Die Debatte über die Datenbanken von Politik und Justiz ist kein Zufall. Es gab mehrere Warnungen über fehlende Datenschutzregeln. Doch die Minister Braz und Bausch ignorierten sie und setzen so das Vertrauen der Bürger in die Behörden aufs Spiel. Ein Kommentar.

Die Minister François Bausch und Felix Braz sind in der Affäre um die Datenbanken von Polizei und Justiz vom Aussitzen zur Krisenkommunikation gewechselt. „Datenschutz und Schutz der Privatsphäre sind wichtig“, schrieben sie in ihrem „Offenen Brief an die Luxemburger Presse“. Er wolle weder Polemik noch Parteipolitik, sondern ihm gehe es um die Sache, sagte Braz im RTL-Background.

Doch diese rhetorischen Finten sollen vor allem eins erreichen: die Fahrlässigkeit verdecken, mit der die blau-rot-grüne Koalition aber vor allem die beiden grünen Minister das Thema Datenschutz behandeln. Die Datenbanken, die selbst routinierte Abgeordnete nicht durchblicken, sind nämlich kein Einzelfall. Es geht auch um eine Vorratsdatenspeicherung, die weiterläuft, obwohl sie gegen Grundrechte verstößt. Es geht um die Videoüberwachung, die ausgebaut wird, obwohl die Regeln alles andere als klar sind.

Ein schlampiges Gesetz

Inzwischen herrscht Konsens im Parlament, dass das Datenschutzgesetz vom 1. August 2018 nachgebessert werden muss. Es bestimmt, welche Regeln Polizei und Justiz befolgen müssen, um die Privatsphäre der Bürger zu schützen. Doch bereits im vergangenen Sommer wurde deutlich, dass der Text schlampig vorbereitet war.

„Eine Richtlinie umzusetzen heißt nicht, sie einfach zu kopieren“, heißt es ohne Umschweife im Gutachten des Bezirksgerichts Luxemburg zum Entwurf. Doch genau das war in langen Passagen der Fall. Die Datenschutzkommission CNPD musste sogar darauf hinweisen, dass das Justizministerium beim Copy-and-Paste vergessen hatte, „directive“ durch „loi“ zu ersetzen. Braz übernahm die schwammigen Bestimmungen aus der Richtlinie, ohne sich um die Luxemburger Details zu kümmern.

Datenschutz ist keine lästige Pflicht, sondern die Bedingung, dass Polizei und Justiz ihre Arbeit machen können. Ohne die Grundrechte jener zu verletzen, die sie eigentlich schützen sollen. »

Dabei war Braz bekannt, das die Datenbanken in der Strafverfolgung seit Jahrzehnten rechtlich kaum und zeitweise überhaupt nicht abgesichert waren. Trotzdem legte er den Gesetzesentwurf viel zu spät vor, um den Text rechtzeitig bis zum Mai 2018 umzusetzen. Das Parlament geriet in Zeitdruck und peitschte das Gesetz in der letzten Tagungswoche vor den Wahlen durch – trotz aller Unzulänglichkeiten. Und die Polizeidatenbank hatte während eines ganzen Monats keine rechtliche Grundlage – kurz: sie war illegal.

Braz und Bausch delegieren Verantwortung

Die CNPD warnte bereits vor dem Problem, vor dem Braz und Bausch aktuell stehen. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass Polizei und Justiz eigenmächtig entscheiden dürfen, welche Daten sie erheben und wie lange sie gespeichert bleiben. Das gilt für die nun diskutierten Datenbanken aber auch für die Videoüberwachung „Visupol“ in der Hauptstadt.

In beiden Fällen ließ eine öffentliche Debatte nicht lange auf sich warten. Und es gibt wenig Verständnis, dass kein Gesetz diese massiven Eingriffe in die Privatsphäre von allen Bürgern regelt. Das Protokoll der Kommissionssitzung vom 19. Juni offenbart, dass die Polizeidirektion sich schwertut, eigene Regeln ohne politische Vorgaben festzulegen. Die Justiz erklärte zwar kürzlich die Regel für ihre Datenbank in Strafsachen („Ju-Cha“), doch es fehlt der Überblick über andere Datenbanken.

Das Vertrauen in Justiz und Polizei leidet unter ihrem sorglosen Umgang mit höchst persönlichen Informationen aller Bürger. »

Statt die offensichtlichen Probleme anzugehen, leugnen die Minister sie oder spielen auf Zeit. Und François Bausch macht es sich zu einfach, wenn er betont, er sei erst seit einem halben Jahr Polizeiminister. Das ist mehr als genug Zeit, eine Reform konkret anzukündigen. Stattdessen werden Gutachten von der CNPD angefordert, obwohl die Position der Datenschützer längst bekannt ist.

Den Abgeordneten wurde 2018 in Aussicht gestellt, dass Polizei und Justiz schnell eigene Regeln ausarbeiten würden. Doch das hätte bereits im Mai 2018 der Fall sein müssen und ist bis heute bei Weitem nicht abgeschlossen. „Wir arbeiten dran“, heißt es von der Polizei. Die interne Kontrollinstanz der Justiz traf sich innerhalb eines Jahres genau zweimal. Aber schließlich habe man auch noch anderes zu tun, sagten Vertreter der Behörden in einer Kommissionssitzung des Parlaments.

Erst die Arbeit, dann die Grundrechte

Das offenbart eine bizarre Geisteshaltung. Erst werden die „Bösen“ eingelocht und dann schaut man irgendwann, ob das auch den Regeln entsprach. Das klingt nach einem klischeehaften Krimi, doch in Luxemburg läuft das gerade so. Der Polizeiminister dehnt das Netz der Videoüberwachung weiter aus. Und das, obwohl er mittlerweile selbst an der Zulänglichkeit der rechtlichen Grundlage zweifelt, wie aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hervorgeht. Der Justizminister hält an der Vorratsdatenspeicherung fest, obwohl der Europäische Gerichtshof gleich zweimal urteilte, dass sie gegen Grundrechte verstößt.

Das Vertrauen in Justiz und Polizei leidet unter ihrem sorglosen Umgang mit höchst persönlichen Informationen aller Bürger. Datenschutz ist keine lästige Pflicht, sondern die Bedingung, dass Polizei und Justiz ihre Arbeit machen können. Ohne die Grundrechte jener zu verletzen, die sie eigentlich schützen sollen.