Welche Debatten haben das politische Luxemburg diese Woche geprägt? REPORTER-Chefredakteur Christoph Bumb wirft in unserer neuen Rubrik « De Briefing » einen Blick hinter die Kulissen der politischen Aktualität. Diese Woche: Grüne Affären, Brexit-Frust und Pressehilfe-Reform.

1. Kein Licht am Ende des Skandal-Tunnels

Geplänkel. Auf den ersten Blick befinden sich die Debatten um die sogenannte « Casier-Affäre » in der Endlosschleife. So will sich François Bausch auch nach Monaten immer noch nicht monatelang mit « parteipolitischem Geplänkels » herumschlagen. Der grüne Minister für die innere Sicherheit drehte Anfang der Woche die Beweislast kurzerhand um und forderte das Parlament auf, sich der Regierung bei der Ausarbeitung eines Gesetzes zum Datenschutz bei der Polizei anzuschließen. Nicht nur zwischen den Zeilen schwingt dabei der Wunsch nach einem Ende des kritischen Nachfragens seitens der Opposition und der Presse mit.

Prozedurale Fragen. Die Forderung der Opposition nach einer Spezialkommission über alle offenen Fragen der diversen Datenbanken bei Polizei und Justiz wurde am Montag in der Kommission für innere Sicherheit mit den Stimmen der Mehrheitsparteien verworfen. Der Grund laut Eugène Berger (DP): die Prozedur. Laut Chamber-Reglement kann eine neue Kommission nur durch das Plenum, also eine Mehrheit im Parlament geschaffen werden. Gilles Roth geht davon aus, dass die Oppositionsparteien geschlossen für eine solche Spezialkommission eintreten werden. Frühestens kann ein entsprechender Antrag jedoch in der ersten Sitzungswoche nach der « Rentrée » am 8. Oktober erfolgen.

Sonder- bis Untersuchungsausschuss. Ziel eines solchen Sonderausschusses ist laut Gilles Roth, ein « Inventar » aller Datenbanken von Polizei und Justiz anzulegen und deren Übereinstimmung mit den bestehenden Regeln zum Datenschutz zu prüfen. Sollte sich jedoch herausstellen, dass die Parlamentarier von Regierung und Verwaltungen nicht die nötigen Informationen erhalten sollten, behält sich die CSV – ebenso wie die anderen Oppositionsparteien ADR, Piraten und Déi Lénk – die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss vor.

Spiel auf Zeit. In jedem Fall bleibt die Opposition bei der parlamentarischen Aufarbeitung aber auf das Wohlwollen der Mehrheitsparteien angewiesen. Wie es aus Koalitionskreisen heißt, wollen sich DP, LSAP und Déi Gréng den von der Opposition geforderten gesetzlichen Anpassungen zwar nicht widersetzen. Doch gleichzeitig spielt die Regierung auf Zeit und vor allem bei den Grünen hofft man darauf, dass die « Affäre » im Laufe der kommenden Wochen in der Öffentlichkeit an Brisanz verliert. Im besten Fall könnten sich die zuständigen grünen Ressortminister so Ende des Jahres als pragmatische Problemlöser inszenieren und größeren politischen Schaden vermeiden.

Foto: Matic Zorman

Zeit ist abgelaufen. Apropos politischer Schaden: Neben der Daueraffäre um unregelmäßige Datenbanken werden die Grünen in den kommenden Tagen wohl noch weiter mit der « Affäre Traversini » beschäftigt sein. Wie eine kleine kommunalpolitische Kontroverse zum Rücktritt eines beliebten Bürgermeisters führen konnte, erklärt Laurent Schmit – der im Juli als Erster über das wohl bekannteste Gartenhäuschen des Landes berichtete – in seiner Analyse « Der tiefe Fall des Roberto Traversini ». Ob Traversini Abgeordneter bleiben kann, ist angesichts anlaufender Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den abgestürzten grünen Überflieger alles andere als ausgemacht. Und auch die Suche nach einem neuen Kabinettsmitglied der Grünen erhält durch Traversinis Fall eine neue Wendung.

Rechtsfreier Raum. Bis zu vergleichbaren Konsequenzen ist es beim « Casier bis » jedoch noch ein weiter Weg. Der politische Sprengstoff bleibt bis auf Weiteres aber scharf. Denn wie der jüngste Bericht der Datenschutzkommission über das « Fichier central » der Polizei unmissverständlich konstatiert, hält sich die Polizei nicht an alle Datenschutzregeln – was einer Gefährdung der « Gewährleistung der Grundrechte und Freiheiten der betroffenen Personen » gleichkomme. Oder wie es Gilles Roth ausdrückt: « Wir haben es mit einem rechtsfreien Raum zu tun – einem Gesetz, das in Kraft ist, aber nicht angewendet wird. »

2. Brexit-Schauplatz Luxemburg

Asselborn’sche Substanz. « Wenn man ganz tief in die Substanz geht, merkt auch der Letzte, dass es beim Brexit keine einfache Lösung gibt », sagt Jean Asselborn im Gespräch mit REPORTER. Nachdem er am Montag den Chefunterhändler der EU für den Brexit, Michel Barnier, in Luxemburg traf, war der Außenminister noch relativ guter Dinge. Wenig später sollte sich die ganze Debatte über die Brexit-Treffen im Großherzogtum jedoch weit von der Substanz entfernen.

Beamtenfrust. Dafür trug der britische Premier Boris Johnson nicht allein die Verantwortung. Wenn man mit Beamten aus den betroffenen luxemburgischen Ministerien spricht, verbergen diese nicht einen gewissen Frust über die Bilanz der Unterredungen des britischen Regierungschefs in Luxemburg. Das gilt offensichtlich für den diplomatischen Eklat nach dem Treffen von Johnson und Premier Xavier Bettel im Staatsministerium. Aber auch der wahre Grund für Johnsons Besuch – das Treffen mit den EU-Vertretern Jean-Claude Juncker und Michel Barnier – gab laut einer Person, die mit den Inhalten der Gespräche vertraut ist, nicht allzu viel Anlass zu Optimismus.

Höflichkeitsbesuch. Die Substanz von der Jean Asselborn spricht, schaffte es jedenfalls weder ans Podium vor dem Staatsministerium noch in die luxemburgischen Medien. Vielmehr bestimmten Johnsons Absage und Bettels Instrumentalisierung der Pressekonferenz die Berichterstattung. Doch das heißt nicht, dass es am Montag überhaupt nicht um Inhalte ging. Vielleicht nicht so sehr beim Treffen Bettel-Johnson. Dazu kam es überhaupt erst, weil Juncker lieber in seiner Heimat blieb, als nach Brüssel zu reisen. Man habe die Gelegenheit genutzt, damit Boris Johnson seinem luxemburgischen Pendant einen « Höflichkeitsbesuch » abstatten kann, heißt es aus der britischen Delegation.

Foto: Matic Zorman

Britisches Understatement. Doch auch bei diesem bilateralen Treffen ging es nicht nur um Formalitäten. Wie der britische Botschafter in Luxemburg, John Marshall, im Interview mit REPORTER sagte, wollte man Bettel und dessen Stab über den Fortschritt der Gespräche zwischen London und Brüssel informieren. Die generelle Einschätzung des Botschafters klingt dabei wie eine Mischung aus britischem Understatement und einer kaum verhohlenen Anklage von Politik und Medien: « Es gibt in der Öffentlichkeit kein wirkliches Bewusstsein darüber, auf welcher sehr detaillierten Ebene die britische Regierung mit der EU über eine Einigung in den strittigen Fragen verhandelt. »

Verlängerung. Doch, und da wären wir wieder bei Jean Asselborn, all das soll « Teil des Spiels » sein. Selbst der erfahrene Chefdiplomat lässt dabei durchblicken, dass er die Strategie der britischen Seite nicht ganz durchschauen könne. So geht es auch den meisten anderen Befragten. Ob Boris Johnson überhaupt an einem Deal interessiert ist, ob die Zeit dafür längst zu knapp ist – siehe das jüngste Ultimatum der EU – oder ob hinter den Kulissen tatsächlich Fortschritte erzielt werden, die von mancher Seite öffentlich aus taktischen Gründen heruntergespielt werden, ist dabei selbst für manche Insider nicht ganz klar. Fest steht laut einem Mitglied der luxemburgischen Delegation aber, dass Luxemburgs politische Klasse den Asselborn’schen Weg in die tiefe Substanz des Brexit-Dossiers fast so sehr scheut wie Boris Johnson die Konfrontation mit demonstrierenden Landsleuten.

3. Mehr Geld für Luxemburgs Presse

Begrenztes Interesse. « Gute Diskussionen », « offene Geisteshaltung », « es geht voran »: Die Abgeordneten des Medienausschusses übten sich in Allgemeinplätzen, nachdem sie am Donnerstag vom zuständigen Ressortminister Xavier Bettel über die anstehenden Reformen in der Medienpolitik informiert wurden. Die Umsetzung des Konzessionsvertrags mit RTL/CLT-Ufa und der Plan für eine Konsultationsdebatte über die Gouvernance von « Radio 100,7 »  standen auf der Tagesordnung. Und da war auch noch die schon länger geplante Reform der staatlichen Pressehilfe, für deren Diskussion der Premier im Ausschuss laut den anwesenden Parlamentariern dann aber nicht mehr allzu viel Zeit übrig hatte. Das begrenzte Interesse teilte der Premier jedoch mit einigen Abgeordneten, die in der Kommission so kurz nach der « Rentrée » nicht annähernd in Vollbesetzung antraten.

Après-Avant-Projet. Die Reform der « Aide à la presse », die schon im Koalitionsprogramm von 2013 angekündigt worden war, lässt weiter auf sich warten. In der zuständigen Kommission hatte der Premier- und Medienminister aber durchaus Neues zu vermelden. Im vergangenen Jahr war ein erster Anlauf eines « Avant projet de loi » noch im Kabinett gescheitert. Jetzt gebe es aber einen neuen vorläufigen Gesetzentwurf, der am Donnerstagmorgen auch Vertretern der betroffenen Medienhäuser vorgestellt wurde.

Foto: Eric Engel

Acht Millionen. Dem Parlament präsentierte Bettel jedoch nur die Grundzüge der geplanten Reform, durch die – so viel steht fest – das Gesamtbudget der Pressehilfe ansteigen soll. Aktuell subventioniert der Staat gedruckte Zeitungen mit jährlich insgesamt über sieben Millionen Euro. Hinzu kommt seit 2017 eine Übergangshilfe für Online-Medien, die 2018 insgesamt 1,08 Millionen Euro kostete. Auch REPORTER erhielt seit Anfang des Jahres die ersten Tranchen des für Online-Medien vorgesehenen Pauschalbetrags von 100.000 Euro pro Jahr. Die größten Einzelbeträge für Presseprodukte sind aktuell für die Printausgaben von « Tageblatt » (1,44 Millionen Euro in 2018), « Luxemburger Wort » (1,40 Millionen) sowie « Le Quotidien » (1,23 Millionen) vorgesehen.

Zwölf Millionen. Von knapp acht Millionen Euro pro Jahr könnte die neue Pressehilfe nach der geplanten Reform auf bis zu zwölf Millionen Euro ansteigen. Zudem teilte der Medienminister dem Parlament mit, dass anders als bisher auch Gratis-Zeitungen (konkret die Printausgabe von « L’Essentiel ») in den Genuss der Pressehilfe kommen sollen. Die Kriterien zum Erhalt der Hilfen werden zudem angepasst – die im Detail durchaus komplizierte Berechnung nach Seitenzahlen soll demnach definitiv der Vergangenheit angehören. Stattdessen soll der Staat jede Vollzeit-Journalisten-Stelle mit pauschal 55.000 Euro pro Jahr subventionieren. Mit der Formulierung weiterer « Qualitätskriterien » tun sich sowohl das Medienministerium als auch der Gesetzgeber aber noch schwer.

Noch nicht am Ziel. « Der Kuchen wird größer » und « Niemand soll etwas verlieren », lauten die Mottos von Xavier Bettel, die er am Donnerstag noch einmal im Ausschuss wiederholte. Darüber hinaus seien aber noch einige Details zu klären. Oder wie es die Grünen-Abgeordnete Djuna Bernard im Anschluss an die Sitzung ausdrückte: Die Präsentationen waren « etwas vage », es gibt « keinen klaren Zeitplan », doch « es geht voran ».