Keine oder kaum interessante Arbeitsaufträge: Dies kann auch eine Form von Schikane am Arbeitsplatz sein. Die Betroffenen können durch diese Unterforderung ein „Boreout“ entwickeln. Das Krankheitsbild ähnelt dem einer Depression, ist jedoch offiziell nicht anerkannt.
« Mobbing und Unterforderung am Arbeitsplatz können miteinander zusammenhängen », erklärt Carolin Gorges, Mitarbeiterin des „Service de Santé au Travail Multisectoriel“ (STM), „Dem Betroffenen werden entweder keine oder nur wenig anspruchsvolle Aufgaben zugeteilt“. Laut Gorges verberge sich dahinter manchmal eine Strategie, um den Angestellten „loszuwerden“ – um ihn also aus dem Job zu ekeln.
„Anfangs nimmt der Angestellte die Situation vielleicht noch als entlastend wahr“, sagt Magdalena Mida, Direktorin der „Mobbing asbl“. Nach einiger Zeit verkehre sich dies jedoch ins Gegenteil, da das konstante Nichtstun Stress produziere. „Es manifestieren sich Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle“, erklärt Mida.
Der Betroffene frage sich, warum er keine Arbeit bekomme, und suche die Gründe oft bei sich selbst. Dabei gerate er ins Grübeln. „Depressionen sowie psychosomatische Effekte können auftreten. Im schlimmsten Fall mündet ein Boreout in Selbstmordgedanken und -versuchen“, so die Psychologin und Mediatorin.
„Man kann natürlich auch ein Boreout entwickeln, wenn kein Mobbing vorliegt“, ergänzt Mida. Jedoch sei das Phänomen „Boreout“ oft ein Ausdruck systematischer Anfeindung. Der Verein « Mobbing asbl » setzt sich gegen Demütigung und moralische Belästigung im beruflichen Kontext ein.
Krankheitsbild „Boreout“ nicht anerkannt
2019 gaben 17 der 145 Antragsteller bei „Mobbing asbl“ an, an einem Boreout zu leiden. Das Jahr davor waren es 36 von insgesamt 238 Personen. In diesen Fällen ist das Boreout-Syndrom – die chronische Unterforderung des Arbeitnehmers über eine Dauer von mindestens sechs Monaten – eindeutig das Resultat von Schikane am Arbeitsplatz.
Niemand kann sich wegen eines Boreouts krankschreiben lassen.“Carolin Gorges, STM
„Das sehen wir hier oft“, sagt auch Carolin Gorges. Von den 25 bis 30 Berufstätigen, mit denen sie durchschnittlich pro Monat Beratungsgespräche führe, spreche mindestens eine Person das Problem „Boreout“ an.
Für Betroffene kommt erschwerend hinzu, dass das Syndrom nicht offiziell als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt ist. So ist der Begriff z.B. nicht in dem weltweit anerkannten Diagnoseverzeichnis „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD) aufgelistet.
„Niemand kann sich wegen eines Boreouts krankschreiben lassen“, stellt Gorges fest. Auch sei die Hemmschwelle, das Problem offen anzusprechen, hoch. „Man schämt sich dafür, da man nicht wie ein Faulpelz wirken möchte“. Dabei entstehe der Leidensdruck gerade dadurch, dass sich die Person unfreiwillig in dieser Lage befinde.
Schwierige Suche nach dem Ausweg
Lösungen zu finden, gestaltet sich unterdessen schwierig. „Der Angestellte müsste aktiv werden, sich selbst neue Herausforderungen suchen oder mit dem Arbeitgeber oder dem Personalbüro reden“, sagt Gorges. Doch da ein Boreout einer depressiven Episode sehr ähnele, würde sich die betroffene Person dazu oftmals nicht fähig fühlen. Im Fall von Mobbing sei der ohnehin heikle Dialog mit den Vorgesetzten zusätzlich erschwert.
Ähnlich drückt sich auch Magdalena Mida aus. „Um die Situation gemeinsam verbessern zu können, müssen ein gesundes Arbeitsklima und eine gute Arbeitsorganisation vorliegen“. Und diese seien im Falle von Schikane am Arbeitsplatz oftmals nicht gegeben.
„Letztlich hängt die Lösung jedoch von der konkreten Situation ab“, folgert Mida – und appelliert zudem für eine größere gesellschaftliche Anerkennung psychosozialer Probleme. „Darum müsste man sich stärker bemühen“, so die Direktorin der „Mobbing asbl“.