Für die Ausübung ihres Mandats müssen Politiker von ihrem Arbeitgeber freigestellt werden. Doch die Praxis des « congé politique » ist voller Widersprüche. Die Regierung arbeitet an einer Reform. Dabei wird das Streitthema der Doppelmandate aber weiter ausgeblendet.

Im November 2020 verlor Laurent Zeimet (CSV) seinen Arbeitsplatz. Der Bürgermeister von Bettemburg musste seinen Schreibtisch allerdings nicht räumen, denn er erschien bereits seit neun Jahren nicht mehr im Büro. Der frühere CSV-Generalsekretär war seit seinem Amtsantritt in Bettemburg von seinem Arbeitgeber „Luxemburger Wort“ freigestellt worden. Durch den « Congé politique » erhielt der ehemalige Journalist weiterhin ein Gehalt von der Tageszeitung, das aber aus einem Kommunalfonds bezahlt wurde.

Von der Entlassungswelle beim Verlagshaus « Saint-Paul Luxembourg » im vergangenen November war allerdings auch Laurent Zeimet betroffen. Der Fall sorgte in der politischen Klasse für Entrüstung. Das Gemeindesyndikat „Syvicol“ forderte umgehend die Einführung eines Kündigungsschutzes für kommunale Mandatsträger.

Im Parlament stellte auch Arbeitsminister Dan Kersch (LSAP) die Zulässigkeit der Entlassung infrage. „Die Frage stellt sich, ob eine Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen vor Gericht Bestand hat, wenn der Lohn integral übernommen wird“, so der Minister und frühere Bürgermeister von Monnerich.

Causa Zeimet wirft Fragen auf

Die Causa Zeimet illustriert eine bis dahin unbemerkte Lücke in der Gesetzgebung. Eigentlich ist der « Congé politique » dazu gedacht, politischen Mandatsträgern die Rückkehr in ihren einstigen Beruf zu garantieren. Beim Bettemburger Bürgermeister ist dies nach seiner Entlassung nicht mehr möglich. An Gründen für eine Reform der Praxis der Beurlaubung aus politischen Gründen mangelt es aber schon seit längerer Zeit nicht.

In die Nationalpolitik kommt man entweder durch seinen Bekanntheitsgrad als Lokalpolitiker oder wenn man in der Zivilgesellschaft etwa als Sportler oder Journalist eine gewisse Prominenz erreicht hat. »Emile Eicher, Präsident des « Syvicol »

Die geplante Reform des Kommunalgesetzes soll die Rollen und Rechte der Amtsträger klarer definieren. Am Prinzip soll sich aber nichts ändern: Die Freistellungen sollen es den Mandatsträgern erlauben, ihrer politischen Arbeit nachzugehen. Arbeitsrechtlich bleiben die Politiker aber weiterhin Arbeitnehmer. Die damit einhergehenden Rechte, etwa auf den regulären Kündigungsschutz, sind für manche der Gewählten jedoch unzureichend – nicht zuletzt im Vergleich mit dem Ausland.

Laut dem Gemeindesyndikat „Syvicol“ sind Mandatsträger in anderen europäischen Staaten besser geschützt. „In Belgien beginnt der Kündigungsschutz bereits mit einer Kandidatur, und in Frankreich hat man auch während der Freistellung ein Recht auf Weiterbildung“, erklärt « Syvicol »-Präsident Emile Eicher (CSV) im Gespräch mit Reporter.lu. Der Fall Laurent Zeimet habe die Gemeinden des Landes auf den Plan gerufen, weil es das erste Mal sei, dass ein Amtsträger während des « congé politique » entlassen wurde.

Der Arbeitgeber « Saint Paul » steht hingegen weiter hinter der Entscheidung. „Die Entlassung ist zu 100 Prozent mit dem Gesetz konform“, verteidigt sich Paul Peckels auf Nachfrage von Reporter.lu. Laut dem Generaldirektor von „Saint-Paul“ habe man mit Laurent Zeimet eine Vereinbarung ausgehandelt. Ansonsten wolle er sich nicht weiter zum Sachverhalt äußern, sagt Paul Peckels. Ex-Journalist Laurent Zeimet hat dementsprechend beschlossen, seine Entlassung nicht juristisch anzufechten.

Vom Nebenjob zum Vollzeit-Beruf

Es ist jedoch nicht so, dass Politiker im Vergleich mit anderen Arbeitnehmern benachteiligt wären. Der fehlende Kündigungsschutz wird nämlich durch weitreichende Rechte kompensiert. Denn im Gegensatz zu den Nachbarstaaten können lokale Mandatsträger in Luxemburg von ihrem Arbeitgeber vollkommen freigestellt werden. In Frankreich kann man jährlich für drei Monate, in Belgien drei Tage wöchentlich fehlen und in Deutschland hat jedes Bundesland eine eigene Gesetzgebung. Allerdings kann ein Bürgermeister in Belgien beantragen, seinen Arbeitsvertrag auszusetzen, wobei diese Möglichkeit auf eine Mandatsdauer begrenzt ist. Spätestens dann muss man entweder auf seinen einstigen Beruf verzichten oder in Teilzeit weiterarbeiten.

Mehr oder weniger « Congé politique »

Je nach Größe der Gemeinde und Art des Mandats können lokale Politiker eine bestimmte Dauer „congé politique“ beanspruchen. In den zehn größten Gemeinden des Landes (Luxemburg, Esch an der Alzette, Differdingen, Düdelingen, Petingen, Sassenheim, Hesperingen, Bettemburg, Schifflingen und Käerjeng) gilt der Bürgermeisterposten als Vollzeitmandat, also 40-Stunden-Job.

Ab einer Größe von 6.000 Einwohnern können Bürgermeister eine Freistellung für bis zu 28 Stunden beantragen. Ab 3.000 Einwohnern ist es als Halbzeitjob anzusehen. In allen weiteren Kommunen kann man für maximal 13 Stunden freigestellt werden. Einzige Ausnahmen sind die Kommunen Wahl und Saeul, in denen der Bürgermeister lediglich neun Stunden „congé politique“ beantragen kann. Den Schöffen steht jeweils die Hälfte des Anspruchs der Bürgermeister zu. In Proporzgemeinden können Mitglieder des Gemeinderats fünf Stunden und in Majorzgemeinden drei Stunden wöchentlich freigestellt werden.

In Luxemburg wurde die Beurlaubung aus politischen Gründen erst mit dem Kommunalgesetz von 1988 eingeführt. Gut zwanzig Jahre später hat der damalige Innenminister Jean-Marie Halsdorf (CSV) die Regeln angepasst und die noch heute bestehenden Stundenzahlen festgelegt. Gleichzeitig wurde auch die zusätzliche Vergütung angepasst und indexiert. Durch die Reform sollten eigentlich auch Anreize geschaffen werden, auf ein Doppelmandat als „député-maire“ zu verzichten. Allerdings ging diese Rechnung nicht auf.

Die 60-Stunden-Woche

In der Praxis hat sich allerdings nur wenig geändert. Aktuell haben 39 Abgeordnete zusätzlich ein kommunales Mandat. Wäre die Arbeitswoche nicht auf 40 Stunden begrenzt, hätten sogar sechs der Bürgermeister, die auch Abgeordnete sind, einen Anspruch auf 60 Stunden « Congé politique ». Laut Lydie Polfer (DP) entspräche das auch ungefähr ihrer tatsächlichen Arbeitslast. „Es ist eine andere Art zu arbeiten. Man kann natürlich nicht an allen Sitzungen teilnehmen. Oft kann ich allerdings Zeit sparen, da ich mich bereits über mein zweites Mandat in das Thema der Sitzung eingearbeitet habe“, sagt die langjährige Abgeordnete und Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg im Gespräch mit Reporter.lu.

Auch für Simone Asselborn-Bintz (LSAP) ist es schlicht eine Frage der Organisation. „Ich kann mich in der Gemeinde und im Parlament auf ein Team verlassen. Ich muss ja nicht an allen Ausschusssitzungen teilnehmen“, so die Abgeordnete und Bürgermeisterin von Sanem.

Im « Congé politique » entlassen: Der Fall des Bürgermeisters von Bettemburg und Ex-Abgeordneten Laurent Zeimet offenbart eine bisher wenig beachtete Lücke in der Handhabung des Mandats von Lokalpolitikern. (Foto: Chambre des députés)

Michel Wolter (CSV) nimmt den ihm zustehenden „congé politique“ dagegen nicht ganz in Anspruch. Auch er könnte sich theoretisch bereits durch sein Lokalmandat in Vollzeit der Politik widmen. Auf Nachfrage von Reporter.lu erklärt der Bürgermeister von Käerjeng, dass er wöchentlich ein paar Stunden für seine freiberuflichen Aktivitäten als Verwaltungsratsmitglied in mehreren Unternehmen verbringe. Für die zusätzliche Arbeit als Doppelmandatsträger gebe es auch keine weitere Entlohnung, auch hier gelte die Obergrenze der 40-Stunden-Woche. „Das wäre ja zu schön, wenn das möglich wäre“, sagt Michel Wolter.

Kein Geheimnis ist: Nur die wenigsten Inhaber von Doppelmandaten können ihren beiden Aufgaben ansatzweise gerecht werden. „Manche geraten an ihre physischen und psychischen Grenzen“, sagt auch Emile Eicher. Namen will der « Syvicol »-Präsident, der selbst Député-Maire von Clervaux ist, jedoch nicht nennen.

Doppelmandate eindeutig die Regel

Nur 21 der 60 Parlamentarier üben aktuell kein kommunales Mandat aus. Davon hatten nur neun auch vorher noch nie ein Mandat in einer Gemeinde. Sieben davon waren selbst vor einigen Jahren Bürgermeister.

Gleiche Bezahlung für anderen Job

Während des « Congé politique » erhält der Arbeitnehmer das gleiche Gehalt wie zuvor. Bekommt ein Mitarbeiter mit der gleichen Erfahrung eine Gehaltserhöhung, gilt sie auch für den lokalen Mandatsträger. Für Selbstständige und Arbeitslose gelten besondere Regeln. Für ein Vollzeitmandat können sie bis zu zwei Mal den qualifizierten Mindestlohn, also aktuell 5.284,64 Euro erhalten. Selbstständige Abgeordnete mit einem Doppelmandat können sich ihren „congé politique“ aufteilen. Im Parlament können sie bis zu 20 Stunden freigestellt werden und erhalten als Kompensation für ihre parlamentarische Arbeit insgesamt 5.284,64 Euro. Für die restlichen 20 Stunden als Schöffe oder Bürgermeister gibt es dann weitere 2.642,32 Euro.

Zusätzlich erhält jeder Bürgermeister und Schöffe monatlich eine « indemnité ». Der Betrag reicht von etwa 290 Euro monatlich für die Schöffen von Wahl und Saeul bis zu 7.450 Euro für die Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg.

Warum tun sich die Abgeordneten die Mehrbelastung eines Doppelmandats an? „Es ist äußerst wichtig, dass Menschen, die die Situation vor Ort kennen, im Parlament vertreten sind“, sagt etwa Lydie Polfer. Bei manchen Gesetzestexten könnten so Anpassungen vorgenommen werden, bevor es zu spät sei.

Demnach interessiert auch eine große Mehrheit der Abgeordneten die Reform des Kommunalgesetzes, an der das Innenministerium derzeit arbeitet. Das Ziel des Ministeriums lautet: Mehr Professionalisierung der Kommunalpolitik. Ob die Reform den « Congé politique » ganz neu gestalten oder nur punktuell anpassen wird, ist allerdings noch nicht klar. „Den Mandatsträgern soll ausreichend Zeit zur Verfügung gestellt werden, um ihrer Aufgabe nachzukommen“, heißt es von einer Sprecherin der Innenministerin Taina Bofferding (LSAP).

Ein Anliegen von Emile Eicher wäre zudem die Einführung eines Statuts für Lokalpolitiker. „Damit könnte man mehrere Probleme auf einen Schlag lösen“, so der Vorsitzende des „Syvicol“. „Uns sind einige Fälle bekannt, in denen Arbeitgeber Druck auf Lokalpolitiker ausgeübt haben, um auf ihren politischen Urlaub zu verzichten“, sagt Emile Eicher. Mit einem eigenen Statut wären Mandatsträger weniger stark von ihrem Arbeitgeber abhängig.

Neues Statut könnte Klarheit schaffen

Ein eigenes Statut könnte auch die Rechte der Gewählten stärken. Die Sozialversicherung, Rentenbeiträge oder eben ein Kündigungsschutz wären dann klarer geregelt. Die Pflichten könnten zudem in einer „Charte de l’élu local“ festgehalten werden, so das Ministerium. Für die Ausarbeitung seien allerdings noch weitere Gespräche mit anderen Ministerien nötig.

Wenn nur Schöffen und Bürgermeister nicht gleichzeitig ein Abgeordnetenmandat ausführen dürfen, sitzt danach die kommunale Opposition im Parlament. Das ist auch schwer zu rechtfertigen. »Simone Asselborn-Bintz, Député-Maire von Sanem

Eins steht aber bereits fest: Bei der Reform wird das Streitthema Doppelmandate ausgeklammert. Das Staatsministerium hatte die Parteien zwar vor der Pandemie gebeten, sich über das Wahlsystem und die Mandatstrennung Gedanken zu machen. Bisher wurden die Arbeiten jedoch nicht weitergeführt. Der Reformdrang hält sich dann auch bei allen Parteien stark in Grenzen.

Ein wichtiger Grund dafür lautet: Die Anhäufung der politischen Mandate ist dem politischen System in Luxemburg fast inhärent. „In die Nationalpolitik kommt man entweder durch seinen Bekanntheitsgrad als Lokalpolitiker oder wenn man in der Zivilgesellschaft etwa als Sportler oder Journalist eine gewisse Prominenz erreicht hat“, sagt « Syvicol »-Präsident Emile Eicher. Die Aussage lässt sich in der Tat anhand der aktuellen Zusammensetzungen des Parlaments bestätigen.

Doch die Parteien sind sich im Detail auch noch nicht einig, für wen eine Trennung der Mandate in Zukunft infrage kommen könnte. „Wenn nur Schöffen und Bürgermeister nicht gleichzeitig ein Abgeordnetenmandat ausführen dürfen, sitzt danach die kommunale Opposition im Parlament. Das ist auch schwer zu rechtfertigen“, sagt etwa Simone Asselborn-Bintz.

Keine Frage der Deontologie

Eine Ausweitung der Liste von Berufen, die mit einem Mandat unvereinbar wären, wurde laut Ministerium aktuell auch nicht ins Auge gefasst. Für lokale Mandatsträger gilt weiterhin, dass man nicht gleichzeitig in der eigenen Gemeinde angestellt sein darf. Beamte, die nicht im Innenministerium arbeiten, können jedoch auch ein Mandat auf kommunaler Ebene annehmen. Erst kürzlich wurde etwa Luc Feller, Hochkommissar für nationale Sicherheit, als Schöffe in Mamer vereidigt. Auf nationaler Ebene sind für Abgeordnete folgende Posten nicht mir ihrem Mandat vereinbar: Staats- oder Kommunalbeamte, CFL-Angestellte und Menschen, die für den Staat oder die Gemeinde arbeiten, erhalten zwangsläufig ein « traitement d’attente » bzw. eine « pension spéciale ».

Für die Zeit nach dem politischen Mandat gibt es dagegen keinerlei Einschränkungen. Auch für Laurent Zeimet wäre eine Rückkehr zu seinen beruflichen Wurzeln demnach eine Möglichkeit gewesen. Der ehemalige politische Journalist erzählt im Gespräch mit Reporter.lu, dass er bereits vor ein paar Jahren über die Möglichkeit nachgedacht habe, zum „Luxemburger Wort“ zurückzukehren. In deontologischer Hinsicht sieht er darin kein Problem.

„Wenn wir Journalisten auffordern, sich zwischen Beruf und Politik zu entscheiden, haben wir danach fast keine Mandatsträger mehr aus dem Privatsektor“, pflichtet Parteikollege Emile Eicher bei. Bei einem anderen großen Medienhaus gilt allerdings eine Unvereinbarkeit zwischen beiden Berufen. RTL-Journalisten müssen sich etwa zwischen ihrem Beruf oder einer politischen Karriere entscheiden. Für gescheiterte Kandidaten, wie etwa Fränk Kuffer, Nico Keiffer (beide CSV), Dan Hardy (ADR) oder Joëlle Hengen (DP), gibt es demnach auch keinen Weg zurück.

Für Laurent Zeimet spielt dieser Gedanke auch keine Rolle mehr. Er hat nämlich einen neuen Arbeitgeber gefunden. Die CSV-Fraktion hat den Ex-Journalisten als Referenten eingestellt. Eine genaue Funktion wurde dem Vollzeit-Bürgermeister logischerweise nicht zugeteilt. Sein Gehalt wird über den nationalen Kommunalfonds an die Fraktion überwiesen.