In Frankreich können Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen im Ausland haftbar gemacht werden. Ein entsprechendes Gesetz wurde bei unseren Nachbarn im Jahr 2017 verabschiedet. Es könnte als Vorbild für die gesamte EU dienen.
Ein Berg aus Trümmern. Mehr war nach dem Einsturz der Rana Plaza nicht mehr übrig. Am 24. April 2013 stürzte die Fabrik in Bangladesch ein. Über 1.000 Menschen kamen ums Leben. Die Opfer: Arbeiterinnen, die für europäische Konzerne Kleider und andere Waren herstellten. Etwa für den deutschen Konzern Adler, die niederländische Kette C&A oder die französischen Marken Auchan und Carrefour.
Die Konzerne wehrten sich lange dagegen, Verantwortung für den Vorfall zu übernehmen. Sie verwiesen stattdessen etwa auf mangelnde lokale Vorschriften. Sechs Monate dauerte die Ausarbeitung eines Entschädigungsabkommens. Erst nach zwei Jahren erhielten die ersten Opfer Schadensersatz.
In Frankreich brachte der Vorfall einen Stein ins Rollen. 2017 verabschiedete der französische Senat ein Gesetz zur Sorgfaltspflicht für Unternehmen. Damit verpflichtet Frankreich große Unternehmen mit Sitz in Frankreich dazu, Menschenrechtsrisiken zu identifizieren und aktiv zu vermeiden. Die Maßnahmen betreffen nicht nur die eigenen Unternehmen, sondern sie umfassen auch die Aktivitäten von Tochterfirmen, Sub-Unternehmen sowie jegliche Risiken entlang der Lieferkette.
Der Text stützt sich auf die Leitsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für transnationale Unternehmen sowie auf die Leitlinien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, an denen sich auch Luxemburgs Aktionsplan für Menschenrechte und Unternehmen anlehnt.
Dabei scheiterte das Gesetz beinahe an den gleichen Vorbehalten, mit denen auch Luxemburg kämpft: Nämlich, dass rechtlich bindende Maßnahmen der Wettbewerbsfähigkeit der französischen Betriebe schaden könnten. Bei der ersten Lesung im Senat wurde der Vorschlag unter anderem aus diesem Grund verworfen.
Juristische Maßnahmen möglich
Im finalen Text sind kleinere Unternehmen ausgenommen. Unter das Gesetz fallen Betriebe mit Sitz in Frankreich, die mindestens 5.000 Arbeitnehmer in Frankreich haben sowie Firmen, die mindestens 10.000 Menschen weltweit beschäftigen.
Insgesamt sind rund 150 Betriebe – etwa Danone, Total oder Renault – dazu verpflichtet, einen Vorsorgeplan zu erstellen, der aufzeigt, wie sie Menschenrechte und die Umwelt entlang ihrer gesamten Lieferkette schützen wollen.
Ursprünglich sah der Text Bußgelder von bis zu 30 Millionen Euro für Betriebe vor, die sich nicht an das Gesetz halten. Jedoch urteilte der französische Verfassungsrat, die Verpflichtungen an die Unternehmen seien zu vage formuliert und könnten daher nicht mit Sanktionen bestraft werden.
Richter können aber zum Beispiel einstweilige Verfügungen anordnen, wenn die Unternehmen keinen Vorsorgeplan einreichen. Und auch die Haftungspflicht für Betriebe segnete der Verfassungsrat ab.
Obwohl es abgeschwächt wurde, liefert das Gesetz eine Handhabe gegen Unternehmen, die ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen. So haben Umweltorganisationen erst kürzlich Klage gegen den Ölkonzern Total eingereicht, wie das französische Onlinemedium « Mediapart » vergangene Woche meldete. Sie werfen dem Konzern Landraub und Umweltvergehen beim Bau einer Öl-Pipeline in Uganda vor.
Das französische Gesetz gilt international als Meilenstein. Die meisten EU-Staaten beschränken sich auf freiwillige Maßnahmen für Unternehmen. Auch Luxemburg belässt es dabei. Frankreich ist damit das erste EU-Mitglied, welches die Sorgfaltspflicht rechtlich verankert. Demnach könnte der Text als Vorlage dienen, sollte Brüssel eine Richtlinie auf den Weg bringen.