Die Tradition der « Parteipresse » ist in Luxemburg längst nicht überwunden. Das zeigt sich besonders im Wahlkampf. Politiker mischen sich ungeniert in die journalistische Arbeit ein und erschweren damit eine unabhängige Berichterstattung. Ein Blick hinter die Kulissen.
„Journalisten dürfen schreiben, was sie wollen, aber…“ Luc Frieden wählt seine Worte behutsam, wenn er nach den Gründen für seinen Eingriff in das redaktionelle Tagesgeschäft des „Luxemburger Wort“ gefragt wird. „Journalisten dürfen schreiben, was sie wollen, aber nur im Rahmen, der vom Verwaltungsrat festgelegt wurde“, sagt der Ex-Minister und Verwaltungsratschef von Saint-Paul, dem Herausgeber der größten und traditionsreichsten luxemburgischen Tageszeitung, schließlich. Die redaktionelle Unabhängigkeit habe eben doch ihre Grenzen. Aber der Reihe nach.
Mit dem forcierten Abgang von Jean-Lou Siweck als Chefredakteur des „Luxemburger Wort“ wurde der Rahmen der vertretbaren journalistischen Freiheit neu ausgerichtet. „Bistum orientéiert d’Wort nees méi no riets“, „Die kalte Rache des Luc Frieden“, lauteten die Schlagzeilen. Knapp zwei Wochen vor den Gemeindewahlen sollte sich das „Wort“ wieder als politische Gesinnungszeitung profilieren. Die kurze, aber intensive Aufregung in manchen Medien über Friedens Vorgehen ist heute längst wieder verflogen. Das „Wort“ will wieder das „Wort“ sein. „Mitte-Rechts“. War sonst noch was?
Der geschilderte Vorgang ist jedoch selbst für Luxemburg bemerkenswert. Auch in einem Land, in dem die Tradition der Parteipresse immer noch stärker nachwirkt als anderswo, ist der unmittelbare Einfluss eines Parteipolitikers auf die redaktionelle Linie einer Zeitung keine alltägliche Vorgehensweise. Angesichts der fortwirkenden Verflechtungen zwischen Parteien und Presseorganen ist die Episode jedoch nur die Spitze des Eisbergs.
Ein Parteipolitiker mischt sich ein
Es lohnt allerdings, sich einen Moment zu vergegenwärtigen, was an jenem Donnerstag, dem 21. September 2017, passiert ist. Für die „Wort“-Redaktion sollte sich an diesem Tag einiges ändern. Die Belegschaft hatte sich gerade erst vom Schock des angekündigten Abgangs ihres Chefredakteurs erholt, da meldete sich ihr oberster Chef an, um die Entscheidung zu erklären. Luc Frieden stellte sich am Newsdesk den Fragen der Journalisten. Hier, im Herzen der Redaktion, verkündete der Verwaltungsratsvorsitzende den „Rechtsruck“ und räumte damit ganz freimütig ein, dass es sich letztlich um eine politische Entscheidung handelte. Die Ära Siweck und damit die interne Leitlinie des „Die CSV ist nur eine Partei von vielen“ nahm so ein jähes Ende.
Die Zeitung ist eigentlich gut, aber die Frage war, was wir mit ihr in den kommenden Jahren noch anfangen wollen. »Luc Frieden, Verwaltungsratspräsident von Saint-Paul
Die bemerkenswerte Episode am Newsdesk war allerdings nur der Höhepunkt einer sich schon länger anbahnenden Entwicklung. Luc Frieden, seit dem 1. Februar 2016 Verwaltungsratspräsident des Medienkonzerns Saint-Paul, hatte den Kurswechsel hinter den Kulissen seit Monaten vorbereitet. Anfang Juni schon hatte er in einer internen Sitzung mit Journalisten seine Agenda ziemlich unmissverständlich vorgetragen. Er höre immer wieder, dass sich Leser eine „klarere politische und inhaltliche Linie“ der Zeitung wünschten, hieß es dort etwa seitens des CSV-Politikers. Ganz frei heraus fragte Frieden die Anwesenden, was sie dem Aktionär noch anzubieten hätten. Und schließlich: Ob es für die Journalisten denn problematisch wäre, wenn er parallel zu seinem Amt als Verwaltungsratspräsident politische Ambitionen verfolgen würde. Konkret war vom Posten des Luxemburger EU-Kommissars die Rede.
Dass bereits die Nominierung eines CSV-Politikers als Präsident eines Medienbetriebs für einige Journalisten ein Problem darstellte, konnte Frieden dagegen nicht nachvollziehen. Passend dazu bot sich der Ex-Minister der Redaktion in der Folgezeit immer wieder auch selbst als möglicher Experte und Interviewpartner bei Themen wie der internationalen Steuerpolitik oder dem „Brexit“ an, um so seine persönliche Agenda voranzutreiben. Von REPORTER zu seinen politischen Ambitionen befragt, kündigt Luc Frieden jetzt allerdings an, dass er für den Fall eines Comebacks in die aktive Politik seinen Posten als Verwaltungsratschef von Saint-Paul verlassen werde.
Luc Friedens Machtdemonstration
Friedens Auftritt im Juni war eine wenig subtile Machtdemonstration, die von Beteiligten auch als solche empfunden wurde. Der Clash zwischen Verwaltungsratschef und Chefredakteur war vorprogrammiert. Man werde dem Ganzen „nicht mehr lange tatenlos zuschauen“, hieß es laut gut unterrichteten Kreisen schon zu Beginn dieses Jahres in einer Sitzung des Verwaltungsrats. Die Initiative zum Eingreifen in das redaktionelle Gefüge sei demnach auch nicht vom Bistum als Aktionär ausgegangen, sondern vom Verwaltungsrat, der sich dazu in Person seines Präsidenten Luc Frieden vom Erzbischof lediglich Rückendeckung zusichern ließ.
Luc Frieden bestätigt im Nachhinein diese Darstellung. Die Entscheidung, sich von Chefredakteur Siweck zu trennen, sei „das Resultat von vielen Diskussionen im Verwaltungsrat gewesen“, so Frieden im Gespräch mit REPORTER. Es sei vor allem um die grundsätzliche Frage gegangen, „ob eine Zeitung eine Meinung, eine klare politische Tendenz haben soll oder nicht“. Der Verwaltungsrat sei sich einig gewesen: „Das Wort soll eine klare Tendenz haben, einen roten Faden in der Betrachtung und Abbildung der Gesellschaft.“ Der Ausdruck „Mitte-Rechts“, den Frieden bei seinem Auftritt am Newsdesk verwendete, sei im Rückblick „vielleicht etwas unglücklich gewählt“, räumt der CSV-Politiker heute ein. Fest stand für ihn ferner: „Die Zeitung ist eigentlich gut, aber die Frage war, was wir mit ihr in den kommenden Jahren noch anfangen wollen.“
Laut mehreren gut informierten Quellen ging die Unzufriedenheit des Verwaltungsrats mit der redaktionellen Linie allerdings ziemlich weit. Seitens des Verwaltungsrats sei sich immer wieder und immer offener auch über Kleinigkeiten beschwert worden. Die Balance zwischen Meinungsbeiträgen von CSV-Politikern und externen Autoren von anderen Parteien stimme nicht mehr, hieß es da etwa. Pressekonferenzen der Christsozialen würden nicht gebührend behandelt, Äußerungen von Friedens Parteikollegen mitunter zu kritisch hinterfragt, Fotos von CSV-Abgeordneten in der Zeitung zu klein abgedruckt.

Nach und nach wurden denn auch drei thematische Komplexe ausgemacht, um die Unzufriedenheit von Aktionär und Verwaltungsrat mit der Siweck’schen Öffnung der Zeitung zu veranschaulichen: Erstens: Kirchenvertreter würden sich nicht mehr in der Ligne éditoriale wiederfinden bzw. wie es Erzbischof Jean-Claude Hollerich kürzlich im RTL-Interview ungewöhnlich offenherzig auf den Punkt brachte: „Et huet een ganz vill Kloen héieren, dass Leit vun der Kierch hier Saachen net méi rakritt hunn.“ Zweitens: Die angestrebte parteipolitische Äquidistanz habe ihre Grenzen, will heißen: Die CSV fühlte sich in der Berichterstattung der vergangenen Jahre zumindest unterrepräsentiert. Drittens: Allzu kritischer Wirtschaftsjournalismus sei nicht mehr erwünscht; ein Befund, der in den Augen des mit Vertretern des Bankensektors bestückten Verwaltungsrats besonders durch einen Artikel des „Wort“-Journalisten Pierre Sorlut bzw. das daran anschließende juristische Nachspiel weiter untermauert wurde.
Im Aufsichtsgremium von Saint-Paul sitzen neben dem Ex-Minister und CSV-Politiker Luc Frieden, der ebenso Verwaltungsratsvorsitzender der BIL, der Hausbank von Saint-Paul, und Partner bei der Anwaltskanzlei „Elvinger Hoss Prussen“ ist, übrigens: François Pauly (u.a. früherer Verwaltungsratschef der BIL und heutiger Präsident der Compagnie Financière La Luxembourgeoise), Frank Wagener (u.a. ebenso früherer Verwaltungsratschef der BIL und langjähriger Präsident der Luxemburger Börse), Marcel Gross (früherer Generaldirektor der Post), Marc Wagener (Vorstandschef des Aktionärs Lafayette S.A. und Chefökonom des Erzbistums) sowie Hortense Bentz (ehemalige Journalistin bei Saint-Paul).
Eine Frage der „Gouvernance“
Jean-Lou Siweck musste demnach vor allem gehen, weil er in den besagten redaktionellen Fragen, die also in seinen Kompetenzbereich fielen, nicht zu Kompromissen mit dem Verwaltungsrat bereit war. „Eine Redaktion muss unabhängig sein“, sagte er schon in seinem Antrittsinterview im „Wort“ am 9. November 2013. Auch dies bestätigt Luc Frieden übrigens im Rückblick, zumindest implizit. „Wir hatten stets ein offenes und konstruktives Verhältnis, aber auch in vielen Punkten der Umsetzung der Ligne éditoriale unterschiedliche Positionen. Der Chefredakteur war in den allermeisten Punkten letztlich nicht zu Veränderungen bereit.“ Es sei „wie im Fußball“, so Frieden weiter. „Manchmal muss man eben den Trainer wechseln, um seine Ziele besser zu erreichen.“
Wir sind die größte Zeitung im Land und die CSV ist nur eine Partei von vielen. »Jean-Lou Siweck, Ex-Chefredakteur des « Luxemburger Wort »
Welche Ziele sind das? „Wir wollen eine Zeitung, die werteorientiert und in der Mitte der Gesellschaft verankert ist. Es geht um die Verteidigung der liberalen Demokratie, der Institutionen, des christlichen Menschenbildes und eine positive Sicht auf die Wirtschaft. Das ist meine Vision einer modernen Zeitung“, sagt Luc Frieden. Letztlich handele es sich aber auch um eine Frage der „Gouvernance“. Der Aktionär ernenne die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Verwaltungsrat bestimme wiederum den Chefredakteur und wache über die Einhaltung der „ligne éditoriale“.
Bistumsfreundlichere Berichterstattung, Wiederannäherung an die CSV und ein eher wohlwollendes Beäugen der Wirtschaftsakteure des Landes: Seit dem „Coup“ von Luc Frieden scheint die Dreifaltigkeit des politisch-ideologischen Einflusses beim „Wort“ und damit die klassische Interpretation der „ligne éditoriale“ jedenfalls wieder intakt.
Dass die politischen Zügel bei Saint-Paul wieder angezogen werden, ist indes nicht allzu überraschend. Der Termin der Nationalwahlen im kommenden Jahr rückt immer näher. Und die Reihen der einst so machtvollen und verschworenen „C-Familie“ schließen sich. Die Interessengemeinschaft aus Erzbistum, CSV, Saint-Paul und weiteren christlich-konservativen Kräften der Gesellschaft ist zwar längst nicht mehr so eng verflochten wie noch vor einigen Jahrzehnten. Von der bewährten „Symbiose“ zwischen Bistum, Partei und „Quasi-Parteizeitung“, wie es der frühere Direktor für religiöse Fragen bei Saint-Paul, Georges Hellinghausen, einst ausdrückte, war man auch schon vor Siwecks Antritt als Chefredakteur weit entfernt.
Der direkte Draht zur Redaktion
Doch völlig abgebrochen sind die privilegierten Beziehungen innerhalb der christlich-konservativen „Gesinnungsgemeinschaft“ (Hellinghausen) freilich nicht. Zur Veranschaulichung genügt ein Blick in die Vor-Siweck-Ära: Noch vor einigen Jahren traf man sich in der früheren Dienstwohnung des ehemaligen starken Mannes von Saint-Paul, Abbé André Heiderscheid. In unter Eingeweihten so genannten „Kamingesprächen“ stimmte man hier die Vorgehensweise bei der Verfolgung gemeinsamer Interessen ab. Mit dabei waren meist der jeweilige Verwaltungsratspräsident und der Generaldirektor von Saint-Paul, der Chefredakteur des „Luxemburger Wort“, Vertreter der Partei- und Fraktionsspitze der CSV sowie der Generalsekretär der Gewerkschaft LCGB.
Vor den vergangenen Nationalwahlen stieß die CSV bei ihrem vertrauten „Sprachrohr“ jedenfalls noch auf offene Ohren. Im Wahlkampf 2013 war zudem der direkte Draht zwischen CSV-Generalsekretariat, CSV-Fraktion, Junckers Staatsministerium und der Chefredaktion noch intakt. Beschwerden von CSV-Politikern über zu kritische Artikel wurden von Teilen der Redaktionsleitung nicht etwa aus journalistisch-deontologischer Überzeugung empört zurückgewiesen, sondern akzeptiert oder gar durch vorauseilenden Gehorsam antizipiert. Selbst konkrete Titelvorschläge durch Parteivertreter fanden auf dem Höhepunkt der „SREL-Affäre“ im Sommer 2013 ihren Weg auf die erste Seite der Zeitung. Und im Redaktionsbericht des 11. Juli 2013, also am Tag nach dem Ausrufen von Neuwahlen in der entscheidenden Parlamentssitzung, wurde vorsorglich festgehalten: Betont werde „des Weiteren, dass die Medien von Saint-Paul die CSV bei den Wahlen unterstützen und wohlwollend begleiten“.
Et gëtt déck Zäit, datt verschidde Leit am Wort ufänken sech hir Gedanken ze maachen. »Michel Wolter, früherer Parteichef der CSV
Vor allem der damalige Parteipräsident Michel Wolter pflegte im Wahlkampf den direkten Draht zur Chefredaktion, um die Botschaft der CSV in „ihrer“ Zeitung ungefiltert an die Leser zu bringen. Und es war vor allem Wolter, der bei Bedarf die Zügel anzog. So etwa als der CSV-Politiker einer „Wort“-Journalistin offen mit „Konsequenzen“ drohte, sollte sich die Redaktion zu viel Freiheit in der Berichterstattung herausnehmen. „Et gëtt déck Zäit, datt verschidde Leit am Wort ufänken, sech hir Gedanken ze maachen.“ Schon die gleichberechtigte Behandlung aller Parteien bei Zitaten in einem Artikel war dabei offensichtlich zu viel des Guten. Zitat Wolter: „Ech kéint katzen, wann ech dat gesinn.“
Mit dem Ausgang der Wahlen vom Oktober 2013 sollte sich allerdings einiges in dieser Beziehung ändern. Der direkte Draht zwischen Partei und Redaktion wurde unter der Ägide von Jean-Lou Siweck gekappt. „Wir sind die größte Zeitung im Land und die CSV ist nur eine Partei von vielen“, lautete Siwecks interner Leitspruch. Das Aufatmen der Redaktion war vielerorts spürbar. So wie es die neuen Regierenden der Dreierkoalition großmütig versprachen, wurden nun auch beim „Wort“ die „Fenster aufgerissen“ und ordentlich durchgelüftet. Ähnlich wie in der Regierungspolitik sollte es sich aber im Rückblick eher um eine Sturmlüftung als um eine nachhaltige Erneuerung des Raumklimas handeln.
Relikte aus der Hochzeit der „presse amie“
Unabhängig von den rezenten Entwicklungen gibt es aber auch Relikte aus der Hochzeit der „presse amie“, die den Wandel der vergangenen Jahrzehnte überdauert haben. So etwa die privilegierte Behandlung der Christsozialen bei der Veröffentlichung ihres „CSV-Profil“. Seit 1974 erhält die CSV einmal pro Woche im „Wort“ mindestens eine Seite zur freien Verfügung, um ihre Parteibotschaften unter das Volk zu bringen – und das zum „Freundschaftspreis“. Lange waren diese Seiten sogar gratis. Mit dem Inkrafttreten des Parteienfinanzierungsgesetzes im Jahre 2007 wäre diese Vorteilsgewährung eines Unternehmens an eine Partei jedoch illegal gewesen. So einigten sich Saint-Paul und CSV rechtzeitig auf ein schriftliches Übereinkommen, wonach der CSV keine kostenlose Dienstleistung mehr, sondern als Dauerkunde nurmehr ein großzügiger Rabatt gewährt wird.
Wie ist die Situation heute? In der Bilanz der Partei schlägt der entsprechende Posten „Annonces et insertions“ im Jahre 2016 mit exakt 57.527,53 Euro zu Buche – rund 90 Prozent davon macht wiederum das „CSV Profil“ aus. Demnach bezahlt das Generalsekretariat der CSV für seine regelmäßige Parteiwerbung rund 1.000 Euro pro Woche. Zum Vergleich: Der reguläre Tarif für eine volle Anzeigenseite im „Wort“ beträgt laut öffentlich zugänglichen Zahlen je nach Platzierung zwischen 8.198 Euro und 10.248 Euro. Selbst bei einer regulären Reduzierung im Fall einer Anzeigenserie (laut der Anzeigenabteilung von Saint-Paul: maximal zehn Prozent) handelt es sich beim „CSV Profil“ nach wie vor um eine Sonderbehandlung. Parteiintern ist jedenfalls von einem „Spottpreis“ die Rede. Anderen Parteien, denen dieser Wettbewerbsvorteil der christlich-sozialen Konkurrenz freilich ein Dorn im Auge ist, bleibt diese Sonderbehandlung verwehrt. Die LSAP bezahlte kürzlich etwa für eine Anzeigenserie von vier Erscheinungen im weitaus kleineren Format allein rund 7.500 Euro.
Von der Äquidistanz zur „freundschaftlichen Distanz“
Auf Nachfrage bestätigt Paul Peckels, Generaldirektor von Saint-Paul, dass es ein solches geschäftliches Übereinkommen mit der CSV gibt. Die Details dieser Abmachung seien allerdings wie bei allen anderen Anzeigenkunden vertraulich. Was die Frage nach der generellen Beziehung zwischen seinem Unternehmen und der CSV betrifft, verweist Peckels auf den Verwaltungsrat.
Präsident Luc Frieden bringt die Beziehung zwischen Partei und Zeitung, die er letztlich in seiner aktuellen Position selbst verkörpert, auf den Begriff einer „kritischen, aber freundschaftlichen Distanz“. Auch wenn sich das Verhältnis in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt habe, sei es kein Geheimnis, dass die Medien von Saint-Paul „traditionell mehr Sympathien mit Positionen von christsozialen und liberalen Bewegungen“ hätten. Damit seien aber ausdrücklich nicht nur CSV-Positionen gemeint, betont der Verwaltungsratsvorsitzende. Auch eine Zeitung mit klarer politischer Ausrichtung müsse „andere Meinungen aushalten“ und „dem gesellschaftlichen Pluralismus ausreichend Platz einräumen“, so Frieden.
CSV-Fraktionschef Claude Wiseler sieht seinerseits in der rezenten Entwicklung keine Veränderung im Umgang seiner Partei mit dem „Wort“. „Wir können keine privilegierte Betrachtung unserer politischen Arbeit durch ein bestimmtes Presseorgan erkennen“, so Wiseler im Gespräch mit REPORTER. Der Spitzenkandidat der CSV bei den kommenden Nationalwahlen verwahrt sich ferner gegen jeglichen politischen Einfluss auf die Presse. Jedes Medium müsse seine redaktionelle und politische Linie „eigenständig und in kritischer Distanz zu allen Parteien“ verfolgen können.
Von „Mitte-Rechts“ nach „Mitte-Links“
Wie schon bei vergangenen Wahlzyklen fällt jedoch auf, dass sich der zunehmende politische Einfluss auf die Medien freilich nicht auf das „Mitte-Rechts“-Milieu beschränkt. Auch bei Editpress, dem Herausgeber unter anderem von „Tageblatt“, „Le Quotidien“, „Le Jeudi“ und „L’Essentiel“, werden die politisch-ideologischen Zügel regelmäßig angezogen. Ähnlich wie bei Saint-Paul ist es zwar nicht die sympathisierende Partei allein, sondern eher ein Geflecht aus Partei, Aktionär und verbündeten gesellschaftlichen Kräften, die ihren Einfluss auf das ihnen traditionell eng verbundene Medienhaus geltend machen. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Zusammensetzung des Verwaltungsrats. Dort sitzen neben Vertretern der Gewerkschaften (der OGBL hält nach wie vor die Mehrheit der Anteile an Editpress) auch sozialistische Politiker wie LSAP-Schatzmeisterin Christine Schweich, Paul Hammelmann oder Nico Wennmacher. Präsident des Editpress-Verwaltungsrats ist zurzeit Nico Clement, gleichzeitig Vorstandsmitglied beim OGBL. Auch Gewerkschaftsboss André Roeltgen ist Mitglied im Aufsichtsgremium des Medienkonzerns.
Im Sinne einer jahrzehntelangen Tradition pflegt auch die Direktion und Redaktionsleitung von Editpress bei allen immer wieder aufkommenden Spannungen die Beziehungen zu Aktionär und befreundeter Partei. Auch hier finden regelmäßige Treffen statt – zum Austausch, in Wahlkampfzeiten aber auch zur Abstimmung eines gemeinsamen Kurses. Die LSAP hält selbst Anteile am Editpress-Konzern. Seit Jahren gehören auch hochrangige Parteimitglieder und Ex-Minister zu den Kleinaktionären.
Der langjährige Chefredakteur und Generaldirektor Alvin Sold und die aktuelle Chefredakteurin Danièle Fonck gelten zudem seit Jahrzehnten als Garanten für eine eher wohlwollende publizistische Behandlung des linken politischen Lagers. Was das Erzbistum für Saint-Paul, ist die mächtige Gewerkschaft OGBL für Editpress. Was die CSV für das „Wort“, ist die LSAP für das „Tageblatt“.
Der Verwaltungsrat greift nicht in die Redaktion ein. » Claude Karger, Direktor und Chefredakteur des « Lëtzebuerger Journal »
Wenn die Verbindungen auch längst nicht mehr so eng und die Interessen so deckungsgleich sind wie früher, so regen sich aber regelmäßig aus ureigenem, gemeinsamem Interesse der Machterhaltung die gleichen Reflexe. Vor allem in Wahlkampfzeiten verdichtet sich so auch im sozialistischen Universum der politisch-mediale Komplex. Dass das Lagerdenken nicht komplett überwunden wurde, untermauern etwa Anekdoten, wonach Journalisten bei ihren Bewerbungen auf Posten beim „Tageblatt“ auch noch in rezenter Vergangenheit nach ihrer politischen und ideologischen Einstellung, und ihrer Zugehörigkeit zum richtigen „Milieu“, gefragt werden. Ebenso stehen laut mehreren Quellen spontane Einflussnahmen des Aktionärs auf die redaktionelle Arbeit an der Tagesordnung.
Eine Interviewanfrage von REPORTER zum Thema blieb seitens der Chefredaktion des „Tageblatt“ bisher unbeantwortet.
Liberale Parteizeitung par excellence
Das „Lëtzebuerger Journal“ ist schließlich – ähnlich wie die Parteizeitung der Kommunistischen Partei „Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek“ – ein weiterer Fall, bei dem die Tradition der „Gesinnungspresse“ noch weitaus offensichtlicher fortgeführt wird. Im Verwaltungsrat der „Editions Lëtzebuerger Journal“ sitzen nahezu nur aktive DP-Politiker. Präsident Kik Schneider war auf Initiative der DP Mitglied im Staatsrat. Joëlle Elvinger und Claude Lamberty sind aktuelle Abgeordnete der Liberalen. Georges Gudenburg war Generalsekretär der Partei. Dan Theisen, früherer DP-Fraktionssekretär, ist Premier Conseiller de Gouvernement im Familienministerium unter Ministerin und Parteichefin Corinne Cahen und sitzt seit 2015 für die DP im Staatsrat. Jean-Paul Senninger ist als Generalsekretär des Regierungsrats einer der engsten Mitarbeiter von Premierminister Xavier Bettel (DP) im Staatsministerium. Auch beim Hauptaktionär des „Journal“, dem von der DP kontrollierten „Centre d’études Eugène Schaus“, nehmen liberale Politiker wie DP-Fraktionschef Eugène Berger sowie die Abgeordneten Gilles Baum, Lex Delles und Max Hahn verantwortliche Positionen ein.
Zudem ist die bei anderen Medien schon länger überwundene Tradition der politisch-publizistischen Personalunion bei der liberalen Parteizeitung noch intakt. Das heißt konkret: Die gleichzeitige Tätigkeit als Journalist und politischer Mandatsträger, zumindest auf Gemeindeebene, wird im „Journal“ nach wie vor toleriert. Ähnlich wie bei Saint-Paul und Editpress zeigt sich laut liberalen Parteikreisen auch beim „Journal“, dass mit dem Näherrücken des Wahltermins im kommenden Jahr einzelne Politiker ihre Interessen im befreundeten Blatt wieder stärker und ungenierter verfolgen.
Claude Karger, Direktor und Chefredakteur des „Journal“, macht aus der engen historischen Verbundenheit der Zeitung mit der DP keinen Hehl. Auf Nachfrage von REPORTER betont er allerdings: „Der Verwaltungsrat greift nicht in die Redaktion ein.“ Das neue Zeitungskonzept, mit dem man sich 2012 vom Modell einer reinen Parteimitgliederzeitung lossagen wollte, setze „die Unabhängigkeit der Redaktion voraus“ und sei von Beginn an vom Verwaltungsrat mitgetragen worden.
Hohes Risiko des politischen Einflusses
Die diversen Verbindungen zwischen Parteien und Presse offenbaren, dass das Zeitalter der „Parteizeitungen“ in Luxemburg auch im Jahre 2017 nicht überwunden ist. Dementsprechend hoch ist auch der Grad der politischen Abhängigkeit und der Konzentration der Eigentumsverhältnisse in Luxemburgs Medienlandschaft. Dies ist jedenfalls ein Befund des „Media Pluralism Monitor 2016“. Raphael Kies, Politologe an der Universität Luxemburg und Autor der Studie, spricht von einem „hohen Risiko des politischen Einflusses“, der sich in Luxemburg besonders in den Printmedien manifestiere. Die jüngsten Veränderungen beim „Luxemburger Wort“ seien dafür „emblematisch“, so der Wissenschaftler. Auch bei der Transparenz der Eigentumsverhältnisse erhalten Luxemburgs Medien laut der Studie eine schlechte Note. Laut Gesetz sind alle Presseorgane zwar verpflichtet, ein Mal pro Jahr ihre Aktionäre mit mehr als 25 Prozent Anteilen zu veröffentlichen. Gesetzliche Regelungen gegen mögliche Interessenkonflikte zwischen Medien und Politik gibt es dagegen nicht. Wirkliche Transparenz sehe anders aus, sagt Raphael Kies.
Politischer Einfluss muss aber nicht per se etwas Schlechtes sein. So sieht es jedenfalls der Journalist und Chefredakteur des parteipolitisch unabhängigen „d’Lëtzebuerger Land“, Romain Hilgert. In einer Diskussionsrunde auf „Radio 100,7“ vertrat der ausgewiesene Kenner der Pressegeschichte des Landes jüngst die These, dass es für die politische Debatte in Luxemburg wichtig sei, dass es Zeitungen mit klaren, unterschiedlichen politischen Positionen gibt, die den Bürgern besonders im Wahlkampf die Meinungsbildung erleichtern würden. Dies sei letztlich auch der Geist des mithilfe der staatlichen Pressehilfe geförderten Medienpluralismus im Land. Denn, so schrieb Hilgert an anderer Stelle, „im Grunde war die Pressehilfe als Parteihilfe gedacht, sollte sie doch weiterhin gewährleisten, dass jede der traditionellen, im Parlament vertretenen Parteien weiterhin ein Sprachrohr zur Verfügung hat“.
Wenig Interesse an medienpolitischer Debatte
In der Tat spiegelt die anhaltende politische Abhängigkeit einiger Medien nicht nur die historische Tradition, sondern auch bis zu einem gewissen Grad die politischen Kräfteverhältnisse im Land wider. Alle bisher genannten Parteien haben demnach ein Interesse daran, dass das Überleben ihrer zumindest befreundeten Pendants in der Presse weiter gesichert bleibt. Ein Gleichgewicht ist allerdings nicht unbedingt gegeben. Saint-Paul und Editpress dominieren den Markt der geschriebenen Presse und vereinen dazu noch rund 75 Prozent der staatlichen Subventionen für Printmedien auf sich. Das „Journal“, ebenso wie andere kleinere Publikationen, kämpft dagegen trotz rezenter wirtschaftlicher Kooperation mit Editpress als publizistischer Verbündeter der Liberalen seit Jahren gegen die Bedeutungslosigkeit. Déi Gréng, Déi Lénk und ADR können schließlich auf überhaupt kein vergleichbares „Sprachrohr“ zählen.
Andererseits können alle im Parlament vertretenen Parteien im öffentlich-rechtlichen „Radio 100,7“ bzw. in dem vom Staat mit einem neuen öffentlich-rechtlichen Auftrag und finanzieller Sicherheit ausgestatteten Privatsender RTL Lëtzebuerg zumindest auf gleichberechtigte Behandlung hoffen. Beim Betreiberkonzern von RTL nimmt übrigens neben den Fraktionschefs von CSV, LSAP und DP aktuell mit Paul Konsbruck auch der Kabinettschef des liberalen Premiers als Regierungskommissar an den Sitzungen des Verwaltungsrats teil. Der unmittelbare politische Einfluss hält sich hier aber im Vergleich zur traditionell parteipolitisch geprägten Presse dann doch in Grenzen.
In Grenzen hält sich demnach auch das Interesse von Politik und Presse an einer tiefrgründigeren medienpolitischen Debatte. Vieles deutet auf einen Fortbestand des „status quo“ und des politisch-medialen Komplexes à la luxembourgeoise hin. Der politische Einfluss auf Luxemburgs Medien ist gekommen, um zu bleiben. Auch der Politologe Raphael Kies vermisst einen offenen, aufrichtigen medienpolitischen Diskurs im Land. Sobald auch Medien mit ihrer politischen Einstellung sowie den damit einhergehenden Verflechtungen transparenter umgehen, könne sich jeder Bürger im Grunde selbst, höchst eigenständig seine Meinung darüber bilden. Man darf jedoch gespannt sein, ob Luxemburgs Parteizeitungen, die aus Imagegründen längst keine mehr sein wollen, diese selbstkritische Debatte ausgerechnet im anstehenden Wahlkampf zulassen, geschweige denn selbst führen werden.