Zwei Aktienhändler sitzen auf der Anklagebank in Bonn. Sie sollen Deutschland um 400 Millionen Euro betrogen haben. Doch es geht um weit mehr als diesen Fall: Die Richter urteilen erstmals über ein Betrugssystem mit Aktiendeals, bei dem europaweit 55,2 Milliarden Euro erbeutet wurden.
Die Aufmerksamkeit ist groß: Zahlreiche Medien, aber auch 60 Bankenvertreter verfolgen den Prozess gegen zwei britische Aktienhändler vor dem Landgericht Bonn. Das hat mehrere Gründe. Es ist zum einen die erste strafrechtliche Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals. Zum anderen sind die beiden Angeklagten Martin S. und Nicholas D. Kronzeugen der Kölner Staatsanwaltschaft.
Die beiden Briten kooperieren mit der Justiz und wollen offen legen, wie eine kleine Gruppe von Bankern, den deutschen Staat um Milliarden betrogen hat. « Ein System vor Gericht », titelte das « Handelsblatt ».
Konkret geht es um 34 Fälle, in denen die beiden Angeklagten zwischen 2006 und 2011 die deutschen Finanzämter getäuscht und Steuererstattungen ergattert haben sollen, die ihnen nicht zustanden. Erst arbeiteten sie für die Hypo-Vereinsbank, später machten sich mit der Ballance-Gruppe selbständig. Daran war auch der Neuseeländer Paul Mora beteiligt. Laut deutschen Medien meidet er Europa, weil er in mehreren Staaten strafrechtlich verfolgt wird. Er gilt als einer der Hauptdrahtzieher der Cum-Ex-Geschäfte, neben etwa Sanjay Shah.
Für die Banken geht es um viel Geld
Fünf Finanzinstitute sind am Prozess beteiligt: die Hamburger Privatbank M.M. Warburg (mit der Tochter Warburg Invest), die US-Bank BNY Mellon, die französische Société Générale sowie die Fondsgesellschaft Hansa Invest. Ihnen droht, dass sie hohe Summen an den deutschen Staat zurückzahlen müssen, weil sie von den Cum-Ex-Geschäften profitiert haben.
Weil die genannten Banken nicht die Einzigen waren, die solche Aktiendeals zumindest ermöglichten oder gar auf eigene Rechnung betrieben, wird das Anfang 2020 erwartete Urteil deren Risikoeinschätzung verändern. Laut dem « Handelsblatt » legte ein Whistleblower den deutschen Behörden 2014 eine Liste von 130 Banken vor, die in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt sein sollten.
Für die Staatsanwältin Anne Brorhilker ist es erst der erste Fall, der vor Gericht kommt. Sie ermittelt aber in mehreren weiteren Affären – die teils enge Verbindungen mit Luxemburg haben.