Entspannt arbeiten, Zeit individuell einteilen, keine langen Fahrten ins Büro: Home Office soll Arbeitnehmern mehr Flexibilität und die Möglichkeit bieten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. So zumindest die Theorie. Für Mütter sieht die Realität aber oft anders aus.

Das Geschlecht spielt im Berufsleben keine Rolle mehr? Vielleicht ist das Wunschdenken, vielleicht auch nur ein Irrtum. Denn es reicht, sich das Konzept des Home Office anzuschauen, um zu sehen, dass Geschlechtergerechtigkeit im Beruf heute noch keine Wirklichkeit ist. Zumindest nicht, wenn Kinder ins Spiel kommen. Dabei hat gerade dieses Konzept genau das zum Ziel: Familienleben und Job vereinen, eine bessere Work-Life-Balance schaffen, Frauen und Männern die Möglichkeit bieten, für die Kinder da zu sein, ohne auf die Karriere verzichten zu müssen.

« Die Mutter arbeitet, wenn das Kind schläft », sagt Dr. Christel Baltes-Löhr. Frauen, die von zu Hause aus berufstätig sind und Kinder haben, unterbrechen ihre Arbeit gerne für den Nachwuchs. Sie sitzen dann aber abends länger am Schreibtisch. Das Problem ist für die Gender-Expertin der Universität Luxemburg offensichtlich: Für Mütter ist Home Office nicht immer die bessere Option – auch, wenn es gerne so dargestellt wird.

« Natürlich hat das Kind Priorität, wenn man von zu Hause aus arbeitet. Das ist auch verständlich. Doch die Ablenkung von der Arbeit ist dann groß », so die Forscherin.

Kind, Arbeit, Haushalt – eine Frage der Verantwortung

Das Problem des Home Office Konzeptes für Mütter: Sie sind immer zu Hause. Um Emails zu checken oder Telefonate zu führen, aber auch um mit dem Kind zu spielen oder die Wäsche zu machen. Die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatwelt verschwimmen, lösen sich gar komplett auf. Mehr Zeit zu Hause und für die Kinder? Sicherlich. Dass sie aber beruflich nicht doch zurückstecken? Fraglich.

Bei Vätern ist die Lage theoretisch die gleiche – dennoch ist für sie Home Office einfacher umzusetzen. « Weil sie häufiger Hilfe um sich haben », so Baltes-Löhr. Und das sei in der Regel die Frau.

Für die Einschätzungen von Christel Baltes-Löhr gibt es Belege. Erst kürzlich wurde eine deutsche Studie veröffentlicht, die sagt: Durch Home Office lassen sich bei Frauen Job und Familienleben nicht notgedrungen besser vereinen. Eher das Gegenteil sei der Fall.

Das Bild einer Frau, die sich um die Kinder kümmert, wird durch flexibles Arbeiten nur verstärkt. Eben weil erst das Kind und dann die Arbeit kommt. Beides zusammen von zu Hause aus machen? Laut der Studie eher eine Doppelbelastung statt eine Entlastung. « Väter arbeiten in der Regel en bloc und teilen sich anders als Frauen nicht auf », so Yvonne Lott, Verfasserin der Studie im Gespräch mit der Zeit. Auch, weil die Hauptverantwortung bei der Frau liegt.

« Natürlich ist Haushalt und Kinderbetreuung eine Frage der Verantwortung. Und die liegt heute meistens noch bei der Frau », sagt auch Christel Baltes-Löhr. « Wenn die Frau das Gefühl hat, sie müsste ihren Mann an Aufgaben im Haushalt erinnern, dann zeigt das, wer sich dafür verantwortlich fühlt. »

Was die Studie außerdem zeigt: Sowohl Mütter als auch Väter arbeiten im Home Office länger. Frauen im Home Office arbeiten eine Stunde mehr pro Woche als Frauen, die ins Büro fahren. Bei Vätern sind es zwei Stunden mehr für diejenigen, die zu Hause arbeiten.

Die Aufgabenverteilung verschiebt sich mit Kindern

In ihren Studien unterscheidet Baltes-Löhr zwischen fünf unterschiedlichen Geschlechter-Modellen (siehe Kasten). Welche Rolle ein Paar für gut befindet, hängt damit zusammen, ob es Kinder hat oder nicht. Eine Umfrage aus dem Jahr 2010 zeigt: Paare befürworten ein egalitäres Geschlechtermodell (beide berufstätig, beide teilen sich den Haushalt) – allerdings nur dann, wenn sie noch keine Kinder haben.

Unterschiedliche Geschlechtermodelle (Quelle: Christel Baltes-Löhr: Frauen und (Erwerbs-)Arbeit: gestern – heute – in Zukunft)

– Traditionelles Hausfrauenmodell: Der Mann ist berufstätig in Vollzeitbeschäftigung. Die Frau ist zuständig für Haushalt, Kindererziehung, Pflege.

– Doppelbelastung der Frau: Der Mann ist berufstätig in Vollzeitbeschäftigung. Die Frau ist berufstätig in Teilzeitbeschäftigung und zuständig für Haushalt, Kinderziehung, Pflege.

– Egalitäres Geschlechtermodell: Mann und Frau sind beide berufstätig und teilen sich Haushalt, Kindererziehung, Pflege.

– Doppelbelastung des Mannes: Der Mann ist berufstätig in Teilzeitbeschäftigung und zuständig für Haushalt, Kindererziehung, Pflege. Die Frau ist berufstätig in Vollzeitbeschäftigung.

– Hausmannmodell: Der Mann ist zuständig für Haushalt, Kindererziehung, Pflege. Die Frau ist berufstätig in Vollzeitbeschäftigung.

Gibt es Kinder, liegt die Verantwortung meist zu einem Großteil bei der Mutter. Laut Baltes-Löhr gibt es nur wenig Befürwortung für eine Umkehrung der Geschlechterrollen (der Mann bleibt zu Hause) oder für eine Doppelbelastung des Mannes. Allerdings findet auch das klassische Hausfrauenmodell wenig Zuspruch. In der Befragung von 2010 liegt der Wert hier bei zwölf Prozent.

Übrig bleiben demnach die egalitäre Aufteilung und die Doppelbelastung der Frau. Statistisch gesehen übernehmen aber Frauen den Großteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung. Laut Statec-Studie von 2016 sind es bei Frauen täglich rund vier Stunden, bei Männern zwei.

Männern wird öfter Home Office angeboten als Frauen

Dabei ist Home Office in Luxemburg durchaus beliebt. Sechs Prozent der Arbeitnehmer arbeiten von zu Hause aus. Der europäische Durchschnitt liegt bei drei Prozent. Ein klarer Vorteil für Arbeitnehmer: Sie stecken nicht im Verkehr fest. Gerade in einem Land mit vielen Grenzgängern ist das ein Punkt, der klar für Telearbeit spricht.

Allerdings wird Home Office gerne als Konzept für Frauen beworben, hierzulande profitieren aber vor allem Männer und « hochqualifizierte Führungskräfte » davon. Das Luxembourg Institute of Socio-Economic Reseach (LISER) weist in seiner Studie zum Thema Home Office darauf hin, dass 28 Prozent der befragten Männer angeben, ihr Unternehmen ermögliche ihnen Home Office. Bei den befragten Frauen sind es nur 20 Prozent.

Telearbeit diene aber letztlich dazu, Frauen im Beruf zu fördern, so die LISER-Studie. Ob das so ist, ist nicht bewiesen. Fest steht aber: Sogar wenn es so wäre, könnten Frauen in Luxemburg nur geringfügig davon profitieren.

Für Christel Baltes-Löhr steht fest: Home Office hat seine Vorteile – einerseits, wenn man dadurch lange Strecken einsparen kann. Andererseits « wenn man einen Ort zu Hause hat, an dem man konzentriert arbeiten kann ». Nur wer seine Arbeitsweise und -zeit kontrolliert, kann daraus Profit ziehen.