Hitler-Geburtstagsfeier, Skinhead-Musikfestivals und nun auch noch eine Tagung der in Teilen rechtsextremen Deutschen Burschenschaft: Die französische Nachbarregion Grand-Est ist zu einem beliebten Treffpunkt für rechte Kräfte aus ganz Europa geworden.

„Fortbestand des Deutschen Volkes in einer multikulturellen Mehrheitsgesellschaft“: So ist eine Veranstaltung überschrieben, die kürzlich in der Nähe von Colmar stattgefunden hat. Die zweitägige „Verbandstagung“ wurde organisiert von der stramm rechten, in Teilen völkisch eingestellten „Deutschen Burschenschaft“, dem Dachverband mehrerer Studentenverbindungen aus Deutschland und Österreich.

An seinem historischen Stammsitz, der Wartburg, im thüringischen Eisenach, ist der Verband wegen seines anhaltenden Rechtsrucks schon seit 2014 nicht mehr willkommen. Doch die „Deutsche Burschenschaft“ ist nicht die einzige ultrarechte Vereinigung, die für Veranstaltungen nach Ostfrankreich ausweicht. Insbesondere Elsass und Lothringen haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zum regelrechten Hort für Rechtsextreme entwickelt.

Deutsche Rechtsradikale müssen ausweichen

Das Beispiel des Burschenschafter-Wochenendes steht exemplarisch für die Taktik vieler Rechtsextremer. Angemeldet als „privates Treffen ehemaliger Studenten“, mussten die Vermieter der Veranstaltungsorte erst über den tatsächlichen Grund ins Bild gesetzt werden. Erst nachdem die lokale Zeitung „L‘Alsace“ anfragte, hagelte es gleich mehrere Absagen.

„Als ich erfuhr, worum es sich handelte, glaubte ich, ich fall‘ vom Stuhl“, erklärte Élisabeth Clor, Leiterin des Zweckverbands Burg Hohlandsberg, auf der große Teile der Tagung stattfinden sollten. Nach Rücksprache mit Kollegen sagte sie schließlich ab. Man wolle den Rechten keine Bühne bieten, hieß es.

Teile des Burschenschaftsspektrums weisen inhaltliche und personelle Überschneidungen mit der extremen Rechten auf. »
Bundeszentrale für politische Bildung

Ein offenbar mit den Burschenschaftlern sympathisierender Winzer habe sich erst auf Bitten der Gendarmerie gebeugt, verriet die Zeitung weiter. Dass die Tagung tatsächlich stattgefunden hat, davon zeugen Fotos auf dem Facebook-Profil eines Referenten. Letztlich nahm ein befreundeter Hotelier aus Guebwiller die Gruppe auf.

„Das waren junge Männer aus gutem Hause“, lobte der Hotelier auf Nachfrage. „Sie sahen ein wenig aus wie Klassenbeste.“ Die Herren hätten bei ihm einen ausgelassenen Abend verbracht, ein wenig gesungen und am Ende artig die Rechnung bezahlt. Die politische Ausrichtung der Gruppe sei ihm egal, „solange es keine Schlägereien gibt“.

Überschneidungen mit der extremen Rechten

Die „Deutsche Burschenschaft“ bezeichnet sich selbst als den „größten, traditionsreichsten und bedeutendsten burschenschaftlichen Akademikerverband im deutschen Kulturraum“. Dass der Verband unter anderem wegen der Diskussion über einen sogenannten „Arier-Paragrafen“ zuletzt zahlreiche Mitgliedsverbände verloren hat, wird auf der eigenen Webseite freilich nicht thematisiert.

„Teile des Burschenschaftsspektrums weisen inhaltliche und personelle Überschneidungen mit der extremen Rechten auf“, warnt derweil die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung. Der deutsche Verfassungsschutz beobachtet gleich mehrere Mitgliederverbände.

So ist beispielsweise die „Danubia München“ schon seit Jahren im Visier des bayrischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Im jüngsten Jahresbericht der Behörde steht, dass die Danubia „rechtsextremistische Mitglieder“ habe, die unter anderem Kontakte pflegten zum „Bastion Social“, einer mittlerweile verbotenen faschistischen Gruppierung mit Sitz in Straßburg. Auch andere Mitgliedsverbände pflegen offen Verbindungen zu Rechtsextremen nach Frankreich.

Von AfD-Anhängern und Skinhead-Netzwerken

Worüber diesmal im Elsass referiert werden sollte, lässt sich im internen Programm nachlesen, das REPORTER vorliegt. Als Redner angekündigt war demnach unter anderen Dimitrios Kisoudis, Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hess. Kisoudis Vortrag zum Thema „Staat und Volk im Lauf der Zeit“ wurde mit folgenden Worten vorgestellt: „Migration stellt die Nation in Frage. Die Homogenität des Staatsvolks geht verloren, der Tribalismus kehrt zurück.“

Der zweite Redner, der Thüringer AfD-Mitarbeiter Jens Lange, sollte unter seinem Pseudonym „Johann Felix Baldig“ auftreten. Ein weiterer angekündigter Redner war Dubravko Mandic, Rechtsanwalt und Mitglied der für die Tagung verantwortlichen Burschenschaft Saxo-Silesia. Mandic war voriges Jahr wegen fünffacher Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Deutsche Burschenschafter Mitte November im französischen Colmar. (Foto: Robert Schmidt)

Laut Recherchen von REPORTER kam es in jüngster Vergangenheit im grenznahen Frankreich zu weiteren Treffen von Rechtsradikalen. Bereits Anfang November trafen sich im elsässischen Dorf Plaine rund 250 Anhänger des internationalen Skinhead-Netzwerks Hammerskins. Beim „Hammerfest“, dem jährlich an wechselnden Orten organisierten internationalen Musik-Festival des Netzwerkes, traten diverse Szenebands aus verschiedenen Ländern auf. Unter anderem mit dabei war die Berliner Neonazi-Band « Kraft durch Froide ». In Deutschland finden die glühenden NS-Verehrer, deren Alben dort teilweise indiziert sind, nur noch selten Auftrittsorte.

Rechte Musik-Festivals mit Gewaltpotenzial

Laut dem deutschen Verfassungsschutz ist die Hammerskin-Szene von „Rassismus und Neonationalsozialismus geprägt“. Ziele seien die Erhaltung der „Reinheit der weißen Rasse“ sowie die Vereinigung aller rechtsextremistischen weißen Skinheads in einer weltweiten „Hammerskin Nation“. In Verfassungsschutz-Berichten sind diverse Gewalttaten von Szenemitgliedern dokumentiert. Wegen gefährlicher Körperverletzung waren unter anderem drei saarländische Hammerskins im Jahr 2013 vom Stuttgarter Landgericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Sie hatten sich im grenznahen Winterbach an einer brutalen Hetzjagd auf Migranten beteiligt.

Musik mit rechtsextremistischen Inhalten hat eine wichtige Funktion für die rechtsextremistische Szene und ist ein bedeutendes Medium für Radikalisierung wie Rekrutierung. »Deutscher Verfassungsschutz

Auch der Verfassungsschutz Baden-Württemberg warnt: In der „rechtsextremistischen Skinheadszene hat sich durch die Gemengelage aus diffusem politischem Weltbild, ausgeprägter Gewaltbereitschaft und deutlich verminderter Hemmschwelle durch hohen Alkoholkonsum ein besonderes Gefahrenpotenzial entwickelt.“ Dabei seien „jederzeit spontane gewalttätige Aktionen möglich, die sich vollkommen wahllos gegen jeden richten können, der in den Augen dieser Personen als fremd oder ‚undeutsch‘ erscheint.“

Umso überraschender erscheint es daher, dass die elsässische Gendarmerie für die Veranstaltung nicht einmal eine Handvoll Beamte bereit gestellt hatte. Eine Sprecherin der zuständigen Präfektur wollte die Zahl der eingesetzten Gendarmen nicht kommentieren.

Anmeldung für ein « Sport-Wochenende »

Pierre Grandadam, Bürgermeister der betroffenen Gemeinde, verriet dagegen einige brisante Details zur Organisation der jüngsten Veranstaltung. „Die haben uns reingelegt“, klagte er im Gespräch mit REPORTER. Der Veranstaltungsort, eine große Mehrzweckhalle, sei eigentlich für ein „Sport-Wochenende“ angemietet worden. Der „überwiegend von Deutschen besuchte“ Konzertabend sei von einem Bewohner aus dem Nachbardorf angemeldet worden, dem er „gutgläubig vertraut“ habe.

Ihn mache die Sache „unglaublich traurig“, so Pierre Grandadam weiter. Solche Veranstaltungen würden schließlich nicht nur rechte Gewalt verharmlosen, sie brächten auch andere auf „dumme Gedanken“. Ein krasses Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Im Herbst 2013 wurde in Colmar ein damals 29-Jähriger zu zehn Jahren Haft verurteilt, weil er aus rassistischen Motiven mehrere Häuser in Brand gesetzt hatte, in denen Türken wohnten. Der Täter, ein Hammerskin-Fan, sagte damals aus: „Anfangs mochte ich nur die Musik, irgendwann wollte ich das auch in die Tat umsetzen.“

Geburtstagsfeier « zu Ehren unseres geliebten Opas »

In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Veranstaltungen der rechten Szene in Lothringen und im Elsass dokumentiert. Zwischen 2011 und 2017 nutzte etwa die Hammerskin-Gemeinschaft ein eigenes Gartengrundstück im grenznahen lothringischen Volmunster – laut Verfassungsschutz – für „musikalische Großereignisse“.

Seit Anfang 2018 ist damit Schluss: Der Grundstückbesitzer, Robert K., Schlagzeuger einer Szeneband aus dem Saarland, hatte vor Ort einen Gedenkstein zu Ehren der Waffen-SS aufgestellt. Seitdem ermittelt die Saargemünder Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen „Verharmlosung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, bisher ohne Ergebnis.

Im November des darauffolgenden Jahres gab es bereits einmal ein europäisches Hammerfest in Ostfrankreich: In Toul kamen damals noch 1.500 Teilnehmern zusammen. In der 15.000-Einwohner-Stadt bei Nancy betrieb ein Lothringer Hammerskin ein Lokal, die „Taverne de Thor“, die nach anhaltendem Protest der Bevölkerung wenig später in das Dorf Combres-sous-les-côtes ausgewichen ist. Dort gehört Hammerskins eine Scheune, in der sowohl Konzerte als auch „Free fights“ stattfinden.

Zuletzt organisierten die Lothringer Hammerskins am 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, im lothringischen Sexey-aux-Forges einen Konzert-Abend mit wenigstens 100 Teilnehmern – „zu Ehren unseres geliebten Opas“, wie es auf Facebook hieß. Auch hier war die französische Gendarmerie mit nicht einmal einer Handvoll Beamten im Einsatz.