Die Corona-Pandemie stürzt die Presse in eine tiefe Krise. Das Anzeigengeschäft ist eingebrochen, was vor allem die Printmedien vor existenzielle Fragen stellt. Mehrere Verlage greifen bereits auf Kurzarbeit zurück und haben bei der Regierung zusätzliche finanzielle Hilfen beantragt.

Um zu merken, dass es ein Problem gibt, reicht ein Blick in eine Tageszeitung. Sonst wechseln sich auf den Seiten die journalistischen Artikel und die Anzeigen ab. In diesen Tagen lassen sich die Werbeanzeigen, deren Einnahmen ein traditionelles Standbein der Printmedien ausmachen, in « Luxemburger Wort », « Tageblatt » und Co. jeweils an einer Hand abzählen.

« Der Rückgang des Anzeigengeschäfts ist enorm », sagt Jean-Lou Siweck. Laut dem Generaldirektor von Editpress verzeichne man in den vergangenen Wochen bei den kommerziellen Anzeigen einen Rückgang « um mehr als 50 Prozent ». Da die entsprechenden Erträge sonst einen bedeutenden Anteil der Gesamteinnahmen des Herausgebers von « Tageblatt », « Revue » und « Le Quotidien » ausmachen, sei die Lage sehr ernst, so Siweck.

« Wir erleben gerade einen massiven Einbruch des Anzeigengeschäfts und damit eines beträchtlichen Teils des Geschäftsmodells der Presse », sagt auch Mike Koedinger. Mit dem « Lockdown » Mitte März habe ein « radikaler Stopp » der Anzeigen eingesetzt, so der Gründer und Präsident des Medienunternehmens « Maison Moderne ». Der nahe liegende Grund: Viele Geschäfte und Unternehmen mussten wegen des Ausnahmezustands der Pandemie schließen und investieren schlicht nicht mehr in Werbeanzeigen.

Beide Medienmanager räumen auf Nachfrage ein, dass ihre Betriebe punktuell die Kurzarbeit-Regelung in Anspruch nehmen, um zumindest einen Teil der ausbleibenden Einnahmen zu kompensieren. Allerdings seien davon nicht die Redaktionen betroffen, sondern vor allem die Anzeigenabteilungen, so Jean-Lou Siweck und Mike Koedinger. Das Paradox der aktuellen Krise: Selten wurden die Medien des Landes so viel konsumiert, ihre Webauftritte verzeichnen rekordverdächtige Klickzahlen. Doch genauso außergewöhnlich sind die finanziellen Verluste.

Kurzarbeit erreicht die Redaktionen

Ein Blick auf die Situation beim « Luxemburger Wort » zeigt dabei, dass die Krise auch in den Redaktionen angekommen ist. Neben Mitarbeitern der Verkaufsabteilung « Regie.lu » und bestimmten Bereichen der Zeitungsproduktion seien auch vereinzelt Journalisten im « Chômage partiel », bestätigt der Generaldirektor von « Saint-Paul Luxembourg », Paul Peckels, im Gespräch mit REPORTER. Betroffen seien bisher das Sport- und das Kulturressort.

Auch die Publikationen von Saint-Paul hätten mit einem massiven Einbruch des Anzeigengeschäfts zu kämpfen, so Paul Peckels zu den Gründen für die Kurzarbeit. Kunden würden praktisch keine Anzeigen mehr schalten, bereits getätigte Aufträge wurden storniert. Saint-Paul steht dabei auf dem Papier finanziell besser da als manche Konkurrenten. Nach mehreren Sozialplänen und einer umfassenden Rationalisierung in den vergangenen Jahren schrieb der Betrieb zuletzt wieder schwarze Zahlen.

Die aktuelle Situation halten wir vielleicht noch zwei Monate lang durch. »Claude Karger, Direktor und Chefredakteur « Lëtzebuerger Journal »

Da die Werbeanzeigen auch in seinem Unternehmen einen « substanziellen Anteil » des Umsatzes ausmachen, und jetzt weitgehend fehlen, müsse man laut Paul Peckels zumindest kurzfristig Kosten reduzieren. Die aktuelle Krisenbewältigung dürfe allerdings nicht auf Dauer zulasten des Informationsauftrags und der Qualität der Zeitung gehen, betont der Generaldirektor.

So sieht es auch Josée Hansen. « Auch wir merken den Einbruch bei den Anzeigen, doch gleichzeitig sind wir seit Jahren daran gewöhnt, im Krisenmodus zu funktionieren », sagt die Chefredakteurin der Wochenzeitung « Lëtzebuerger Land ». Das Anzeigengeschäft mache beim « Land » rund ein Drittel der Einnahmen aus, so Hansen weiter. Kurzarbeit komme für die Redaktion von sechs Vollzeitjournalisten jedoch nicht in Frage. Und auch sonst habe man nur wenige Stellschrauben, etwa das Zurückfahren der Beiträge von freien Mitarbeitern oder den Abo-Preis, an denen man drehen könnte, um die verlorenen Einnahmen zu kompensieren.

Pandemie verschärft die Pressekrise

Die Corona-Krise trifft den Mediensektor zu einem Zeitpunkt, in dem mehrere Presseorgane ohnehin finanziell angeschlagen sind. « Keine Zeitung in Luxemburg hat herausragende Margen. Hinter keinem Verlagshaus steht ein Aktionär, der zur Not viel Geld nachschießen kann », sagt Jean-Lou Siweck. « Die gedruckte Presse war in Luxemburg schon vor dem Auftreten des Coronavirus in einer wahrhaftigen Krise. »

Die Bestandsaufnahme einer durch die Pandemie nur noch verschärften Krise trifft allerdings mehr auf Editpress zu als auf andere. Im vergangenen Juni beschloss der Konzern die Einstellung des Betriebs der Wochenzeitung « Le Jeudi ». Die finanzielle Lage bei Editpress ist weiterhin schwierig. Das Medienhaus macht seit Jahren Verluste und schleppt laut Bilanz von 2018 Schulden bei Kreditinstituten in Höhe von fast neun Millionen Euro mit sich. « Wir befanden uns auch schon vor dem März in einem Prozess der Restrukturierung », drückt es Jean-Lou Siweck aus.

Diese Pandemie wird zu einer tiefen Rezession führen, die wir noch alle zu spüren bekommen werden. »Jean-Lou Siweck, Generaldirektor von Editpress

Zur ohnehin angespannten Lage kommt nun, dass ausgerechnet die einzige Publikation des Hauses, die noch Gewinn abwirft, am stärksten von der Corona-Krise betroffen ist. Die Gratiszeitung « L’Essentiel » finanziert sich nahezu ausschließlich durch Werbeanzeigen. Die gedruckte Auflage der Zeitung, die von Editpress und der Schweizer Tamedia-Gruppe (jeweils zu 50 Prozent) herausgegeben wird, wurde bereits wesentlich heruntergefahren. Dass man überhaupt noch druckt, sei sicher « keine ökonomische Entscheidung », sagt Jean-Lou Siweck.

Es sei auch nicht absehbar, wie lange die Publikationen des Konzerns die aktuelle Krise und den Ausfall der Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft überstehen könnten. Nur so viel sei sicher: « Es ist ausgeschlossen, dass wir dieses Jahr mit Gewinn abschließen », so der Generaldirektor von Editpress, der in Personalunion Co-Chefredakteur des « Tageblatt » ist.

« Journal » warnt vor Liquiditätsengpässen

Die Pandemie trifft demnach einen der drei Pfeiler des Geschäftsmodells der traditionellen Printmedien. Neben den Anzeigen finanzieren sich die meisten Zeitungen durch Abonnements und die staatliche Pressehilfe. Im Fall des « Journal » machen Werbung und staatliche Subventionen den Großteil der Einnahmen aus. Die Tageszeitung hat aktuell nur noch rund 3.000 Abonnenten. Bei den Anzeigen handelt es sich dabei nicht nur um Werbung, die von privaten Unternehmen geschaltet wird, sondern auch um die sogenannten « Avis officiels », also amtliche Mitteilungen, die der Staat den Medien bezahlt.

« Der Anzeigenmarkt liegt komplett brach », sagt Claude Karger. Damit meint der Direktor und Chefredakteur des « Lëtzebuerger Journal » sowohl private als auch amtliche Anzeigen. Der Rückgang betreffe letztlich knapp die Hälfte jeglicher Einnahmen der Tageszeitung, die der DP-Stiftung « Centre d’Etudes Eugène Schaus » gehört. Letztlich sei dadurch die mittelfristige Existenz des « Journal » in Gefahr. « Die aktuelle Situation halten wir vielleicht noch zwei Monate lang durch », warnt Claude Karger. Dann hätte man es mit Liquiditätsproblemen zu tun.

« Der Rückgang des Anzeigengeschäfts ist enorm »: Nur die wenigsten Unternehmen schalten im Ausnahmezustand noch Werbeanzeigen – für die Printmedien bricht dadurch ein wesentlicher Teil ihrer traditionellen Einnahmen weg. (Foto: Eric Engel)

Die Kurzarbeit-Regelung komme für das « Journal » dabei nicht in Frage, da die Belegschaft fast ausschließlich aus Journalisten besteht. « Wir wollen das nicht, weil wir unserem Informationsauftrag weiter gerecht werden wollen », betont Direktor Claude Karger. « Unsere Journalisten arbeiten mehr als je zuvor, und Journalismus wird auch und besonders in Krisenzeiten gebraucht. »

Die finanziellen Reserven der « Editions Lëtzebuerger Journal » halten sich dabei stark in Grenzen. Das Unternehmen hält zwar knapp acht Prozent an Editpress, doch für einen Verkauf dieser Anteile müsste man erstmal einen Käufer finden. Ansonsten bleibt nur die Möglichkeit, neue Schulden aufzunehmen, was angesichts der ohnehin schwierigen Lage der Printmedien aber auch keine nachhaltige Lösung des Problems wäre.

Konjunkturbedingte Abhängigkeiten

Ähnlich wie bei « L’Essentiel » wirkt sich der Einbruch des Anzeigengeschäfts auch besonders auf « Paperjam », das Flaggschiff aus dem Hause « Maison Moderne », aus. Anzeigen machen in normalen Zeiten über 50 Prozent des Umsatzes des Monatsmagazins aus, sagt « Executive Chairman » Mike Koedinger im Gespräch mit REPORTER. Die finanzielle Situation riskiere demnach auch hier « außerordentlich ernst » zu werden. « Es wird sicher ein historisch schlechtes Jahr für uns.  »

Die gedruckte Presse war in Luxemburg schon vor dem Auftreten des Coronavirus in einer wahrhaftigen Krise. »Jean-Lou Siweck, Generaldirektor von Editpress

Bei « Paperjam », das sich selbst als « business friendly » definiert, sind jedoch auch die restlichen Einnahmen eng an die Konjunktur gekoppelt. Die Abonnements werden in Form von « Package Deals » des sogenannten « Paperjam Club » verkauft. Das heißt: Abos erhalten die Mitglieder, meist größere Unternehmen, im Austausch gegen Sponsoring bzw. Teilnahme an den Events und Workshops des Businessclubs. In der Pandemie fallen die Events komplett weg, was in Kombination mit dem Rückgang der Anzeigen eine weitere Herausforderung für den Betrieb bedeutet, erklärt Mike Koedinger.

Allerdings sieht der Gründer, der in diesen Tagen wieder als Co-CEO auftritt, auch schon wieder Hoffnung aufziehen. Erste Unternehmen würden nach der Ankündigung der Exit-Strategie der Regierung schon wieder « beginnen, zu kommunizieren ». Und auch intern habe man sich an die Situation angepasst und biete bestimmte Events als virtuelle Workshops und « Webinars » an. Seine Botschaft lautet: « Wir müssen innovativ bleiben und das Business muss weitergehen. »

Die Sorgen vor der langen Rezession

Dass diese außergewöhnlichen Zeiten außergewöhnliche Maßnahmen erfordern, zeigt auch die Ausgabe des « Luxemburger Wort » vom vergangenen Freitag. Diese wurde nicht nur an Abonnenten, sondern mit einer Auflage von 300.000 an alle Haushalte des Landes verschickt.

Dieser Schritt gründet laut Paul Peckels auf einer doppelten Strategie. Einerseits wollte man den Lesern zeigen, dass die Redaktion weiter normal funktioniert und qualitative Inhalte produziert. Andererseits sei die Postwurfsendung aber auch ein Signal an die Anzeigenkunden gewesen, dass es sich weiter lohne, zu kommunizieren und Werbung in einer großen Tageszeitung zu schalten, so der Generaldirektor von « Saint-Paul Luxembourg ». Gleichzeitig analysiere die Direktion weitere « Pisten », um die längerfristigen Folgen der aktuellen Krise abschätzen und bewältigen zu können.

Wir werden die Auswirkungen dieser Krise noch im nächsten Jahr spüren. »Mike Koedinger, Executive Chairman « Maison Moderne »

Genau diese mittelfristige Perspektive bereitet Jean-Lou Siweck am meisten Sorgen. « Diese Pandemie wird zu einer tiefen Rezession führen, die wir noch alle zu spüren bekommen werden », so der Editpress-Generaldirektor. Die Werbebudgets der Unternehmen des Landes werden demnach so schnell nicht wieder Normalniveau erreichen. Die absehbare Wirtschaftskrise wird sich laut Siweck denn auch früher oder später auf die Kaufkraft der ganzen Bevölkerung und auch auf die finanziellen Spielräume des Staates auswirken. Damit wären jegliche Standbeine des traditionellen Journalismus in Luxemburg betroffen.

« Was weg ist, ist weg », sagt seinerseits Mike Koedinger zu den Umsatzeinbußen der vergangenen Wochen. Unabhängig davon, wie schnell das Geschäft mit den Anzeigen wieder anziehen wird, hat die Corona-Pandemie ein großes Loch in das Geschäftsmodell der Printmedien gerissen. Auch er ist sich sicher: « Wir werden die Auswirkungen dieser Krise noch im nächsten Jahr spüren. »

Von der Krise zum Überlebenskampf

« Wer wird diese Krise wirtschaftlich überleben? » Mit dieser Frage wird sich die Medienbranche laut Jean-Lou Siweck früher oder später beschäftigen müssen. Und das gilt nicht zuletzt für Editpress selbst. Die Publikationen « Le Quotidien » (ein Joint Venture von Editpress und « Républicain Lorrain ») und « Revue » standen schon vor der Corona-Krise finanziell besonders unter Druck. Ihre weitere Existenz ist heute alles andere als gesichert. Der Mutterkonzern schleppt seit Jahren Altlasten mit sich, die sich nach der Krise nicht auf einmal in Luft auflösen werden.

Wir sind seit Jahren daran gewöhnt, im Krisenmodus zu funktionieren. »
Josée Hansen, Chefredakteurin « Lëtzebuerger Land »

Doch die verschärfte Pressekrise trifft auch die anderen Medienhäuser mehr oder weniger schwer. Allesamt würden sie am liebsten die Abhängigkeit vom Anzeigenmarkt überwinden. Doch das ist angesichts der vielen Millionen Euro an Einnahmen, an die sich die Verlage in den vergangenen Jahrzehnten gewöhnt haben, leichter gesagt als getan. Allein auf Abonnenten zu setzen, reiche auf einem kleinen Medienmarkt wie Luxemburg besonders für gedruckte Zeitungen nicht aus, um allein darauf das Geschäftsmodell aufzubauen, gibt Josée Hansen vom « Land » zu bedenken.

Positiv sei in dieser Krise letztlich nur, dass sie mit einem Anstieg des Interesses und der Anerkennung durch die Leser einhergeht, sagen alle befragten Verantwortlichen. Der Ausweg aus der Pressekrise führe nur über eine konsequente und langfristige Strategie, wie man auch als traditionelle Zeitung im Internet Geld verdient, und das funktioniere letztlich nur über zahlende Leser, sagt Jean-Lou Siweck. « Die Digitalstrategie beschleunigen und neue Abonnenten vom eigenen Produkt überzeugen », lautet auch die Devise von Paul Peckels.

Hoffnung auf Finanzspritzen vom Staat

Angesichts der enormen Einnahmeverluste setzen die Medienmacher ihre Hoffnungen aber gleichzeitig auch in den Staat. Die Rede ist von einer außergewöhnlichen Hilfe für die Verlagshäuser. Die Herausgeber mehrerer Printpublikationen haben laut Informationen von REPORTER dem Staats- und Medienminister einen Brief geschrieben, in dem sie sich eine zusätzliche finanzielle Unterstützung erhoffen. Dazu gehören « Saint-Paul Luxembourg », « Editpress », « Journal », « Maison Moderne », « d’Lëtzebuerger Land » und die « Woxx ».

Die Forderungen sollen heute im Kabinett diskutiert werden, heißt es aus dem Staatsministerium. Die Argumente der angeschlagenen Verlagshäuser sind dabei nicht allzu schlecht. Neben der objektiven Verschärfung der wirtschaftlichen Krise der Luxemburger Branche zeigen auch Beispiele aus dem Ausland, dass einigen Staaten der Schutz ihrer Presse vor den Folgen der Corona-Pandemie viel wert ist.

Gerade in dieser ungewissen Zeit merken auch die Bürger, dass der Informationsauftrag der Presse unverzichtbar ist. Die Politik sollte diese Systemrelevanz anerkennen. »Claude Karger, Direktor und Chefredakteur « Lëtzebuerger Journal »

Die Hilfen vom Staat könnten verschiedene Formen annehmen, etwa direkte Beihilfen, Ausgleich von Einnahmeverlusten oder auch außergewöhnliche, vom Staat vergütete Werbekampagnen zur Corona-Krise in den Medien. Ein Überblick der « World Association of News Publishers » von Anfang April zeigt jedenfalls, dass viele europäische Staaten bereits auf die Pressekrise in der Pandemie reagiert haben. Zudem zählen mehrere Staaten der EU den Journalismus in dieser Krise zu den systemrelevanten Berufsgruppen.

Man erwarte sich ein Signal der Regierung, dass die Presse in dieser Krise nicht im Stich gelassen wird, sagt Claude Karger. « Gerade in dieser ungewissen Zeit merken auch die Bürger, dass der Informationsauftrag der Presse unverzichtbar ist. Die Politik sollte diese Systemrelevanz anerkennen », so der Direktor und Chefredakteur des « Journal ». Wie andere Branchen auch benötige die Presse besondere Unterstützung, um die Krise zu überstehen.


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