Wie viele Zeitungen verkauft eigentlich das « Luxemburger Wort »? Wie viele Abonnenten hat die « Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek »? Der Debatte über die Pressekrise in Luxemburg fehlt es oft schon an grundlegenden Fakten. Diese lassen sich jedoch zum Teil herausfinden. Ein Überblick.
« D’Mark RTL bleift N°1 », « ‘L’essentiel’, média le plus consulté dans le pays », « Zeitungen mit robuster Reichweite »: Glaubt man den auf der « Plurimedia »-Studie basierenden Artikeln, so gibt es bei den Reichweiten von Luxemburgs Medien jedes Jahr stets gute Nachrichten zu vermelden. Von einer Pressekrise fehlt in Luxemburg scheinbar jede Spur.
Das Umfrageinstitut « TNS Ilres » veröffentlicht im Auftrag von « RTL », « Luxemburger Wort » und « Editpress » zwei Mal im Jahr die Reichweiten von Luxemburgs Medien. Die Zahlen stammen aus Umfragen bei einer Gruppe von rund 4.000 Befragten, die auf die Gesamtbevölkerung extrapoliert werden, wie « TNS Ilres » seine Methodik selbst beschreibt. Die Ergebnisse dienen den Pressetiteln vor allem dazu, Werbekunden von der Attraktivität – und eben der Reichweite – ihrer Produkte zu überzeugen.
Dabei beschönigen die in der Studie regelmäßig veröffentlichten Zahlen die Dringlichkeit der auch in Luxemburg feststellbaren Krise der Medienbranche, insbesondere der Printmedien. Letztere lässt sich selbst mit den Zahlen von « Plurimedia » veranschaulichen – wenn man sie denn über einen längeren Zeitraum betrachtet. So hatte das « Luxemburger Wort » laut « Plurimedia » 2009 noch eine Reichweite von 43,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. In der neuesten Studie von Anfang 2019 liegt sie noch bei 30,1 Prozent. Das « Tageblatt » fiel im gleichen Zeitraum von 13,8 Prozent auf 8,0 Prozent, « Le Quotidien » von 7,3 Prozent auf 4,8 Prozent, um nur einige Beispiele zu nennen.
Von den Umfragen zu den Fakten
Ähnlich wie bei politischen Umfragen bilden die demoskopischen Daten jedoch nur einen Teil der Wirklichkeit ab. Wenn es um die tatsächliche zahlende Leserschaft und die wirtschaftliche Substanz der luxemburgischen Presse geht, spielen auch andere Fakten eine Rolle – allen voran die bezahlten Auflagen von Zeitungen.
Das einzige, was ich sagen kann, ist, dass 8.000 Zeitungen gedruckt werden. Sonst gebe ich keine Infos heraus. »Aly Ruckert, Chefredakteur der « Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek »
Laut den Zahlen des belgischen « Centre d’Information sur les Médias » (CIM), das auch die Auflagen einzelner luxemburgischer Publikationen misst, wurde das « Luxemburger Wort » 2018 im Durchschnitt werktags 55.981 Mal gedruckt. 52.236 Exemplare wurden auch tatsächlich verkauft (50.092 per Abo, 2.144 im Einzelverkauf). 2008 hatte die größte Tageszeitung noch eine bezahlte Auflage von fast 70.000 – ein Rückgang von fast 25 Prozent innerhalb von zehn Jahren.
Das « Tageblatt » (Reichweite laut « Plurimedia »: 40.500) hatte demnach 2018 eine gedruckte Auflage von 18.168 – nur knapp die Hälfte, nämlich 9.293 Zeitungen (8.523 per Abo, 770 im Einzelverkauf), wurde davon aber auch verkauft. 2008 lag die bezahlte Auflage noch bei 16.269. Innerhalb von einem Jahrzehnt verlor das Flaggschiff aus dem Hause « Editpress » demnach knapp 43 Prozent seiner zahlenden Leser.
Printmedien sitzen in einem Boot
Auch vor den Wochenmagazinen macht die Krise nicht halt. Die bezahlte Auflage, also Abos plus Einzelverkauf, des « Télécran » lag 2008 noch bei 33.633. 2018 belief sie sich auf 20.706, was einen Rückgang um mehr als 38 Prozent ausmacht. Die bezahlte Auflage der « Revue » rutschte im gleichen Zeitraum um fast 40 Prozent von 19.511 auf 11.716 ab. Die Zahlen von dem diese Woche zum letzten Mal erscheinenden « Le Jeudi » sowie des « Le Quotidien » sind zudem noch besorgniserregender.
Die öffentlich zugänglichen Zahlen des CIM betreffen jedoch nur einen Teil der luxemburgischen Presselandschaft. Nur die Titel der Verlagshäuser « Saint-Paul Luxembourg » und « Editpress », sowie kleinere nicht-journalistische Publikationen, veröffentlichen hier transparent ihre Auflagen. Die anderen Verlage sind an der authentischen Messung nicht beteiligt. Manche wollen gar bewusst nicht preisgeben, wie viele Abonnenten sie haben und wie sich demnach ihre bezahlten Auflagen in den vergangenen Jahren entwickelt haben.
Stattdessen konzentriert sich die medienpolitische Debatte in Luxemburg meistens auf die Umfragen von « Plurimedia ». Auch im Fall der Einstellung von « Le Jeudi » zirkulierte nahezu ausschließlich die Zahl der « 26.700 Leser », die die Wochenzeitung laut « Plurimedia » Anfang 2019 noch gehabt haben soll. Die tatsächliche verkaufte Auflage der Publikation aus dem Hause « Editpress » lag aber mit weniger als 1.300 eben wesentlich darunter. Die « 26.700 Leser » sind indes auch nur durch die Tatsache erklärbar, dass « Le Jeudi » nahezu zehn Mal so viele Zeitungen druckte (und gratis verteilte) als es verkaufte. Das heißt: In der Umfrage gaben wohl viele Menschen an, dass sie regelmäßig « Le Jeudi » lesen. Nur ein Bruchteil davon gehörte aber tatsächlich zu den zahlenden Kunden der Zeitung.
Die Abozahlen der Anderen
Die Abonnenten-Zahlen anderer luxemburgischer Medien sind dagegen zum Teil ein gut gehütetes Geheimnis. Das « Journal », dem laut « Plurimedia » eine Reichweite von 7.300 attestiert wird, habe eine Gesamtauflage von ungefähr 5.000 Exemplaren, sagt Direktor und Chefredakteur Claude Karger auf Nachfrage von REPORTER. Zehn Prozent würden davon im Einzelverkauf umgesetzt und die Zeitung habe « plusminus 3.000 Abonnenten ». Der Trend der verkauften Auflage sei auch beim « Journal » seit Jahren negativ, so Karger weiter. Zwar würden mehr Leser das E-Paper der liberalen Tageszeitung abonnieren. Diese Zahl würde aber bei weitem nicht so stark ansteigen wie die Printauflage sinkt.
Aly Ruckert, Chefredakteur der « Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek », will dagegen außer der Gesamtauflage keine Kennziffern nennen. « Das einzige, was ich sagen kann, ist, dass 8.000 Zeitungen gedruckt werden. Sonst gebe ich keine Infos heraus », so der Verantwortliche der kommunistischen Tageszeitung. Die « Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek » hat laut der jüngsten « Plurimedia »-Studie eine Reichweite von 3.300 Lesern.
Ähnlich äußert sich Romain Hilgert auf Nachfrage von REPORTER. Man wolle den eigenen Lesern stets den Vorrang geben, wenn es um Informationen über die Geschäftszahlen der eigenen Zeitung geht, so der Chefredakteur und Geschäftsführer des « Lëtzebuerger Land ». Laut « Plurimedia » hat die Wochenzeitung eine Reichweite von 12.100 regelmäßigen Lesern.
Eine positive Ausnahme in Sachen Transparenz machen dagegen die Verantwortlichen der « woxx ». Die gedruckte Auflage betrage 2.220 bis 3.000 Exemplare, dies sei abhängig von der Saison, erklärt Richard Graf, Geschäftsführer der Genossenschaft, die die Wochenzeitung herausgibt. Die « woxx » habe rund 1.300 Abonnenten, auch diese Zahl sei aber ein Durchschnitt, da man besondere Tarife und Paketangebote für gemeinnützige Vereine, Jugendhäuser und Studenten anbiete.
Das Beispiel der « woxx »
Im Fall der « woxx » lässt sich zudem die starke Abhängigkeit vor allem kleiner Printmedien in Luxemburg von der staatlichen Pressehilfe veranschaulichen. In ihrer jüngsten Geschäftsbilanz veröffentlichte die Genossenschaft im Detail, wie sich ihr Umsatz von 166.355,42 Euro (2017) zusammensetzt. Mit über 120.000 Euro bzw. fast 73 Prozent wird der größte Teil des Umsatzes durch Anzeigen, darunter die staatlichen « Avis officiels », erzielt. Nur 42.796,66 Euro bzw. rund ein Viertel des Gesamtumsatzes stammen aus Abonnements. Nimmt man die genannte Zahl von 1.300 Abonnenten als Basis, kostet ein Jahresabonnement der « woxx » demnach rund 33 Euro.
Im Gesamtumsatz ist allerdings die reguläre staatliche Pressehilfe für Printmedien noch nicht mit eingerechnet. Diese macht für die « woxx » im Jahr 2017 ganze 268.933,00 Euro, also über 60 Prozent der Gesamteinnahmen aus. Rechnet man Umsatz und Pressehilfe zusammen, machen die Abonnements der Zeitung weniger als zehn Prozent der Gesamteinnahmen aus. Die « woxx » ist dabei nur ein Beispiel einer derartig hohen Abhängigkeit eines nicht öffentlich-rechtlichen Mediums vom Staat. Auch bei anderen kleineren Print-Publikationen dürfte der Anteil der staatlichen Subventionen am Geschäftsmodell ähnlich hoch liegen. Der Unterschied: Die « woxx » geht mit ihren Geschäftszahlen weitaus transparenter um.
Eine erste vorläufige Bilanz der finanziellen Entwicklung von REPORTER finden Sie übrigens hier: Ein Jahr REPORTER – eine erste Geschäftsbilanz
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