Das Parlament debattierte am Donnerstag über die Aufklärung der Cluster in Alters- und Pflegeheimen. Eine Einigung konnte wegen politischer Divergenzen über die Unabhängigkeit der Untersuchung nicht gefunden werden. Die Debatte gipfelte in der Aufforderung zum Rücktritt der Familienministerin.

Seit März 2020 wurden 36,3 Prozent der Bewohner in 40 Alters- und Pflegeheimen des Landes positiv auf Covid-19 getestet. Das sind 1.775 von insgesamt 5.220 Menschen. Jeweils mindestens zwei Personen pro Struktur sind in Zusammenhang mit der Infektion gestorben. 53 Cluster konnten identifiziert werden, das größte umfasste 101 positiv getestete Einwohner.

Diese Daten gehen aus der Antwort der Familienministerin Corinne Cahen (DP) auf eine dringende parlamentarische Anfrage des CSV-Abgeordneten Michel Wolter hervor. Die ursprünglich in einer CSV-Motion geforderte Aufklärung des durch die Medien bekannt gewordenen Clusters in Niederkorn bekam spätestens durch diese Zahlen einen anderen Umfang.

Forderung nach externer Untersuchung

In der Parlamentssitzung vom 1. April stellten alle Parteien, Mehrheit und Opposition, die Forderung nach einer externen, unabhängigen Untersuchung. Darüber, dass die Situation in den Alters- und Pflegeheimen seit Beginn der Pandemie einer Aufklärung bedarf, waren sich alle einig. Uneinigkeit herrschte jedoch über die Einbindung der verantwortlichen Ministerien.

Über die Frage, welche Rolle das Gesundheitsministerium und vor allem das Familienministerium bei der Untersuchung übernehmen sollen, konnte weder in der Gesundheitskommission noch in den am Nachmittag folgenden, langen Debatten im Parlament eine Einigung gefunden werden.

Die Folge: Regierung und Opposition stellten zwei grundsätzlich ähnliche, doch in Hinblick auf die Regierungsbeteiligung an der Untersuchung unterschiedliche Motionen. Jene der Regierung wurde mit 31 Ja- gegen 29 Nein-Stimmen angenommen. Daraufhin forderte die Opposition in einer weiteren Motion den Rücktritt der Familienministerin Corinne Cahen.

Wir können nicht akzeptieren, dass uns unterstellt wird, dass wir etwas vertuschen wollen.“Mars di Bartolomeo, LSAP

„In ihrer 21-minütigen Rede hat Corinne Cahen bewiesen, dass sie nicht die richtige Person auf dem richtigen Platz ist“, sagte Michel Wolter nach der Intervention der Familienministerin. Sie sei „keine Sekunde“ auf die zur Debatte stehenden Motionen eingegangen und sei sich dem Ernst der Lage nicht bewusst.

Eine „enge und konstruktive Zusammenarbeit zwischen den wissenschaftlichen Instituten und den beiden Ministerien“, wie es die Motion von Mars di Bartolomeo (LSAP) vorsieht, wollten die vier Oppositionsparteien nicht mittragen.

Den « Bock zum Gärtner » machen

Für David Wagner (Déi Lenk) handelt es sich dabei um „einen schlechten Witz“, Michel Wolter warf der Regierung vor, „den Bock zum Gärtner“ machen zu wollen. Schließlich könnten politische Aktivitäten nicht von den Akteuren derselben Handlungen überprüft werden. Sven Clément (Piraten) verglich die geforderte Untersuchung mit Ermittlungen der Polizei: Potenzielle Schuldige oder Zeugen könnten doch nicht jene sein, die die Ermittlungen durchführten.

Das Argument von Mars di Bartolomeo, dass die Ministerien unweigerlich mitarbeiten müssten, da sie schließlich die Daten für die Untersuchung hätten, wurde von Sven Clément als „schwach“ zurückgewiesen. Wenn das Parlament sich für eine Untersuchung entscheide, hätten die Ministerien die Daten zu liefern. Dazu müssten sie nicht in die Untersuchung eingebunden sein.

Forderung nach Rücktritt

David Wagner ging noch einen Schritt weiter und sprach sich für eine Untersuchungskommission aus. Schließlich ginge es längst nicht mehr nur um eine epidemiologische Analyse, sondern auch um ein Audit, also um eine Analyse zu den Prozeduren im Familienministerium.

Nach mehreren teils emotionalen Wortbeiträgen, in denen Mars di Bartolomeo an Zusammenhalt und Konsens appellierte und die Parlamentarier dazu aufforderte, „ihre Partei- und Fraktionskarten draußen zu lassen, um den Dingen auf den Grund zu gehen“, wies auch er letztendlich eine Einigung auf eine gemeinsame Motion zurück. „Wir können nicht akzeptieren, dass uns unterstellt wird, dass wir etwas vertuschen wollen“, sagte der LSAP-Abgeordnete.

Aus einem ursprünglich gemeinsame Anliegen, der Aufklärung der vielen Cluster in den Alters- und Pflegeheimen, wurde ein politisches Kräftezerren, das in der Aufforderung zum Rücktritt der Familienministerin gipfelte. Die Motion zum Rücktritt der Familienministerin wurde letztendlich abgelehnt, da die Regierungsparteien sich geschlossen hinter die Ministerin stellten. Eine Untersuchung wird es geben. Wie unabhängig diese sein wird, muss sich noch zeigen.


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