Wenn unbegleitete Minderjährige kein Asyl erhalten, entscheidet eine Kommission, ob sie in Luxemburg bleiben dürfen oder nicht. Sie existiert bereits seit 2018, erhält aber erst jetzt eine rechtliche Basis. An der Unabhängigkeit der Kommission regen sich gewisse Zweifel.

Wenn Luxemburg den Asylantrag unbegleiteter Minderjähriger ablehnt, ist die Situation komplex. Eigentlich müssten die Betroffenen in ihr Heimatland zurück. Doch im Gegensatz zu Erwachsenen gebührt ihnen besonderer Schutz. Etwa durch die UN-Kinderrechtskonvention, die auch Luxemburg ratifiziert hat.

Laut dem Luxemburger Einwanderungsgesetz, welches erst im Oktober vom Parlament verabschiedet wurde, ist eine Abschiebung nur dann möglich, wenn der Minderjährige eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Oder wenn eine Rückkehr ins Heimatland im übergeordneten Interesse des Minderjährigen ist.

Bereits 2017 hat der Ministerrat eigens eine « Commission consultative de l’évaluation de l’interêt supérieur des mineurs non accompagnés » geschaffen. Diese entscheidet, was für die Kinder und Jugendlichen die beste Lösung ist. Sie setzt sich aus Vertretern der Einwanderungsbehörde, des Bezirksgerichts, des OLAI sowie des Kinderhilfsbüro (ONE) zusammen.

Deutliche Kritik am Gesetzesvorhaben

Luxemburg reagierte mit der Schaffung des Gremiums auf eine Kritik des « Comité d’évaluation Schengen » an Luxemburgs Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen. Doch obwohl es die Kommission bereits seit über einem Jahr gibt, fehlte ihr bisher jegliche gesetzliche Basis. Erst am Freitag hat der Ministerrat den Entwurf einer großherzoglichen Verordnung angenommen, die das ändern soll. Doch es hagelt bereits Kritik am Text des Entwurfs.

So äußert etwa der Flüchtlingsrat in einer Einschätzung, die REPORTER vorliegt, Bedenken über die Zusammensetzung und Funktionsweise der besagten Kommission. In seiner Kritik basiert sich der Rat auf einen Entwurf des Gesetzesvorhabens vom Juli, der dem Rat zugespielt wurde. Der Flüchtlingsrat, genau wie die « Commission Consultative des droits de l’homme » (CCDH), fragten den Text zwar an. Die Behörden ließen ihre Anfrage allerdings unbeantwortet.

Der Flüchtlingsrat, zu dessen Mitgliedern etwa die « Asti », « Amnesty » und die « Caritas » zählen, bedauert, dass die Kommission lediglich dann zusammenkommt, wenn über eine mögliche Abschiebung entschieden wird. Gemäß der UN-Kinderrechtskonvention müsste das übergeordnete Interesse des Kindes in allen Entscheidungen Vorrang haben.

So war es auch im Regierungsprogramm vorgesehen: « De surcroît, l’intérêt supérieur de l’enfant étant primordial, les efforts sont poursuivis pour assurer l’évaluation adéquate de l’intérêt supérieur tout au long de l’examen de sa demande de protection internationale en amont d’une décision de retour. »

Zweifel an Unabhängigkeit der Kommission

Der Flüchtlingsrat zeigt sich zudem besorgt darüber, dass die Unabhängigkeit des Gremiums nicht garantiert sei. Der Entwurf der großherzoglichen Verordnung sieht vor, dass der Immigrationsminister die vier Ausschussmitglieder ernennt. Ein Vertreter des Ministers fungiert als Präsident, ein weiterer als Sekretär. Bei Stimmengleichheit soll die Stimme des Präsidenten den Ausschlag geben.

« Wie kann der Präsident der Kommission objektiv und unparteiisch über das übergeordnete Interesse des Kindes entscheiden, wenn seine eigene Verwaltung dessen Abschiebung erwägt? »,  fragt der Flüchtlingsrat. Hinzu komme, dass nur staatliche Akteure in den Entscheidungsprozess involviert seien. Erfahrungen im Bereich der Schulbildung oder der mentalen Gesundheit von Kindern seien keine Voraussetzung.

« Ombudskomitee » nur als Beobachter

Auch das Ombudskomitee für Kinderrechte (ORK) kritisiert die Kommission in seinem letzten Bericht. Dort heißt es etwa: « sauf pour la décision concernant la protection internationale, toute décision concernant l’enfant devrait être prise par un organe de protection de l’enfance et non pas par une autorité de migration. »

Der Entwurf der großherzoglichen Verordnung, den das Kabinett am Freitag annahm, spricht dem ORK die Rolle des Beobachters zu. Als solcher soll sich das ORK einmal jährlich mit der Kommission treffen, um Bilanz zu ziehen. Das ORK habe jedoch die Möglichkeit gehabt, zumindest Teil der Kommission zu sein, statt sie nur zu beobachten, sagt das Außenministerium auf Nachfrage. Das ORK habe dieses Angebot jedoch abgelehnt.

« Da versteckt sich das Außenministerium ein wenig », sagt seinerseits René Schlechter vom ORK auf Nachfrage. Das Ombudskomitee habe das Angebot abgelehnt, da man als unabhängige und neutrale Instanz nicht in einem Gremium sitzen könne, welches Entscheidungen über Verbleib oder Abschiebung der unbegleiteten Minderjährigen trifft.

Die Rolle des Beobachters, die dem ORK nun eingeräumt werde, sei allerdings sehr restriktiv ausgelegt, kritisiert René Schlechter. Er würde es vorziehen, wenn das ORK bei den Sitzungen der Kommission dabei wäre, anstatt nur « sporadisch informiert » zu werden.

Keine klaren Kriterien

Der Flüchtlingsrat stört sich in seiner Einschätzung des Entwurfs der Verordnung allerdings auch an der Funktionsweise der Kommission. So enthalte der Entwurf keine klaren, nachvollziehbaren Kriterien darüber, was im « besten Interesse » des Kindes sei. Dabei gebe es durchaus Texte und Richtlinien, die als Grundlage dienen könnten.

Das Außenministerium weist die Kritik auf Nachfrage zurück. In der Praxis würde sich das System bewähren. Die Kommissionsmitglieder würden die Kinder und Jugendlichen regelmäßig sehen und seien demnach mit den Dossiers vertraut. Darüber hinaus hätten die Jungen das Recht, ihren « Administrateur ad-hoc » und etwaige Vertrauenspersonen zu den Treffen mitzubringen. Man könne sich also ein globales Bild von der Situation der Kinder und Jugendlichen machen.

Außerdem würde die Kommission in fast allen Fällen für einen Verbleib der Minderjährigen in Luxemburg entscheiden. Bisher habe man noch keinen unbegleiteten Minderjährigen gegen seinen Willen nach Hause geschickt.

Obwohl der Flüchtlingsrat seine Einschätzung vor einigen Wochen an die zuständigen Behörden schickte, erhielt er bis jetzt keine Rückmeldung. Nun bleibt abzuwarten, ob der Staatsrat die Kritik am Text berücksichtigt.


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