Blau-Rot-Grün traut sich: Mit einer neuen Abgabe auf Sprit, Gas und Heizöl will die Regierung die Luxemburger zu besseren Klimaschützern machen. Doch die Details und die Umsetzung der CO2-Steuer lassen Zweifel an deren Wirksamkeit zur Senkung der Emissionen zu.

Es gibt zwei Methoden, um einen Esel zu bewegen: Ihn mit einer Karotte locken oder mit einem Stock antreiben. Was für eigenwillige Nutztiere klappt, sollte im übertragenen Sinne auch für störrische Bürger wirken. Zumindest ist das die Hoffnung hinter der blau-rot-grünen Klimapolitik.

Karotten gab es bisher reichlich, es sind etwa die großzügigen staatlichen Beihilfen für Elektroautos, Fahrräder und das Auswechseln von Ölheizungen. Die CO2-Steuer ist der Stock: „Luxemburg macht den Verbrauch klimaschädlicher fossiler Energien bewusst weniger attraktiv“, erklärte Finanzminister Pierre Gramegna (DP) in seiner Budgetrede. Zuvor hatte auch Premier Xavier Bettel (DP) die Maßnahme in seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt und gerechtfertigt.

Der blau-rot-grüne „carrot-and-stick“-Ansatz entspricht dem, was Lehrbücher in der Klimapolitik empfehlen. Im Detail zeigt sich jedoch, dass die CO2-Steuer nach Luxemburger Modell problematische Lücken aufweist.

„Ein homöopathischer CO2-Preis“

Es fängt bei der Höhe an: Für 2021 soll die Steuer bei 20 Euro pro Tonne CO2 liegen. Das entspricht etwa fünf Cent pro Liter an der Tanksäule. 2022 soll der CO2-Preis dann bei 25 Euro liegen, 2023 bei 35 Euro.

Aktuell haben 17 Länder in Europa eine solche CO2-Bepreisung eingeführt, allerdings in sehr unterschiedlicher Höhe. Im Schnitt liegt der Preis pro Tonne bei knapp 36 Euro. Deutschland führt im Januar einen CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne auf Heiz- und Kraftstoffen ein. Bis 2025 soll er auf 55 Euro steigen.

Oldag Caspar, Teamleiter der deutschen und europäischen Klimapolitik der Umweltorganisation « Germanwatch », bezeichnete den Luxemburger CO2-Preis als „homöopathisch“. Erst ab 40 bis 50 Euro zeige eine solche Steuer Wirkung, so der Experte im Gespräch mit Reporter.lu.

Der Luxemburger Forscher Stéphane Poncin sieht dagegen einen Effekt selbst bei einem geringeren Preis. Das gilt besonders für das Heizen von Wohnungen. Damit eine CO2-Steuer Erfolg hat, müssen jedoch mehrere Bedingungen erfüllt sein, so Stéphane Poncin. „Es braucht die Akzeptanz der Betroffenen. Die ist nur erreichbar, wenn die Steuer sozial verträglich ist und deren Einnahmen so transparent wie möglich für weitere Einsparmaßnahmen genutzt werden.“

Langwierige politische Verhandlungen

Bei beiden Kriterien hapert es bei der nun vorgestellten CO2-Steuer. Trotzdem ist die Einführung dieses neuen Instruments bemerkenswert. Denn noch im Februar versuchten LSAP und DP die Einführung einer CO2-Steuer zu torpedieren. Der LSAP-Fraktionschef Georges Engel lancierte die Idee eines „gestaffelten Dieselpreises“. Die Idee: Die LKWs, die im Transitverkehr große Mengen tanken, sollten höhere Akzisen zahlen. Dadurch könnte der Spritexport sinken und damit auch die CO2-Emissionen, die Luxemburg angerechnet werden. Und natürlich hätte man so auch die einheimischen Wähler verschonen können. Eine seriöse Klimapolitik wäre das aber nicht, weil sie keine Probleme in Luxemburg lösen würde.

Am Mittwoch protestierte Youth for Climate vor dem « Cercle » für eine ambitiöse Klimapolitik. (Foto: Mike Zenari)

„Mir huelen d’Muert aus dem Frigo a loossen de Bengel am Schapp“, hatte auch der DP-Abgeordnete Max Hahn noch im Mai 2019 erklärt. Die Ergänzung der Förderpolitik mit einer „harten“ Maßnahme war zudem nicht im Koalitionsprogramm vorgesehen. Es war ein Resultat der Verhandlungen rund um den Klima- und Energieplan. Auf den ersten Blick kann die Ankündigung der CO2-Steuer ab Januar 2021 also als koalitionsinterner Erfolg der Grünen gewertet werden.

CO2-Steuer soll « Kyoto-Cent » ersetzen

Es gehe nicht darum, neue Einnahmen zu schaffen, erklärten sowohl der Premier als auch der Finanzminister diese Woche . Technisch gesehen stimmt das: Im Entwurf des Haushaltgesetzes für 2021 steht, dass die Regierung den „Kyoto-Cent“ durch die CO2-Steuer ersetzt. Aktuell zahlt man beim Tanken 2,5 Cent Klimaabgabe auf einen Liter Benzin und 3,5 Cent auf einen Liter Diesel. Formal handelt es sich also durchaus um eine Steuererhöhung.

Im Haushaltentwurf steht zudem eine maximale Akzise, die einem Plus von acht Cent bei Diesel gleichkommt. Die tatsächliche Höhe legt die Regierung per Reglement fest. Anders als der „Kyoto-Cent“ gilt die Abgabe aber auch auf Heizöl und Erdgas.

Der Finanzminister rechnet mit knapp 160 Millionen Euro an Einnahmen aus der neuen CO2-Steuer. Allerdings muss man davon eben 62 Millionen abrechnen, die der „Kyoto-Cent“ 2020 an Einnahmen brachte.

Ein (sozialer) Ausgleich für (fast) alle

Damit die neue Steuer die Kaufkraft nicht zu sehr belastet, will die Regierung den bestehenden Steuerkredit von 600 Euro um 96 Euro erhöhen. Finanzminister Pierre Gramegna betonte im Parlament, dass dieser Kredit bis zu einem Einkommen von 40.000 Euro im Jahr voll greift und bis zu einem Einkommen 80.000 Euro progressiv sinken soll.

Auf den ersten Blick wird die CO2-Steuer somit zu einer progressiven, also sozial gestaffelten Abgabe. Jene Haushalte, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens keine Steuern zahlen, bekommen sogar zusätzliches Geld vom Staat (als „negative“ Einkommensteuer). Jene mit „breiteren Schultern“ trifft die CO2-Steuer härter. Schaut man jedoch genauer hin, scheint die Maßnahme sehr großzügig für die Mittelklasse. 2017 hatten etwa 90 Prozent aller Luxemburger Haushalte ein steuerpflichtiges Einkommen von unter 80.000 Euro.

2017 entsprachen die Steuerkredite einer Gesamtsumme von 230 Millionen Euro, geht aus einem Bericht des Wirtschafts- und Sozialrats hervor. Grob geschätzt entspricht der Ausgleich über den Steuerkredit also einem Drittel der geplanten Einnahmen der CO2-Steuer.

Zusätzlich erhöht die Regierung die „allocation de vie chère“ ab Januar um zehn Prozent. Das entspricht einer zusätzlichen Entlastung von einkommensschwachen Haushalten von knapp fünf Millionen Euro. 20.500 Haushalte erhielten diese Teuerungszulage 2019, laut Aktivitätsbericht des Familienministeriums.

Doppelter Effekt des sozialen Ausgleichs

Im Vergleich scheint dieser Ausgleich großzügig. In der Schweiz gibt es seit 2008 eine CO2-Steuer auf Heizöl und Erdgas. Inzwischen beträgt die Abgabe umgerechnet 86 Euro pro Tonne CO2, also mehr als vier Mal so viel wie in Luxemburg im kommenden Jahr. Ein Teil der Einnahmen fließt auch in der Schweiz zurück an die Bürger: 2019 waren das 76 Euro pro Person.

Von der sozialen Abfederung der Maßnahme erhofft sich die Politik natürlich eine höhere Akzeptanz der CO2-Steuer. Allerdings gilt auch das Prinzip: Je höher der Ausgleich, desto weniger Geld bleibt aus den Einnahmen der Steuer für Investitionen in den Klimaschutz übrig.

Dazu kommt, dass die Regierung das transparente System des „Kyoto-Cent“ abschafft. Bisher floss die Klimaabgabe vollständig in den Klimafonds, über den nationale und internationale Maßnahmen zur Emissionsminderung  finanziert werden.

Im Entwurf des neuen Klimagesetzes steht das auch noch so. In seiner Rede am Mittwoch sagte der Finanzminister jedoch: „Der Überschuss der Einnahmen aus der CO2-Steuer […] fließt in grüne und nachhaltige Investitionen“. Im Haushaltsgesetz steht noch schwammiger: Ein Teil der Einnahmen aus der CO2-Steuer fließt in den Klimafonds.

Was bleibt für den Klimaschutz?

Im Budget ist allerdings festgehalten, dass im kommenden Jahr 64,6 Millionen Euro aus den Einnahmen der CO2-Steuer in den Klimafonds fließen sollen. Das ist etwas mehr als der „Kyoto-Cent“ einbrachte. Nochmals 104 Millionen fließen aus dem allgemeinen Staatshaushalt in den Klimafonds.

Die CO2-Steuer bedeutet also nicht automatisch mehr Geld für tatsächlichen Klimaschutz. Letztlich fließen 40 Prozent der Einnahmen unmittelbar in den Klimafonds. Ursprünglich plante Blau-Rot-Grün die Hälfte der Einnahmen zum Klimaschutz einzusetzen.

47 Millionen Euro aus dem Klimafonds sind nächstes Jahr eingeplant, um nationale Maßnahmen zu finanzieren – etwa Beihilfen für Ladesäulen für Elektroautos oder Fotovoltaik-Anlagen. Gegenüber 2019 haben sich diese verteilten „Möhren“ dabei fast verfünffacht. Diese Geberlaune des Staates hat auch mit dem Paradox der Luxemburger Klimapolitik zu tun: Jeder „Tanktourist“ finanziert den Tesla der hiesigen Mittelschicht. Und daran ändert auch die CO2-Steuer nichts.