JBS ist der größte Fleischkonzern der Welt. Das Imperium von Rindern, Geflügel und Schweinen ist unter anderem in Luxemburg angesiedelt. Die Verwicklungen des Multis in Korruption und illegale Rodungen werfen grundsätzlichere Fragen zur Rolle Luxemburger Holdings auf.
Nicht mal ein Briefkasten weist auf die Präsenz des größten Fleischproduzenten weltweit in Luxemburg hin. Dabei ist der offizielle Sitz großer Teile des brasilianischen Konzerns JBS in der hauptstädtischen Avenue de la Gare. Milliarden Dollar werden von dort aus in Dutzenden Gesellschaften verwaltet – zumindest auf dem Papier. Dazu gehören riesige Schlachtbetriebe in den USA oder auch Hühner- und Rinderfarmen in Australien und Irland.
Berichten brasilianischer Medien zufolge will JBS noch weitere Teile des Konzerns nach Luxemburg verlagern. Anpassungen der Luxemburger Gesellschaften findet man bereits im Handelsregister. Doch JBS ist alles andere als ein Aushängeschild für das Großherzogtum. Der Konzern wird für illegale Rodungen im Amazonas-Regenwald verantwortlich gemacht und verursacht gigantische Emissionen von klimaschädlichen Gasen.
Doch das ist nicht alles. JBS und seine mehrheitlichen Eigentümer– die Gebrüder Batista – mussten in Brasilien und den USA wegen Korruption brasilianischer Politiker eine Milliardenstrafe zahlen. Eine dieser Affären tauchte nun auch in den OpenLux–Recherchen auf.
Eine Frage der Verantwortung
Der Fall JBS symbolisiert die Fragen der Verantwortlichkeit von Konzernen für den Klimawandel, die Erosion der Demokratie und die Wahrung der Menschenrechte. NGOs, die von Reporter.lu auf JBS angesprochen wurden, reagierten überrascht. Die Präsenz des Fleischgiganten mit Milliarden an Firmenvermögen in Luxemburg ist ein gut gehütetes Geheimnis. Der Fall könnte in der Debatte über die Sorgfaltspflicht („devoir de vigilance“) aber eine Rolle spielen. Luxemburger NGOs aus dem Umweltbereich und der Entwicklungszusammenarbeit sowie die Gewerkschaft OGBL fordern ein entsprechendes Gesetz.
Die Regierung setze sich für eine verstärkte Verantwortung transnationaler Konzerne ein, kommunizierte das Außenministerium am Montag. Minister Jean Asselborn (LSAP) reagierte damit auf die Forderungen aus der Zivilgesellschaft. Die Regierung begrüße, dass die Europäische Kommission eine entsprechende Richtlinie ausarbeiten wolle.
Luxemburg wäre ein guter Ort, um über die Rolle von Holdings zu diskutieren. »Antoniya Argirova, « Action Solidarité Tiers Monde »
Im November sagte der Außenminister, dass ein nationales Gesetz zur Sorgfaltspflicht dazu führen könnte, dass Unternehmen aus Luxemburg fliehen würden. Das Wirtschaftsministerium spreche sich dafür aus, Holdings und Beteiligungsgesellschaften von der Sorgfaltspflicht auszunehmen. Der Grund: Das Management sei nicht in Luxemburg – trotz des offiziellen Sitzes hierzulande. Das widerspricht allerdings internationalen Steuerregeln, wonach Entscheidungen am Sitz einer Firma getroffen werden müssen.
„Die Regierung spielt mit den Unterschieden zwischen wirtschaftlicher und juristischer Realität“, kritisiert Antoniya Argirova von der „Action Solidarité Tiers Monde“ (ASTM). Prinzipiell gelten Finanzdienstleistungen und Investitionen unter den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte als kommerzielle Beziehung und fallen deshalb unter die Sorgfaltspflicht, sagt die Expertin im Gespräch mit Reporter.lu. International gebe es aber wenig Studien dazu. „Luxemburg wäre ein guter Ort, um über die Rolle von Holdings zu diskutieren“, meint Antoniya Argirova.
Klima-Killer Fleischindustrie
Im Fall JBS geht es aber nicht nur um die Frage der steuerlichen und wirtschaftlichen Substanz von Luxemburger Firmen. „Weltweit ist JBS das größte Rad in der zerstörerischen Fleischindustrie“, lautete eine der Schlussfolgerungen eines Berichts von Greenpeace UK mit dem unmissverständlichen Titel „How JBS is still slaughtering the Amazon“.
JBS verursacht halb so viele klimaschädliche Emissionen wie die Ölkonzerne ExxonMobil, Shell oder BP jeweils. Alleine für die Fleischproduktion und Verarbeitung in den USA, Australien und Kanada gibt JBS selbst Emissionen von 3,6 Millionen Tonnen CO2 an. Das entspricht knapp der Hälfte der Emissionen des ganzen Großherzogtums. Dazu kommen aber noch die indirekten Klimaschäden durch Rodungen und Weideflächen. Diese entsprechen einem Vielfachen der direkten Emissionen.

Amnesty International warf JBS vergangenes Jahr in einem Bericht vor, in mehreren Fällen Rinder von illegalen Farmen in Amazon-Reservaten gekauft zu haben. Diese illegalen Herden führen zu Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Ureinwohnern und zu großflächigen Abholzungen des Regenwaldes.
JBS bestreitet, direkt mit illegalen Rodungen zu tun zu haben. Die Überwachung der Lieferketten sei jedoch schwierig. Der Konzern will bis 2025 auch die indirekten Lieferanten überwachen. Aktuell gibt es einen andauernden Streit zwischen dem Konzern und Greenpeace. Die Umweltorganisation wirft dem Konzern vor, bereits 2009 versprochen zu haben, das Problem bis 2011 zu lösen. Greenpeace will Ende des Monats in einem Bericht weitere Fälle aufdecken, in denen Rinder aus Reservaten in die Lieferketten von JBS kamen, berichtet die Plattform „FoodNavigator“.
JBS habe alle von Greenpeace aufgelisteten Fälle geprüft, antwortet das Unternehmen auf eine Anfrage von Reporter.lu. Am Ort des Kaufs durch den Konzern hätten alle Lieferanten die strengen Kriterien von JBS und die Vorgaben der brasilianischen Behörden eingehalten. Die Angaben von Greenpeace hätten sich als falsch herausgestellt, was JBS der NGO in einem Brief mitgeteilt habe, heißt es weiter in der Stellungnahme.
Zu den Kunden von JBS gehören laut Greenpeace große Fastfoodketten wie etwa Burger King, KFC und McDonald’s. Laut Experten beliefert JBS aber auch Nestlé und die Supermarktkonzerne Carrefour und Ahold Delhaize.
„Project Crystal“
Der JBS-Konzern hat in Luxemburg bereits ein weit verzweigtes Netz von über 20 Tochtergesellschaften. Von JBS Ansembourg Holding bis JBS Vianden halten die Gesellschaften unter anderem Firmen in den USA, Australien, Irland, Großbritannien und Kanada. Es geht um enorme Summen: JBS Ansembourg Holding hatte 2019 ein Eigenkapital von 19,3 Milliarden US-Dollar. JBS Global Luxembourg zahlte 2019 eine Dividende von über 800 Millionen Dollar an den Mutterkonzern. Trotzdem beschäftigt JBS in Luxemburg nur einen einzigen Manager.
Doch die Konzernstruktur ist in Bewegung. Im September 2019 schuf JBS eine neue Gesellschaft: JBS Investments Luxembourg Sàrl. Der Konzern übertrug der neuen Struktur im Januar 2021 alle Anteile von JBS Global Luxemburg – einem Knotenpunkt der Beteiligungen. Die Pandemie hat die Pläne allerdings deutlich verzögert.
Ist alles, was legal ist, auch ethisch korrekt? Mit welchen Menschen will Luxemburg in Zukunft Geschäfte machen? »Sven Clement, Abgeordneter (Piraten)
Diese Transformation soll Teil eines „Project Crystal“ sein. Die brasilianische Nachrichtenplattform UOL veröffentlichte im Juli 2020 Details aus einer Präsentation des Beratungsunternehmens Deloitte, das die Neugestaltung ausgearbeitet hatte. Laut dem Artikel führte Deloitte dazu Anfang 2020 Gespräche mit der Luxemburger Steuerverwaltung. Deloitte Luxemburg wollte sich auf Nachfrage von Reporter.lu zum Sachverhalt nicht äußern – das verbiete das « Berufsgeheimnis ».
Laut diesen Plänen sollen jedoch weitere Unternehmen des Konzerns in Luxemburg zusammengefasst werden. Vor allem die Finanzierung der Tochtergesellschaft solle hier zentralisiert werden. Dabei geht es erneut um ein Volumen von mehreren Milliarden Dollar. Zusätzlich soll in den Niederlanden eine Holding entstehen, die an die Börse gebracht werden soll – angedacht ist die New Yorker Börse. Das passt zu einem früheren Bericht der Nachrichtenagentur Reuters.
JBS ging auf Nachfrage nicht auf die genauen Pläne für Luxemburg ein. « JBS hat Firmen in 15 Ländern und überprüft regelmäßig seine Unternehmensstruktur, um die beste Verwaltungseffizienz und Kontrolle seiner Operationen zu erreichen », heißt es in der Stellungnahme an Reporter.lu.
Brasilianische Justiz schritt ein
Obwohl JBS mehrmals betonte, dass der Hauptsitz in Brasilien bleibe, sorgten die öffentlich gewordenen Pläne für Aufregung im größten Land Südamerikas. Die Staatsanwaltschaft intervenierte vor dem Bundesgericht in Brasilia, um eine Verlegung des Konzernsitzes von JBS zu verhindern, berichteten brasilianische Medien.
Der Hintergrund: Haupteigner von JBS sind Joesley Batista und Wesley Batista über ihre Gesellschaft J&F Investimentos. In einem Deal mit der brasilianischen Justiz gaben sie zu, über zehn Jahre lang brasilianische Politiker bestochen zu haben. Dazu zählte etwa der frühere Präsident Brasiliens Michel Temer. Der Deal sah vor, dass J&F umgerechnet über drei Milliarden US-Dollar Strafe zahlen musste. Die Zahlungen wurden über mehrere Jahre gestreckt. Die Staatsanwaltschaft befürchtet, dass die Batista-Brüder versuchen könnten, ihr Vermögen ins Ausland zu transferieren und der Strafe so zu entgehen. JBS bestreitet das.

Zusätzlich zum brasilianischen Verfahren musste J&F wegen Korruption knapp 27 Millionen US-Dollar Strafe an die US-Behörden zahlen. Durch Bestechung habe JBS eine Finanzierung von zwei Milliarden Dollar von der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES erhalten, lautete das Urteil. Das habe dem Konzern die Übernahme des US-Geflügelfleischproduzenten Pilgrim’s Pride ermöglicht.
Die US-Behörden führten die Luxemburger JBS-Holding als Prozessbeteiligte. Beide Verfahren werden in den Jahresberichten der Luxemburger JBS-Töchter als Geschäftsrisiko aufgeführt.
Die OpenLux-Spur
Zu den Politikern, die die Batista-Brüder bestochen haben sollen, gehörte ebenfalls der brasilianische Senator Aécio Neves. Dessen Mutter taucht im „Registre des bénéficiaires effectifs“ als Nutznießerin einer Luxemburger Holding auf. Neves soll Joesley Batista im Februar 2017 um Geld für den Kauf der Wohnung seiner Mutter gebeten haben, berichten „OCCRP“ und das brasilianische Medium „Piaui“ im Rahmen der OpenLux-Recherchen.
„OCCRP“ hebt hervor, dass die Luxemburger Holding etwa zwei Wochen vor der „Bitte“ der Neves-Familie an Joesley Batista gegründet worden sei. Ob ein Zusammenhang besteht, ist allerdings nicht belegt. Die Vertreter der Mutter sagten „Piaui“, dass die Luxemburger Gesellschaft für die Verwaltung einer französischen Immobilie gedacht sei.
OpenLux zeigte die Zusammenhänge zwischen Korruptionsvorwürfen in Brasilien und Luxemburger Beteiligungsfirmen auf. Der Abgeordnete Sven Clement (Piraten) nahm die internationale Recherche aber zum Anlass, eine grundsätzlichere Frage zu stellen: „Ist alles, was legal ist, auch ethisch korrekt? Mit welchen Menschen will Luxemburg in Zukunft Geschäfte machen?“ Ohne den Namen zu nennen, führte Clement im Parlament einen « brasilianischen Konzern » an, der in Brasilien verurteilt worden sei und nun durch Neustrukturierung sein Geld in Sicherheit bringen wolle. Der Parlamentarier meinte damit JBS, wie Sven Clement auf Nachfrage von Reporter.lu bestätigte.
Die Debatte um die Verantwortung und das Handeln internationaler Holdings hat begonnen. Luxemburg wird in dieser Debatte vermutlich eine der Hauptrollen spielen. „Es ist der Anfang sehr langer Diskussionen“, meint Antoniya Argirova dazu.