartringen ist im Schnitt bereits teurer als in der Hauptstadt. Der ungezügelten Preissteigerung können die betroffenen Gemeinden allerdings nur wenig entgegenhalten.

Die Zahlen sprechen für sich: 13.211,34 Euro kostet ein Quadratmeter in Bartringen. Etwa 1.400 Euro mehr als noch vor eineinhalb Jahren – und 300 Euro mehr als der Durchschnittspreis in der Stadt Luxemburg. Es ist landesweit ein Höchstwert. Dies ist das Ergebnis einer systematischen Analyse von Immobilienanzeigen des Portals « athome.lu ». Die Daten zeigen, dass Bartringen und die Stadt Luxemburg zwar in einer eigenen Preisklasse spielen, doch dass auch andere Gemeinden um die Hauptstadt diesen Werten rasant näher kommen.

Die Kommunalpolitiker kriegen die Situation allerdings kaum noch in den Griff. In der Verantwortung stehen sowohl die Hauptstadt als auch der Staat. Dabei könnten die Folgen der Untätigkeit in der Wohnungspolitik für die Bevölkerung einschneidend sein.

Die Nähe zur Stadt entscheidet

Nicht weiter überraschend beeinflusst vor allem die Nähe zum Stadtzentrum die Höhe der angezeigten Verkaufspreise. Rund um die Stadt liegen die Preise pro Quadratmeter mehrheitlich zwischen 9.000 und 10.000 Euro. Lediglich die drei Westgemeinden Kopstal, Strassen und Bartringen verzeichnen Preise von mehr als 10.000 Euro pro Quadratmeter. Zusammen mit der Hauptstadt sind es die vier Kommunen des Landes mit den teuersten Wohnungen.

Währenddessen fällt nur eine Gemeinde mit vergleichbar günstigen Preisen auf. In Roeser kostet ein Quadratmeter knapp unter 8.000 Euro. Jedoch grenzt nur ein geringer Teil der Gemeinde an die Hauptstadt, zwischen dem Zentrum von Roeser und der Kockelscheuer liegen mehrere Kilometer Landstraße.


Neben der Distanz gibt es weitere Gründe, die die Preisentwicklung beeinflussen. „Die Anbindungen an den öffentlichen Transport, ausreichend Kinderbetreuungsplätze oder gute Schulen können die Attraktivität einzelner Kommunen auch erklären. Investitionen, die eine Gemeinde tätigt, beeinflussen auch die Preisentwicklung der Wohnungen“, erläutert Tom Becker im Gespräch mit Reporter.lu. Der Geograf der Universität Luxemburg forscht zur Raumplanung und Urbanistik in Luxemburg und Europa. Er macht jedoch auch andere Faktoren für die rasant steigenden Preise verantwortlich.

Wohnungskrise verlagert sich

Den Grund für die hohen Preise sieht der Forscher nicht bei den betroffenen Gemeinden selbst, sondern bei der Hauptstadt. „Würde in der Stadt mehr Wohnraum entstehen, würden die Preise in den Nachbargemeinden auch nicht mehr steigen“, so Tom Becker. Jedoch übersteigt die Nachfrage das Angebot weiterhin nicht nur in der Stadt, sondern landesweit. Somit verschärft sich die Preissteigerung fast ausnahmslos überall.

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Bereits im November 2019 führte Reporter.lu eine systematische Analyse der Anzeigen des Immobilienportals "athome.lu" durch. 18 Monate später wurden die Daten erneut erhoben. Die Methode blieb unverändert, sodass ein Vergleich sich anbietet. Da sich die Preise der Wohnungen auf die Anzeigen beziehen, bestehen auch deutliche Unterschiede zu den offiziellen Zahlen des „Observatoire de l’habitat“, die auf den notariellen Urkunden beruhen. Dennoch ist die Entwicklung vielerorts vergleichbar.

„Die Preise in der Hauptstadt ermöglichen es fast nur noch Investoren, sich am Markt zu beteiligen. Ich nehme an, dass der Anteil der Menschen, die im Eigenheim leben, deshalb stetig abnehmen wird“, sagt Antoine Paccoud des „Observatoire de l’habitat“ im Gespräch mit Reporter.lu. Auch für die an die Hauptstadt grenzenden Gemeinden sind zunehmend große Bauträger überhaupt noch in der Lage, den geforderten Kaufpreis zu zahlen.


In nur eineinhalb Jahren sind die Quadratmeterpreise für eine Wohnung zwischen sieben und 20 Prozent gestiegen. Vor allem in den Kommunen Niederanven, Strassen und Bartringen winkt für viele Investoren eine hohe Rendite. Für Wohnungssuchende ist die Preisentwicklung allerdings verheerend. Sie trifft die Mittelschicht, die auch im Speckgürtel der Hauptstadt nur noch schwierig eine Wohnung zu erschwinglichen Preisen findet.

Einzige Ausnahme ist Walferdingen. In der nördlichen Gemeinde sind die Preise über den Zeitraum konstant geblieben. In Hesperingen war die Wertsteigerung indes langsamer als in der Hauptstadt, auch das bleibt eine Ausnahme.

Die Auswirkung der Pandemie

„Die niedrigen oder gar negativen Zinsen haben einen weiteren Anreiz für Investitionen im Wohnungsmarkt geschaffen“, sagt Marc Lies (CSV) im Gespräch mit Reporter.lu. „Weltweit ist Luxemburg auf dem dritten Platz, was die Wertsteigerung von Immobilien angeht“, so der Bürgermeister von Hesperingen. Somit würde das Interesse bei Investoren auch für Immobilien als Spekulationsobjekt steigen.

Ein erstes Indiz dafür gibt es bereits. Laut dem letzten Bericht der Beratungsfirma „Capgemini“ über das Vermögen der Oberschicht besteht das Portfolio von Millionären in Luxemburg zu 22 Prozent aus Immobilien. Weltweit beträgt dieser Anteil allerdings nur 15 Prozent. „Wir sehen eine klare Steigerung der Zahl von Millionären und das ist ganz sicher auf den Immobilienmarkt zurückzuführen“, sagt Robert van der Eijk von „Capgemini“ gegenüber „RTL“.

In der Gemeinde Bartringen liegen die Quadratmeterpreise im Schnitt über jenen in der Hauptstadt. Zudem sind die Preise seit 2019 deutlich angestiegen. (Foto: Eric Engel)

Für Marc Lies ist die Entwicklung der letzten beiden Jahre besonders beunruhigend. „Die Grundstücke, die heute verkauft werden, würden sich für einen Quadratmeterpreis von 10.000 Euro bereits nicht mehr lohnen. Bauherren rechnen damit, die Immobilie später für einen Preis zwischen 12.000 und 13.000 Euro zu verkaufen“, sagt der Bürgermeister von Hesperingen.

Seit der Pandemie hat die Lage sich zusätzlich verschärft, denn die Prioritäten der Käufer haben sich verändert. „Die Covid-Krise hat die Daten etwas verfälscht, weil Menschen zunehmend nach Häusern mit einem eigenen Garten in der Umgebung der Stadt suchen“, sagt Tom Becker. Um den Preissteigerungen entgegenzuwirken, plädiert er für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden.

Eine geteilte Verantwortung

In anderen Bereichen existiert dies bereits. Das Gremium „Développement Intercommunal Coordonné et Intégratif“ (DICI) erlaubte es den Gemeinden Strassen, Bartringen, Leudelingen und Hesperingen während 13 Jahren gemeinsam mit der Hauptstadt Raumplanung zu gestalten. Doch 2018 beendete das DICI seine Arbeit. „Dieser Zusammenarbeit waren in der Theorie eigentlich keine Grenzen gesetzt“, so der Forscher.

Bauherren würden die jetzige Lage von unterschiedlichen steuerlichen oder baulichen Vorteilen ausnutzen, um dort zu bauen, wo die größte Rendite winkt. „Die Bestimmungen sind nicht überall gleich. Die Grundsteuer auf brachliegendem Bauland ist etwa höher in Hesperingen als in der Hauptstadt“, so Tom Becker. Währenddessen schaffen die Nachbargemeinden im Vergleich zur Stadt kaum Sozialwohnungen, was ihre Attraktivität noch weiter steigert.

In der Gemeinde Hesperingen entsteht auf elf Hektar ein neues Wohnviertel inklusive Schule. Das Projekt erforderte jahrelange Verhandlungen mit den Besitzern der Grundstücke. (Foto: Eric Engel)

„Nur durch eine Harmonisierung und gemeinsame Stadtplanung können die Gemeinden den Druck aus dem Markt nehmen“, sagt der Forscher. Der Spielraum zum Handeln ist für die Lokalpolitik dabei nicht unerheblich. Gemeinden können etwa den allgemeinen Bebauungsplan auf Flächen ausweiten, die sie bereits besitzen, über den „Remembrement urbain“ Großprojekte mit mehreren Besitzern durchführen, ohne sie zu zwingen, die Grundstücke gleich zu bebauen, oder das Vorkaufsrecht nutzen. „Die Instrumente bestehen bereits, sie werden nur nicht genutzt“, sagt Tom Becker.

Werden die Preise von Grundstücken nicht gedeckelt, ändert sich auch mit dem Pacte Logement 2.0 nichts."Marc Lies, CSV

In Hesperingen führte die Gemeinde etwa über Jahre Verhandlungen mit 40 Grundbesitzern für insgesamt elf Hektar. „Über den 'Remembrement urbain' konnten wir eine Einigung mit allen Besitzern erzielen. Jeder willigte ein, zehn Prozent der Flächen an die Gemeinde abzugeben, so konnten wir gleich eine Schule und 160 Wohnungen zu erschwinglichen Preisen bauen“, sagt Marc Lies. Jedoch besitzen nur die wenigsten Kommunen ausreichend Beamte, um solche Großprojekte umzusetzen.

Ein staatliches Versagen

Vor allem kleineren Gemeinden fehlt es an den nötigen Mitteln. Von der staatlichen Seite gibt es nicht ausreichend Unterstützung. "Die Rolle des Wohnungsbauberaters, den der "Pacte Logement 2.0" vorsieht, ist sehr eingeschränkt. Seine Kompetenzen sollten auch auf die Erschließung von Grundstücken und die Verwaltung von Wohnungen ausgeweitet werden", so Marc Lies. Das neue Maßnahmenpaket reicht dem Oppositionspolitiker nicht aus.

"Die zehn Prozent, die Bauherren zukünftig mehr bauen können, wenn sie dafür erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung stellen, werden bereits beim Kauf von Bauflächen berücksichtigt. Die Bereitschaft, höhere Preise zu zahlen, ist deshalb gestiegen. Werden die Preise von Grundstücken nicht gedeckelt, ändert sich auch mit dem neuen Gesetz nichts", erläutert der Bürgermeister. Der Preis für erschwingliche Wohnungen beträgt 80 Prozent des Normalpreises. Steigt also der Wert des Grundstücks, steigt auch der Preis einer "erschwinglichen" Wohnung.

Je länger wir warten, umso radikaler müssen die Lösungen sein.“Tom Becker, Universität Luxemburg

Die Gemeinde Hesperingen wollte den Bauperimeter deshalb bei der Verabschiedung des letzten Bebauungsplans erweitern. Zwei Drittel dieser Flächen seien im Besitz der Gemeinde, so Marc Lies. Das Umweltministerium legte allerdings Einspruch ein und drohte damit den gesamten Plan zu kippen, sollte der Perimeter ausgeweitet werden. "Somit wurde es uns ein effizientes Mittel genommen, um schnell günstigen Wohnraum zu schaffen", kritisiert der Bürgermeister.

Vor dem Parlament forderte der "député-maire" für die CSV-Fraktion die Einführung einer nationalen Spekulationssteuer auf Bauflächen. Ausgenommen sollten allerdings Familien sein, die die Flächen für ihre Kinder zurückhalten. Der Vorschlag wurde nicht zurückbehalten. Die Regierungsparteien wollen vor allem auf die Grundsteuer setzen, um die Wohnungskrise in den Griff zu bekommen. Erst danach wäre eine nationale Spekulationssteuer umsetzbar.

Problem wurde zu spät erkannt

Die Arbeiten an der groß angelegten Reform der Grundsteuer laufen noch. Für die Berechnung der Steuer benötigt das Innenministerium die neuen allgemeinen Bebauungspläne. Zurzeit haben jedoch neun Kommunen noch keinen neuen Bebauungsplan eingereicht, dabei war das Stichdatum bereits im November 2019. Zuvor sei die Umsetzung der Steuer nicht möglich, erklärten Taina Bofferding (LSAP) und Pierre Gramegna (DP) in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Laurent Mosar und Marc Spautz (beide CSV).

"Für mich ist somit klar, dass bis 2023 wieder nichts passieren wird", sagt Marc Lies. Auch Tom Becker bezweifelt, dass der politische Wille besteht, eine entsprechende Reform umzusetzen.

"Die Politik hat viel zu lange gewartet, bevor das Problem erkannt wurde. Erst als die Wohnungspreise auch die höhere Mittelschicht trafen, wachte sie auf", so Tom Becker. Die Konsequenzen sind verheerend. Die Wertsteigerung innerhalb eines Jahres in der Hauptstadt oder Umgebung übertrifft bereits das Jahresgehalt eines Mindestlohnempfängers.

Die Hoffnung auf Besserung will Tom Becker allerdings noch nicht aufgeben. Der Einfluss des neuen "Pacte Logement" auf die Preise könne noch nicht abgeschätzt werden, so der Forscher. Nur eines ist sicher: „Je länger wir warten, umso radikaler müssen die Lösungen sein“, stellt Tom Becker fest. Das gilt für die Hauptstadt und die umliegenden Gemeinden.


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