Nicht jeder definiert sich als Mann oder Frau. Deshalb wird über eine dritte Option im Personenstandsregister diskutiert. Ein Gesetz gibt es bis heute nicht – eine Person, die diese Option jetzt in ihren Dokumenten stehen hat, allerdings schon.
Die Gesellschaft ist bis heute offiziell in zwei Geschlechter eingeteilt. Ob bei einer Hotelbuchung, einem Behördengang oder dem Ausfüllen eines offiziellen Formulars: Es muss zwischen « männlich » und « weiblich » gewählt werden. Einige Menschen finden in diesem binären System aber gar nicht statt. Sie wollen oder können ihre Identität nicht an einem Geschlecht festmachen, werden aber immer wieder dazu angehalten.
Einer Person ist es jetzt gelungen, ihr Geschlecht im Personenstandsregister nicht als « männlich » oder « weiblich », sondern als « indéterminé » eintragen zu lassen. Auch die Stadt Luxemburg hat daraufhin in einem Dokument der besagten Person beim Geschlecht nicht mehr « weiblich » oder « männlich » eingetragen, sondern lediglich ein « I » für « indéterminé ». Das Dokument des Bürgeramtes der Stadt liegt REPORTER vor.
Für die betroffene Person, die anonym bleiben will, war es ein großer Erfolg. Ein Schritt in die Richtung von mehr Gleichberechtigung. Dennoch ist dieser Eintrag außergewöhnlich, weil es in Luxemburg noch gar keine Gesetzgebung für eine solche dritte Option in Luxemburg gibt.
Noch immer kein allgemeines Recht
Eine Erklärung dafür gibt es aber: Beim Justizministerium nachgefragt, heißt es, dass man sich auf den Eintrag im Personenstandsregister des Herkunftslandes bezogen habe. Weil die Person aus Deutschland komme und es dort eine dritte Option im Personenstandsregister gibt, habe man diese Angaben für die Dokumente in Luxemburg übernommen.
An der Entscheidung des Justizministeriums hielt auch die Gemeindeverwaltung fest. Die Pressestelle der Stadt Luxemburg erklärt auf Nachfrage von REPORTER, man habe sich auf das Gesetz vom 19. Juni 2013 bezogen.
Es ist nicht immer so eindeutig und die Welt nicht in Schwarz-Weiß eingeteilt. Nur bei der Geschlechterfrage muss es anscheinend immer noch so sein. »
In diesem Text steht, dass eine Person, die Fehler oder Unklarheiten in ihren Dokumenten findet, bei der Gemeinde oder Behörde eine Korrektur beantragen kann. Außerdem muss jede Anfrage auf eine Änderung oder Korrektur begründet werden. In diesem Fall konnte die Person ihre Anfrage so begründen, dass sie in Deutschland « divers » und eben nicht männlich oder weiblich ist. Der Antrag ging bei beiden Instanzen durch und das Geschlecht bleibt unbestimmt.
Doch dadurch entsteht eine weitere Schwierigkeit, und eine neue Ungerechtigkeit. Während Deutsche hierzulande demnach die Möglichkeit haben, ihr Geschlecht als « divers » eintragen zu lassen, bleibt Luxemburgern diese Option verwehrt. Auch diese Tatsche zeigt, dass Handlungsbedarf in diesem Dossier besteht.
Forderungen nach einer dritten Option
Für Betroffene ist die Geschlechtsfrage oft eine schwierige, wenn nicht sogar schmerzhafte. Sie müssen sich als etwas ausgeben, was sie vielleicht gar nicht sind. Sie müssen sich in einem vorgegebenen Muster zurechtfinden, in das sie ihrer Meinung nach gar nicht passen.
Für Alex Schaack, einen Transgender-Mann, ist das Problem nachvollziehbar: « Für mich selbst stellt sich die Frage nach einer dritten Option nicht. Ich habe eine klare Vorstellung davon, wer ich bin », sagt er. « Es gibt aber auch Menschen, die diese Vorstellung nicht haben oder sich weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen. »
Doch auch Personen, die nicht transgender oder intersex sind, müssen sich nicht notgedrungen weiblich oder männlich fühlen. « Es ist nicht immer so eindeutig und die Welt nicht in Schwarz-Weiß eingeteilt. Nur bei der Geschlechterfrage muss es anscheinend immer noch so sein », sagt eine Betroffene im Gespräch mit REPORTER.
Option « divers »: Deutschland als Vorbild
Deutschland ist da einen Schritt weiter. Das Bundesverfassungsgericht hat sich bereits im Jahr 2017 für die Einführung einer dritten Option im Personenstandsregister ausgesprochen. Ende 2018 hat dann auch der Bundestag die Einführung der dritten Option beschlossen.
Seitdem ist neben « männlich » und « weiblich » im deutschen Geburtenregister auch die Option « divers » angegeben. Die bis dahin geltende Pflicht, einen Menschen dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen, wurde als Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und das Diskriminierungsverbot gewertet.
Wer in Deutschland selbst entscheiden kann, steht in Luxemburg gegebenenfalls erst einmal vor einem Problem. Da auf offiziellen Formularen wie beispielsweise einem « Certificat de Résidence » immer nur « männlich » oder « weiblich » als Optionen stehen, sind Behörden gegebenenfalls bei dem Wunsch nach einer dritten Option überfordert.
Überlegungen, aber noch kein Gesetz
Zuletzt war es Felix Braz (Déi Gréng), der das Thema aufgriff. Als der ehemalige Justizminister den Gesetzentwurf zur Geschlechts- und Namensänderung im Personenregister vorstellte, ist er auch auf diese Kategorisierung eingegangen. Braz sprach sich nicht nur für einen möglichen Wechsel des Geschlechts, sondern auch für eine mögliche dritte Option aus.
Eine interministerielle Arbeitsgruppe sollte sich mit dem Thema näher beschäftigen und einen weiteren Gesetzentwurf ausarbeiten. Inzwischen ist es aber wieder ruhig darum geworden. Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) ist einer dritten Option zwar nicht abgeneigt, konkrete Pläne gibt es allerdings noch nicht. Man befinde sich noch im Stadium erster Überlegungen, heißt es aus dem Justizministerium auf Nachfrage von REPORTER.
Dat heescht, eigentlech hätt de Sexe oder däerf de Sexe an där Hisiicht kee Role méi spillen. »Paul-Henri Meyers, CSV
Im Aktionsplan « Plan d’Action National pour la Promotion des Droits des Personnes Lesbiennes, Gays, Bisexuelles, Transgenres et Intersexes » aus dem Jahr 2018 spricht sich auch das Menschenrechtskomitee für eine « dritte Kategorie » im Personenstandsregister aus. Als eines der Ziele wird im Dokument festgelegt, dass man zumindest « analysieren » wolle, wie man das Personenstandsregister an die Bedürfnisse von Transgender- und Intersex-Menschen anpassen kann. Die dritte Option bleibt demnach erst einmal reine Theorie.
Gleiche Rechte und Pflichten für alle
Die Geschichte der politischen Bemühungen um eine Änderung des binären Geschlechtssystems reicht jedoch weiter zurück. 2014 forderte etwa der damalige CSV-Abgeordnete Paul-Henri Meyers die Loslösung vom binären Geschlechtssystem. In der Debatte um das Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe sagte er, dass eine Ehe zwischen zwei Personen stattfinden kann, ohne dass ihre « geschlechtliche Beschaffenheit » eine Rolle spielen soll.
« Dat heescht, eigentlech hätt de Sexe oder däerf de Sexe an där Hisiicht kee Role méi spillen », so Paul-Henri Meyers damals in seiner Rede. Auch sprach er nicht nur von einer Gleichstellung von Mann und Frau, sondern auch von einer « Gleichstellung von Personen ohne Berücksichtigung ihres Geschlechts ».
Der CSV-Politiker zeigte auch auf, dass es eigentlich egal ist, ob man sich einem bestimmten Geschlecht zugehörig fühlt. Jeder und jede sollte heiraten dürfen, wenn er oder sie das will. Die « Bedingungen », die « Konsequenzen » aber auch die « Rechte » und « Pflichten » seien für jede Person die gleichen. Gleiches könnte also auch für das Personenstandsregister gelten. Denn Gesetze, Rechte und Pflichten sind letztlich immer die gleichen – egal ob für Mann, Frau oder « divers ».