Was war los in der EU? Und was hat das alles mit Luxemburg zu tun? Charlotte Wirth blickt aus Brüssel auf die politischen und medialen Top-Themen der vergangenen Woche zurück. Dieses Mal: Unmut über eine grüne Steuerstudie und Uneinigkeit in der EU-Außenpolitik.
Auf der Zugstrecke Brüssel-Luxemburg rollt es weiterhin eher schlecht als recht. In drei von vier Fällen kommt man nur via Arlon ans Ziel – und das auch nur wenn der dortige Zug dann auch wirklich fährt. Wenn schon die Koordination zwischen Belgien und Luxemburg beim Eisenbahnverkehr nicht klappt, dann doch wenigstens bei der Raumfahrt bzw. beim Space Mining. Ein entsprechendes Abkommen hat Etienne Schneider letzte Woche mit Belgiens Vizepremierminister Didier Reynders unterzeichnet.
#Belgium and #Luxembourg sign joint declaration on the exploration and utilisation of space resources @LuxSpaceAgency @BelgiumMFA @dreynders @EtienneSchneide pic.twitter.com/mdVRIJRxGc
— SpaceResources.lu (@spaceRESlux) 23. Januar 2019
Bei den Grünen rollt es da schon besser: Sie haben letzte Woche ihre Kandidaten für die Europawahlen vorgestellt. Dass Tilly Metz als Spitzenkandidatin ins Rennen gehen wird, war bereits bekannt. Ihr zur Seite soll ihr Bürochef im Europaparlament und Sprecher der jungen Grünen, Meris Sehovic, stehen. Auch der Escher Schöffe Martin Kox, Parteipräsident Christian Kmiotek, Jessie Thill und Tanja Duprez stehen auf der Liste. Die Kandidaten sollen auf dem Parteikongress der Grünen am 16. März gewählt werden. Dann wird auch über das Programm abgestimmt. Neben den Grünen haben bisher nur die Piraten ihre Liste für die Europawahlen im Mai vorgestellt.
Die CSV-Europapolitiker Georges Bach, Frank Engel und Christophe Hansen scheinen ebenfalls in Wahlkampflaune zu sein, wenn auch der etwas anderen Art. Sie wollten zumindest daran erinnern, dass die CSV Europapolitik betreibt und drei ihrer Abgeordnete im Parlament sitzen. Diese luden zur Pressekonferenz ein, um ihre Prioritäten bis zu den Wahlen im Mai – also für die nächsten drei Monate – vorzustellen.
Die CSV-Europaliste folgt allerdings erst Ende März. Eins ist bereits klar: Die Namen Georges Bach und Luc Frieden wird man darauf nicht lesen. Und auch Frank Engel wird nicht mehr mit ins Rennen gehen: Er wurde am Samstag zum neuen CSV-Parteipräsidenten gewählt und hatte zuvor angekündigt, dass er in diesem Fall in Vollzeit nach Luxemburg zurückkehren werde.
Unmut über grüne Steuerstudie
Eine neue Studie der Grünen/EFA Fraktion im Europaparlament sorgte diese Woche in Luxemburg für Unmut. Bei der Studie mit dem Titel „Effective Tax Rates of Multinational Enterprises in the EU“ geht es um die Frage, welchen Steuersatz Unternehmen tatsächlich zahlen. Untersucht wurde der Zeitraum zwischen 2011 und 2015.
Luxemburg schneidet nicht gut ab. So sei der Unterschied zwischen effektivem und nominalem Steuersatz in Luxemburg besonders groß: Trotz eines offiziellen Steuersatzes von 29 Prozent haben Konzerne tatsächlich nur zwei Prozent gezahlt, schlussfolgert die Studie. Die Differenz entsteht etwa aufgrund von Sonderabsprachen zwischen nationalen Steuerbehörden mit multinationalen Unternehmen und anderen Schlupflöchern wie unvollkommenen Doppelbesteuerungsabkommen.
„D’Etude ass Schrott“, kommentierte UEL-Direktor Jean-Paul Olinger die Ergebnisse. Er kritisiert Methodologie und Datensatz der Studie und wirft den Grünen vor, vor allem „Wahlkampf zu machen.“
Der Vorwurf sei populistisch, kontert der EU-Abgeordnete und Sprecher der Grünen-Fraktion im EU-Parlament Sven Giegold. Es sei eine demokratische Aufgabe, Missstände aufzudecken und dieses Feld solle man nicht anti-europäischen Parteien überlassen.
Dass die Datensätze unvollkommen seien, werde in der Studie thematisiert. Man habe die bestmöglichen, öffentlich zugänglichen Datensätze genommen. « Der Finger zeigt zurück auf Luxemburg », sagt Sven Giegold im Gespräch mit REPORTER. Das Großherzogtum blockiere schließlich im EU-Rat den Beschluss über die länderbezogenen Steuerberichterstattungen für Großunternehmen. « Die Studie darf man nicht auf das Komma genau nehmen, doch sie gibt eine gute Annäherung an die Realität. Und die ist im Fall Luxemburgs krass », so Giegold.
Patientenakten aus Tschechien
Es gibt grünes Licht für den Austausch von Patientenkurzakten zwischen Luxemburg und Tschechien. Das verkündete die EU-Kommission vergangene Woche. Hintergrund ist das Pilotprojekt der EU über den systematischen Austausch von elektronischen Patientenakten und Verschreibungen via eine digitale Plattform. REPORTER hatte im Mai über das Projekt berichtet.
Ganz korrekt war das Presseschreiben aber nicht. Wie sich herausstellt, kann Luxemburg zum jetzigen Zeitpunkt lediglich die Daten von Patienten aus Tschechien abrufen, selbst aber noch keine Daten teilen. Das jedenfalls erklärte die Kommission auf Nachfrage. Vom Gesundheitsministerium heißt es jedoch, dass auch dieser Austausch aktuell noch nicht mit « realen Daten » stattfinden könne. Die entsprechenden Prozeduren seien noch nicht abgeschlossen.
In der Praxis ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass diese Neuerung den hiesigen Ärzten hilft. Dass ein tschechischer Patient vor seiner Reise nach Luxemburg auf die Idee kommt, seinen Arzt darum zu bitten, das eHealth-System mit seinen Daten zu füttern und dann in Luxemburg zum Arzt muss, ist wohl eher unwahrscheinlich.
Das, zusammen mit der scheinbar dürftigen Abstimmung zwischen Brüssel und Luxemburg, könnte auch erklären, wieso das Gesundheitsministerium das Projekt bis heute nicht kommuniziert hat. Dass das Großherzogtum bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems weiterhin hinterher hinkt, dürfte auch noch eine Rolle spielen.
Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua
In der vergangenen Woche haben die EU-Außenminister auch über die Lage in Nicaragua beraten. Seit April demonstrieren Bürger gegen die dortige autoritäre Regierung Daniel Ortegas. Die Proteste werden von den Sicherheitskräften des zentralamerikanischen Staates brutal unterdrückt. Insbesondere Nichtregierungsorganisationen und Oppositionelle werden mit Berufung auf Anti-Terrorgesetze willkürlich festgenommen. Rund 300 Menschen sind inzwischen bei den Protesten ums Leben gekommen. Die Dunkelziffer könnte laut Beobachtern aber weitaus höher liegen. Humanitäre Organisationen werfen dem Regime Ortegas zudem schwere Menschenrechtsverletzungen vor.
In seinen Schlussfolgerungen verurteilt der Rat der Außenminister die Vorkommnisse im lateinamerikanischen Staat. Sanktionen wurden – im Gegensatz zu den USA – bisher keine beschlossen, doch die EU werde „sämtliche ihr zur Verfügung stehenden politischen Instrumente nutzen, um zu einer friedlich verhandelten Beilegung der gegenwärtigen Krise beizutragen.“
Nicaraguas Oppositionsführer Felix Maradiaga ist einer der schärfsten Kritiker Ortegas. Gegen ihn wurde ein auf Anti-Terrorgesetzen basierender Haftbefehl erlassen. Im Gespräch mit REPORTER vor wenigen Wochen kritisierte er nicht nur die EU, sondern insbesondere die Luxemburger Regierung dafür, nicht genug gegen die Unterdrückung der Opposition in Nicaragua zu unternehmen.
Der lateinamerikanische Staat ist seit den 1990er Jahren ein wichtiger Partner der Entwicklungshilfe Luxemburgs. Seit den Protesten liegt die Zusammenarbeit aber auf Eis. « Das reicht nicht. Luxemburg muss sich noch viel klarer positionieren », lautet der Vorwurf Maradiagas.
Wegen der Unruhen hat Luxemburg vorerst keine neue Kooperationspartnerschaft (PiC) mit Nicragua beschlossen. Nicaragua könnte sogar als Zielland wegfallen, sagte die neue Entwicklungsministerin Paulette Lenert erst kürzlich bei einem Treffen mit Außenpolitikern im Parlament. « Man solle die Brücken aber nicht vollends einreißen », kommentierte Armand Drews vom « Cercle de Coopération » diese Haltung bei Radio 100,7.
Uneinigkeit in der EU-Außenpolitik
Auch in Venezuela ist die politische Krise eskaliert, nachdem sich der Chef des Parlamentes, Juan Guaidó, zum Übergangs-Präsidenten erklärt hatte. Hunderte Menschen wurden bei Protesten festgenommen. Der US-Präsident Donald Trump hat den Oppositionsführer sofort als rechtmäßigen Präsidenten anerkannt. Er forderte die westlichen Staaten dazu auf, es ihm gleichzutun.
The citizens of Venezuela have suffered for too long at the hands of the illegitimate Maduro regime. Today, I have officially recognized the President of the Venezuelan National Assembly, Juan Guaido, as the Interim President of Venezuela. https://t.co/WItWPiG9jK
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) January 23, 2019
Brüssel scheint sich über seine Position in der Venezuela-Krise jedoch uneinig zu sein. Die EU-Vertreterin für Außenpolitik Federica Mogherini sprach sich für « glaubwürdige » Neuwahlen im « Einklang mit der Verfassung » aus. Sie vermied es aber, Guaidó namentlich zu erwähnen, als sie dem venezolanischen Parlament ihre Unterstützung zusagte.
Der Ratspräsident Donald Tusk positionierte sich dagegen deutlich klarer, genau wie etwa die Außenminister Deutschlands, Dänemarks und Großbritanniens. Tusk tweetete, dass die Nationalversammlung im Gegensatz zu Nicolás Maduro ein rechtmäßiges Mandat habe. Der ehemalige schwedische Außenminister Carl Bildt bemerkte prompt den Mangel an Koordination zwischen den beiden EU-Vertetern und fragte sich, ob Brüssel überhaupt noch eine gemeinsame Position in außenpolitischen Fragen hat.
Declaration by @FedericaMog on behalf of the EU on latest developments in #Venezuela
« The civil rights, freedom and safety of all members of the National Assembly, including its President, @jguaido, need to be observed and fully respected. »
Full text: https://t.co/clPr2Syohq
— EU Council Press (@EUCouncilPress) January 23, 2019
I hope that all of Europe will unite in support of democratic forces in #Venezuela. Unlike Maduro, the parliamentary assembly, including Juan Guaido have a democratic mandate from Venezuelan citizens.
— Donald Tusk (@eucopresident) January 23, 2019
That’s OK, but it’s less than what @eucopresident just said. How about some proper coordination in Brussels? Can we have a common Brussels foreign policy? https://t.co/HfuJZHiIn5
— Carl Bildt (@carlbildt) January 23, 2019
In einem weiteren Statement am Samstag wiederholte Mogherini zwar, dass die EU sich hinter die Nationalversammlung stelle. Und betonte: Ohne faire, demokratische Wahlen werde die EU die Staatsführung Venezuelas nicht anerkennen – und widersprach damit direkt ihrem Brüsseler Kollegen Donald Tusk und so manchem Außenminister.
Declaration by @FedericaMog on behalf of the EU on #Venezuela:
> EU asks for announcement on organisation of fresh elections over the next days
> If not, « the EU will take further actions, including on the issue of recognition of the country’s leadership »https://t.co/XYI44OMpb9— EU Council Press (@EUCouncilPress) January 26, 2019
Übrigens war es nicht der einzige Fall, auf den diese Frage nach einer gemeinsamen EU-Position in außenpolitischen Fragen passt. Der griechische Migrationskommissar Dimitri Avramopoulos zum Beispiel hat sich der offiziellen Position der EU-Kommission zum Trotz gegen das Prespa-Abkommen gestellt, bei dem es um die Namensänderung Mazedoniens geht. Am Freitag hatte das griechische Parlament das Abkommen ratifiziert.