Die Umweltministerin Carole Dieschbourg fordert weitere Studien von ArcelorMittal über den „Crassier Differdange“. Erst dann könne eine Genehmigung für die zum Teil illegal betriebene Halde ausgestellt werden. Dem Unternehmen bleiben sechs Monate, um zu reagieren.

Carole Dieschbourg (déi Gréng) wählt eine härtere Gangart im Fall der illegalen Deponie des Stahlkonzerns in Differdingen. „Wir haben ArcelorMittal eine Frist für Juli dieses Jahres gesetzt, um einen vollständigen Genehmigungsantrag einzureichen.“ Im Umweltausschuss des Parlaments reagierte die Ministerin damit auf die exklusive Recherche von REPORTER.

Über Jahre hat der Stahlproduzent auf dem « Crassier Differdange » gefährliche Abfälle entsorgt. Eine der sechs Deponien wurde nie vom Ministerium genehmigt. Die Behörden sind seit Jahren mit den Problemdeponien überfordert.

Gegenüber dem Parlamentsausschuss gab die Umweltministerin zu, dass die Behörden keine Kenntnis darüber haben, was auf der nicht genehmigten Werkdeponie von ArcelorMittal lagert. Bis jetzt konnten keine unabhängigen Kontrollen auf diesem Gelände durchgeführt werden.

ArcelorMittal muss liefern

Dennoch wehrt sich Carole Dieschbourg gegen die Vorwürfe, die Probleme nicht angepackt zu haben. Die gesetzliche Lage habe sich in den letzten Jahren durch stärkere Umweltbestimmungen gewandelt. Seit 2014 bemühe sich das Ministerium, das gesamte Gelände mit dem Gesetz in Einklang zu bringen, betonte die grüne Politikerin. Es sei nun Zeit zum Handeln. Nach den Recherchen von REPORTER erhöht sich jetzt das Tempo.

Seit 2017 wartet die Verwaltung auf die nötige Umweltimpaktstudie, die ArcelorMittal nun bis Juli liefern muss. Das ist ein notwendiger Schritt, um die illegale Werksdeponie (siehe Schema) nachträglich zu genehmigen. Erst auf dieser Grundlage will Carole Dieschbourg prüfen, ob sie eine Genehmigung ausstellen kann. Eine Vorzugsbehandlung für den Stahlgiganten schloss die Ministerin kategorisch aus.

 

ArcelorMittal hat den Warnschuss offenbar gehört. Das Unternehmen verspricht nun eng mit dem Ministerium, den betroffenen Gemeinden und den Verwaltungen zusammenzuarbeiten, sagt ein Sprecher auf Nachfrage.

Lässt ArcelorMittal die sechsmonatige Frist verstreichen, droht die Ministerin mit einer « mise en demeure ». Das ist laut Gesetz die letzte Etappe, bevor sie die Schließung der Deponie anordnen kann.

Allerdings ist der Zeitplan für das Unternehmen eng. Angesichts des Umfangs der nötigen Umweltstudie könnte es möglicherweise doch länger dauern, sagen Experten.

Widersprüchliche Angaben

Es bleibt ein großer Klärungsbedarf. Selbst der ArcelorMittal-Direktion scheint nicht klar zu sein, was genau auf der Werksdeponie passiert. In einer ersten Stellungnahme an REPORTER wollte das Unternehmen die Existenz der Halde nicht kommentieren. Kürzlich gab Roland Bastian, Generaldirektor von ArcelorMittal Luxemburg an, dass der Industriemüll dort getrennt und nur provisorisch zwischengelagert werde. Am Mittwoch hieß es dann auf Nachfrage, dass in dieser Deponie lediglich nicht-gefährliche Schlacken gelagert würden.

Das Umweltministerium vertraute den Informationen des Industrieunternehmens, dass es die Werkdeponie nur zur Zwischenlagerung nutze. Nun will die Ministerin es genauer wissen.

Von den sechs Deponien auf dem Gelände des « Crassier » sieht das Umweltministerium allerdings nur bei der Werksdeponie akuten Handlungsbedarf.

Gefährliche Altlasten

Die Vorwürfe der Existenz von Giftstoffen ließ die Ministerin derweil nicht gelten: „Es ist kein Giftmüll auf der Halde“, sagte sie kategorisch.

Was als giftig gilt, ist allerdings Definitionssache. Laut EU-Abfallregister sind durchaus gefährliche Materialien auf der Halde gelagert. Die Ministerin gibt zu, dass aufgrund von wechselnden Umweltbestimmungen sich tatsächlich noch gefährliche Substanzen auf der sogenannten « décharge historique“ befinden. Im Laufe der Sanierungsarbeiten sollte diese Deponie abgesichert werden, damit diese Altlasten nicht ins Sickerwasser gelangen. Das Ministerium gibt hierfür regelmäßige Kontrollen in Auftrag. Neue gefährliche Abfälle würden allerdings nicht mehr auf luxemburgischem Boden behandelt, so Carole Dieschbourg.

Man sagte mir als Kind: Dort darfst du nicht spielen. »Georges Engel, LSAP

Während dieser Sanierungsarbeiten werden jedoch weiterhin Altlasten in diese Halde aufgetragen, wie REPORTER herausfand. Der Sprecher von ArcelorMittal bestätigte, dass dort belastete Erde von stillgelegten Industriegeländen eingebaut wurde. Dies sei mit Erlaubnis des Ministeriums durchgeführt worden. Aus der aktuellen Stahlproduktion würden aber nur nicht-gefährliche Abfälle zur Stabilisierung der historischen Halde benutzt, betont das Unternehmen.

Entwarnung bei « Deponie Lamesch »

REPORTER hatte ebenfalls über belastetes Sickerwasser aus der dritten Halde – der sogenannten « Deponie Lamesch » berichtet. Beamte des Ministeriums betonen allerdings, dass Messungen im Dezember 2019 auf eine Verbesserung der Lage hindeuteten. Zwar sei das Wasser noch immer zum Teil belastet, jedoch sei dies auf die geologische Struktur des Südens des Landes zurückzuführen.

Auch hier bleibt unklar, was sich genau unter der bewaldeten Fläche der « Deponie Lamesch » befindet. Da das Problem des Sickerwassers sich aber gebessert habe, sieht das Ministerium keinen Handlungsbedarf.

Verwaltung soll mehr Personal erhalten

Bereits seit Jahren sind die Probleme auf der Halde bekannt. Nach der Sitzung des Ausschusses erinnerte sich Georges Engel (LSAP), Bürgermeister der an den „Crassier“ angrenzenden Gemeinde Sanem: „Man sagte mir als Kind: Dort darfst du nicht spielen.“ Er schließt sich der Einschätzung der Ministerin an, dass zukünftig verschärft kontrolliert werden muss. Die Verwaltung solle dafür auch die nötigen Mittel erhalten und personell aufgestockt werden.

David Wagner (déi Lénk) kritisierte, dass es nicht reiche, nur nachzubessern. Man müsse sich auch damit befassen, « dass ein Unternehmen sich das Gesetz so ausgelegt hat, wie es ihm passt. »