Mobilitäts- und Transportminister François Bausch verkauft den « gratis » öffentlichen Transport als Teil einer Sozialpolitik. Doch das Argument ist wenig stichhaltig angesichts der bestehenden Hilfen für Geringverdiener. Fehlende oder unangepasste Buslinien sind deutlich problematischer.
« Der Minister sieht den gratis öffentlichen Transport als soziale Maßnahme », heißt es aus dem Mobilitäts- und Transportministerium. Das Argument von François Bausch: Ein Mindestlohnempfänger müsse künftig kein Jahresabo für Bahn und Bus kaufen. Sie oder er spare damit 440 Euro pro Jahr.
Doch ein Jahresabo für den öffentlichen Transport macht nur einen geringen Teil der Mobilitätskosten eines Haushaltes aus. 2014 gaben die 20 Prozent der Haushalte mit den kleinsten Einkommen jährlich 4.384 Euro für Mobilität aus, zeigen Zahlen des Statec. Lediglich 250 Euro entfielen dabei auf Dienstleistungen wie öffentlicher Transport, Taxis oder Flugzeugtickets. Der Löwenanteil von 4.135 Euro floss in den Erwerb und den Unterhalt eines Autos. Das ist auf 30 Euro Unterschied so viel, wie Geringverdiener für Nahrung ausgeben.
Das Argument der « Sozialmaßnahme » haben die Grünen zudem erst vor kurzem aus dem Hut gezaubert. Vor den Wahlen war davon keine Rede. François Bausch glaubt selbst nicht daran, dass deutlich mehr Menschen Bus und Bahn nutzen, sobald dies für sie kostenlos ist. Für viele Geringverdiener ist es keine attraktive Lösung. Dazu kommt, dass Menschen mit Behinderung zum großen Teil von der Maßnahme ausgeschlossen sind.
Ein Auto ist für viele unerlässlich
Die Ausgaben rund ums Auto sind in Luxemburg hoch und für viele Haushalte unumgänglich. Das ist jedenfalls das Ergebnis des sogenannten Referenzbudgets, welches das Statec erstellte. Es handelt sich dabei um die Mindestausgaben, die Einwohner tätigen müssen, um ein menschenwürdiges Leben in Luxemburg zu führen. In der Studie wird diskutiert, ob es dazu ein eigenes Auto braucht. Die Antwort aus Gesprächen mit Betroffenen ergab ein klares Ja. Gerade zum Einkaufen oder, um die Kinder zu Freizeitaktivitäten zu bringen, brauche es ein Auto. Diese Abhängigkeit wiegt demnach deutlich schwerer als der Preis der Tickets und Abos zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.
Die Studie geht von einem monatlichen Budget von 406 Euro aus für ein Paar mit zwei Kindern. Dabei gilt die Annahme, dass ein großer Teil der Strecken mit Bus und Bahn erledigt werden. Die jeweiligen Jahresabos machen knapp ein Fünftel der gesamten Ausgaben für Mobilität aus. Nicht berücksichtigt ist in der Studie, dass Kinder und Jugendliche schon seit September 2016 den öffentlichen Transport gratis nutzen können.
Gratis Abos für Sozialhilfeempfänger und Asylbewerber
Für Familien mit geringem Einkommen wird die Einführung des gratis öffentlichen Transports nicht im Portemonnaie zu spüren sein. Sie haben bereits heute Anspruch auf eine sogenannte « carte de libre parcours », die als Jahresabo für Bus, Bahn und Tram gilt. Die Maßnahme betrifft die über 10.000 RMG-Empfänger sowie alle Haushalte, die von einem Sozialamt Geld- oder Sachleistungen erhalten.
Die RMG-Empfänger werden vom Fonds national de Solidarité direkt über die « carte de libre parcours » informiert. Die Karte sei Teil der Angebote, über die man bei der Analyse der finanziellen Situation informiere, erklärt Malou Winter, Koordinatorin beim Sozialamt der Nordstad.
Genauso haben auch Asylbewerber ein Anrecht auf eine « carte de libre parcours ». Für die ersten drei Monate ihres Aufenthaltes in Luxemburg erhalten sie vom Olai eine « mKaart ». Anschließend bekommt jeder Bewerber ein ganzjähriges Abo für das gesamte Netz, falls er einen Antrag stellt. Das Olai betreibt einen « Mobilität »-Schalter in seinen neuen Büros in Kirchberg, um die Fahrkarten auszuhändigen.
Menschen mit Behinderung ausgeschlossen
Die bisherigen Pläne für den gratis öffentlichen Transport gelten für Bus, Bahn und Tram, heißt es auf Nachfrage aus dem Ministerium. Nach aktuellem Stand sind der Transportdienst « Adapto » für Menschen mit einer Behinderung also davon ausgeschlossen. Im Januar soll diskutiert werden, ob auch diese Dienstleistung ab 2020 kostenlos sein soll. Dazu brauche es eine politische Entscheidung, so eine Sprecherin des Ministeriums. Das heißt aber auch, dass während der Koalitionsverhandlungen dieser wichtige Punkt offenbar vergessen wurde.
Dabei muss man allerdings unterscheiden zwischen dem CAPABS-Dienst (« transport complémentaire d’accessibilité pour personnes à besoins spécifiques ») und dem Adapto-Dienst. CAPABS umfasst den Transport der Menschen mit Behinderung zwischen ihrem Zuhause und den Schulen (Ediff), den Werkstätten (ateliers protégés) und Pflegehäusern. Diese Transporte sind kostenlos. Adapto dient einerseits den Angestellten im « normalen » Arbeitsmarkt sowie für private Fahrten. Eine Hin- und Rückfahrt kostet acht Euro, aber es gibt auch Abos.
2016 gaben Menschen mit Behinderung laut einer Studie etwa 640.000 Euro für Fahrten mit Adapto aus. Ende Februar 2018 hatte der Dienst über 9.000 Kunden, regelmäßig nutzen 5.000 Menschen Adapto. Da meist nur eine Person transportiert wird, sind die Kosten vergleichsweise sehr hoch. Der Staat gab 2017 rund 12 Millionen Euro für die Bereitstellung von Adapto aus. CAPABS kostete 35 Millionen Euro.
Die Baustelle Barrierefreiheit
Die Adapto-Dienste sind sowohl für die Nutzer als auch für den Staat teuer. Das müsste aber nicht sein, sagt Yannick Breuer von der Beratungsstelle Info-Handicap. Das Problem: Viele Überlandbusse sind weiterhin nicht barrierefrei. Menschen, die etwa einen Rollator haben oder im Rollstuhl fahren, können die Buslinien nicht nutzen, weil der Einstieg eine Treppe hat. Besser sieht es bei der CFL aus: Hier sind etwa 80 Prozent der Züge für Menschen mit einer Behinderung zugänglich.
Zum Teil sind auch die Haltestellen und Bahnsteige weiterhin ein Problem: Sie sind entweder zu hoch oder zu tief. Sie erschweren damit den Ein- und Ausstieg für Rollstuhlfahrer. « Das ist eine riesige Baustelle », sagt Yannick Breuer. Und auch in diesem Fall deutlich wichtiger als der Preis des Tickets.