Haftstrafen auf Bewährung und Rückzahlungen von knapp 190 Millionen Euro: So lautet das Urteil im ersten strafrechtlichen Cum-Ex-Prozess. Das Landgericht Bonn setzt damit ein klares Zeichen in diesem Musterverfahren. Es gibt mehrere Verbindungen nach Luxemburg.
Cum-Ex-Aktiendeals sind strafbar: Das ist das klare Urteil des Landgerichts Bonn. Es ist der erste Fall, in dem diese Geschäfte strafrechtliche Folgen haben. Die Briten Martin Shields und Nicholas Diable wurden am 18. März jeweils zu einem Jahr und zehn Monaten und einem Jahr Haft verurteilt – beide auf Bewährung.
Die beiden Ex-Banker arbeiteten umfassend mit der Staatsanwaltschaft zusammen und erhielten deshalb vergleichsweise milde Strafen. Trotzdem werden beide in Revision gehen, meldete die Agentur Bloomberg.
Bei Cum-Ex geht es um Scheingeschäfte mit Aktien in Milliardenhöhe. Sie haben zum Ziel, mehrmals die Steuern auf Dividenden erstattet zu bekommen, ohne sie jedoch je gezahlt zu haben. In ganz Europa entstand ein Schaden von mindestens 55 Milliarden Euro, wie REPORTER berichtete (Hier geht es zu unserem Cum-Ex-Dossier).
« Keine Gesetzeslücke »
Die Akteure dieses gigantischen Steuerbetrugs verteidigen sich oft mit dem Hinweis, sie hätten lediglich eine Gesetzeslücke ausgenutzt. Der Vorsitzende Richter Roland Zickler ließ dieses Argument aber nicht durchgehen: « Allen Akteuren war bekannt, was die Intention des Gesetzgebers war », zitiert ihn das ARD-Magazin « Panorama. « Es gab keine Gesetzeslücke », stellte der Bonner Richter klar.
Martin Shields muss zudem 14 Millionen Euro zurückzahlen, die er durch die Steuerhinterziehung in zehn Fällen ergatterte. Die ebenfalls am Prozess beteiligte Hamburger Bank M.M. Warburg muss ihrerseits knapp 177 Millionen Euro an den Staat zurückzahlen. Die Bank kündigte an, in Revision zu gehen, berichtete das « Handelsblatt ».
Die Rolle der Deutschen Bank, die die Geschäfte abgewickelt hatte, habe das Gericht nicht untersucht, beklagte die Warburg-Bank in einer Pressemitteilung. Außerdem sei nicht berücksichtigt worden, dass die Bank 50 Millionen Euro an Steuern an den Staat überweisen wolle. Vier weitere Banken, die ebenfalls am Verfahren beteiligt waren, werden sich nun später vor Gericht stellen müssen. Der Prozess wurde aufgrund der Corona-Pandemie aufgeteilt.
Verbindungen nach Luxemburg
Die vom deutschen Gericht behandelten Fälle spielten sich zwischen 2006 und 2011 ab. Allerdings betrieb Martin Shields auch danach weitere dubiose Aktiengeschäfte. Die niederländischen Behörden ermitteln in einem Fall, der die Staatskasse um 45 Millionen Euro erleichtert haben soll.
Shields und seine Mitarbeiter führten Aktiengeschäfte auch über ihre Luxemburger Gesellschaft Teston Finance Sàrl durch, wie REPORTER berichtete. Daran beteiligt war auch der Neuseeländer Paul Mora, den Martin Shields im Prozess als seinen Boss darstellte, schreibt die niederländische Plattform « Follow the Money ». Mora steht inzwischen auch unter Anklage.
Die Bank M.M. Warburg war ebenfalls an Cum-Ex-Deals beteiligt, die über Luxemburg liefen. Dabei ging es um eine Zusammenarbeit mit der früheren Schweizer Privatbank Sarasin und dem Luxemburger Fonds Sheridan. Auch in diesem Fall laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln.
Prozessflut wird erwartet
Den nun beendeten Prozess nutzte die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker als Musterverfahren und will nun darauf aufbauen. Allein in Köln laufen 60 Verfahren gegen insgesamt 600 Beschuldigte, berichtet das « Handelsblatt ». Dazu kommen unter anderem Ermittlungen in Wiesbaden und Frankfurt. « Anklagen und Urteil sind nicht Abschluss, sondern Anfang und Auftakt der Aufklärung eines großen Problems », sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer, schreibt die « Zeit ».
In Bonn rechnen die Behörden damit, dass zehn Strafkammern ausschließlich an Cum-Ex-Fällen arbeiten werden, berichtete die « Süddeutsche Zeitung ». In diesen Prozessen wird voraussichtlich auch die Rolle des Luxemburger Finanzplatzes im Cum-Ex-Skandal deutlicher werden.
REPORTER recherchiert weiter zu den Verbindungen zwischen der Cum-Ex-Affäre und dem Luxemburger Finanzplatz. Wenn Sie Informationen zu diesen Geschäften haben, erreichen Sie unseren Reporter Laurent Schmit per E-Mail (öffentlicher Schlüssel) oder über den sicheren Messenger Threema (ID: XJ8W8WWK). Alle Hinweise unterliegen dem Quellenschutz.
Lesen Sie mehr zum Thema

