Atemschutzmasken gehören inzwischen zum Alltag der Coronavirus-Pandemie. Doch die Qualität dieses Schutzes ist nicht in allen Fällen gesichert. Die Behörden kontrollieren fleißig, aber gerade bei den 50 Masken, die jedem Bürger zustehen, drückt die Regierung beide Augen zu.

Inzwischen haben die meisten Einwohner ihre 50 Atemschutzmasken in ihrer Gemeinde abgeholt. Wer genauer hinschaut, bemerkt allerdings Unterschiede bei den Exemplaren. Manche tragen das „CE“-Zeichen, andere nicht. Das ist mehr als nur ein Detail: Diese „CE“-Markierung zeigt an, dass die EU-Qualitätsstandards eingehalten werden. Ohne dieses Siegel dürfen chirurgische Masken nicht in die EU importiert werden – zumindest in normalen Zeiten.

Doch die Coronavirus-Pandemie führte dazu, dass chirurgische Atemschutzmasken weltweit ein knappes Gut wurden. Um überhaupt noch welche zu ergattern, lockerte die Regierung die entsprechenden Regeln ab Ende März. Das ist der Grund, warum manche der verteilten Masken die EU-Standards erfüllen, andere nicht. Doch es ist nicht die einzige Erklärung.

Mangelwirtschaft mit Masken

„Da der Markt zu Anfang der Covid-19-Krise sehr angespannt war, musste Luxemburg Schutzmaterial in China einkaufen, das nicht mehr auf dem europäischen Markt verfügbar war. Dieses Material war teilweise nicht für den Export gedacht und hatte also keine CE-Markierung“, heißt es auf Anfrage von REPORTER aus dem Gesundheitsministerium.

Tatsächlich erlaubte die Europäische Kommission am 13. März 2020 einige Ausnahmen: Masken, Handschuhe oder Schutzanzüge können auch dann innerhalb der EU verkauft werden, wenn die Tests noch nicht abschließend bestätigt hätten, dass die CE-Standards erfüllt seien. Die Regierungen könnten zudem Material einkaufen, das die Standards nicht einhält. Das gilt aber nur für die Verteilung an Gesundheitspersonal.

Auffällig ist aber, dass die Luxemburger Ausnahmeregelung weit über die Empfehlung der EU-Kommission hinausgeht. Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) unterzeichnete am 27. März einen Erlass, der es erlaubt, Medizinprodukte in Luxemburg auf den Markt zu bringen, die „sicher, aber teilweise nicht konform“ sind. Dazu zählen neben den chirurgischen Masken auch etwa Labortests für das Virus Sars-CoV-2. Letztere werden aber in der EU-Empfehlung gar nicht aufgeführt.

Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) unterzeichnete am 2. April seinerseits einen ähnlichen Erlass, der auf der gleichen Empfehlung der EU gründet. Dabei geht es um den Import und Verkauf von persönlicher Schutzausrüstung, wie etwa FFP2-Masken oder Schutzbrillen.

Behörden finden gefährliche Produkte

Die Einschränkung in der EU-Empfehlung, dass nur Produkte zugelassen sind, deren Prüfung immerhin läuft, lässt die Luxemburger Regierung unbeachtet. Auch die zweite Bedingung, dass nicht-konforme Produkte nur im Gesundheitswesen verteilt werden, ignoriert die Regierung. Die 50 Masken für alle Einwohner und Grenzgänger sind das deutlichste Beispiel.

Allerdings muss jedes Unternehmen, das Schutzmaterial unter diesen Ausnahmeregelungen importiert oder verkauft, dies den Behörden melden. Die Erlasse schreiben vor, dass die Firmen die Sicherheit und Qualität der Ware belegen müssen. Welche Art von Nachweis gefordert wird, ist allerdings nicht definiert.

Premier Xavier Bettel (DP) verteilt in der Hauptstadt Masken, die mit einem Standard gekennzeichnet sind, der eigentlich für Herzimplantate gilt. (Quelle: Twitter.com)

Sowohl beim Import als auch beim Verkauf prüfen die Luxemburger Behörden, ob diese Regeln eingehalten werden. Die Zollverwaltung führte bis Ende Mai 361 Kontrollen durch. Daran beteiligt waren die Standardisierungsbehörde Ilnas sowie die „Direction de la Santé“. In vier Fällen wurden von den Behörden Masken zerstört, die als nicht sicher eingestuft wurden. Teils ordnete die Ilnas dies an, teils taten dies die Import-Unternehmen selbst. Die Behörde meldete einen Fall an das EU-Schnellwarnsystem für gefährliche Produkte „Rapex“.

Konfusion bei Qualitätsstandards

Dabei geht es um sogenannte FFP2-Masken, die besonders gründlich die eingeamtete Luft filtern. In diesem Fall lag die Filterleistung allerdings deutlich unter der Norm. Das macht deren Einsatz gefährlich für all jene, die sich auf diesen Schutz verlassen müssen – etwa in der Pflege. Den Hersteller gibt das Ilnas nicht preis, das sei eine vertrauliche Information, heißt es auf Nachfrage von REPORTER.

Klar ist, dass auch hierzulande Masken auftauchen, die den Standards nicht entsprechen und damit risikobehaftet sind. Es gibt zudem Zweifel, ob die von der Regierung gekauften Masken tatsächlich sicher sind. Es sei durchaus möglich, dass Masken an die Bevölkerung verteilt worden seien, die keiner europäischen Norm entsprechen, heißt es aus Regierungskreisen. Im Lagerbestand der „Cellule logistique“ des Krisenstabs seien knapp 40 unterschiedliche Masken-Marken vorrätig gewesen.

„Luxemburg hat auch Masken in China gekauft, aber immer streng darauf geachtet, nur solche Produkte zu kaufen, die mit einer chinesischen Norm gekennzeichnet sind, die von EU-Instanzen als gleichwertig mit dem CE-Kennzeichen anerkannt wurden“, antworten die Minister Lenert und Fayot auf eine parlamentarische Frage des ADR-Abgeordneten Jeff Engelen.

Das Problem: Die Bezeichnungen auf den Packungen der Masken, die in den vergangenen zwei Wochen verteilt wurden, sind sehr unterschiedlich und teilweise verwirrend. Jene der Marken Jianerkang und Jointo tragen eine korrekte CE-Kennzeichnung mit allen nötigen Angaben. Die Marke Caretrust verweist auf den chinesischen Standard „YY 0603-2015“, der allerdings Regeln für Herz-Kreislauf-Implantate vorgibt. Die Masken des Herstellers „Henan Yubei Sanitary Materials“ sind mit dem richtigen Standard YY 0469-2011 gekennzeichnet. Doch dieser Fabrikant fiel den belgischen Behörden mit FFP2-Masken auf, die im Testlabor auch die chinesischen Kriterien nicht erfüllten.

Mangelnde Transparenz der Behörden

Die „Cellule logistique“ habe die Kennzeichnungen der Masken in Augenschein genommen und geprüft, ob keine Meldung im Warnsystem „Rapex“ vorliege, heißt es aus Regierungskreisen. Doch damit lässt sich die Qualität der Masken letztlich nicht klären.

Dazu kommt mangelnde Transparenz bei der Arbeit des Krisenstabs. Das Gesundheitsministerium ignorierte die Anfrage von REPORTER, die jeweiligen Zertifikate oder Bescheinigungen der verteilten Masken vorzulegen. Während in Litauen und Portugal die Verträge zwischen Staat und Unternehmen in Bezug auf Aufträge öffentlich sind, fehlt diese Transparenz in Luxemburg.

Welche Standards müssen erfüllt sein, welche Belege braucht es dazu und was ist der Stückpreis? Ohne diese Informationen ist es unmöglich zu kontrollieren, zu welchen Bedingungen, die „Cellule de crise“ das Material beschafft hat.

Die Regierung hat inzwischen Material und Dienstleistungen im Wert von mindestens 65 Millionen Euro eingekauft. Das geht aus den Aufzeichnungen im EU-Amtsblatt hervor. Doch außer der Höhe des Auftrags, der ungefähren Angabe der gekauften Produkte und dem Namen des Lieferanten, erfahren die Bürger nichts.


Lesen Sie mehr zum Thema