2013 wollte Blau-Rot-Grün die Fenster aufreißen und Luxemburg neu gestalten. Diesmal fallen die Pläne bescheidener aus. Es ist das Programm einer ganz normalen Koalition, die Geld verteilt aber sich Spielraum lässt. Ein erster Überblick.
Mit Blau-Rot-Grün ist es wie bei den meisten TV-Serien. Die erste Staffel ist der Knaller: Neu, aufregend, ehrgeizig. Mit der zweiten Staffel wird es dann langweilig: Man gewöhnt sich an die Charaktere und die Spannung flaut ab.
Und so ist auch das Drehbuch für die nächsten fünf Jahre der Dreierkoalition eher mau. 2013 hieß es noch, die Regierung werde das Land „modernisieren“ und stehe für eine „politische Erneuerung“. Dieses vollmundige Versprechen ist nun zur Aussage geschrumpft, man wolle weiter an der Zukunft des Landes arbeiten. Der Eifer der Neulinge ist der Routine gewichen.
Ein Programm des Ungefähren
Ein Teil des Programms besteht aus Vorhaben, die die Koalition in den letzten fünf Jahren nicht abgeschlossen hat. Neue Maßnahmen sollen geprüft, diskutiert, analysiert, begutachtet und in Betracht gezogen werden. Über 200 Mal stehen diese windelweichen Verben im Programm. Die Koalition schweigt sich aus, was die einzelnen Maßnahmen kosten werden.
Klar ist, dass das Abkommen den Anforderungen, die der Formateur Xavier Bettel zu Beginn der Verhandlungen stellte, nicht entspricht. „Es sind drei Parteien beteiligt und es ist wichtig, dass es später keine Interpretationsmöglichkeiten gibt“, meinte Bettel am 24. Oktober. Beim Lesen des Regierungsprogramms fällt aber auf, dass viele Maßnahmen nicht ausformuliert sind. Das wird jeder der drei Partner in seinem Sinne auslegen. Das ist bei einer Mehrheit von lediglich einer Stimme durchaus risikoreich.
Entweder fehlt die konkrete Ausgestaltung oder ein Zeitplan. Manchmal beides. Allerdings hat die Dreierkoalition offenbar aus den Erfahrungen des Programms von 2013 gelernt. Darin standen detaillierte zeitliche Angaben etwa zur Verfassungsreform, die jedoch zum größten Teil nicht eingehalten wurden.
Die Verhandlungen kommen erst noch
Es steht also nun der grobe Rahmen. Doch auf die Details werden sich die drei Parteien in den nächsten fünf Jahren immer wieder einigen müssen. Das ist ein Unterschied zu der ersten Auflage von Blau-Rot-Grün, wo es vor allem um große Gesellschaftsreformen ging. Anders als bei der nun geplanten großen Steuerreform war das Prinzip klar: Ehe für alle, Trennung von Staat und Kirche usw.
Diesmal geht es um Vorhaben, die die Bürger unmittelbar im Portemonnaie spüren – etwa die höheren Abgaben auf Benzin und Diesel. Das soll zwar auf anderer Seite ausgeglichen werden, wie etwa den Steuern auf dem Einkommen. Doch jedes Detail hat das Potenzial, viele Unzufriedene zu schaffen. Anders als noch 2013 verspricht die Koalition allerdings, dass niemand schlechter wegkommt.
Die Steuerreform von 2017 ließ noch viele technische Punkte außen vor – etwa die Reform der Grundsteuer, die nun kommen soll. Die drei Vorhaben Mindestlohnerhöhung, Senkung der Kilometerpauschale und die Abschaffung der Steuerklassen erfordern jedes Mal eine Anpassung der Steuertabelle.
Die wichtigsten Maßnahmen in Kürze
Das Programm enthält allerdings mehrere große Vorhaben, die bereits detailreicher dargestellt werden. Hier die wichtigsten im Überblick:
Mindestlohn: Ab dem 1. Januar 2019 gilt ein um 100 Euro höherer Mindestlohn. Erstens steigt der Bruttolohn um knapp 41 Euro, sprich zwei Prozent. Für diesen Teil müssen die Betriebe aufkommen. Zweitens sinken die Steuern für die Bezieher des Mindestlohns, so dass sie mehr Netto vom Brutto erhalten. Das ist allerdings kompliziert und so wird dieser Teil erst rückwirkend eingeführt, sobald die Gesetze angepasst sind.
„Gratis“ öffentlicher Transport: Spätestens im Frühjahr 2020 werden Bahn und Bus in Luxemburg für die Nutzer umsonst. „Parallel“ will die Koalition die Kilometerpauschale reformieren. Ob dies einer Steuererhöhung gleichkommt, die die Kosten auffangen soll, verschweigt Blau-Rot-Grün. Schichtarbeiter sollen nicht benachteiligt werden.
Steuerreform: Die Koalition will die Steuerklassen abschaffen und eine einzige Steuertabelle für alle Privatpersonen einführen. Insgesamt soll die Steuerlast sinken. Den finanziellen Spielraum soll die höhere Besteuerung von Benzin und Diesel liefern. Ein Datum fehlt, es soll jedoch Übergangsphasen geben. Der Steuersatz für Unternehmen sinkt um einen Prozentpunkt, der niedrige Satz für kleine Firmen wird für Gewinne bis 175.000 Euro gelten.
„Tiers payant“: Das bestehende System des Drittzahlers wird ausgebaut, der freiwillige Tiers payant wieder eingeführt und die Prozeduren, um den Tiers payant social zu beantragen, vereinfacht. Beim Tiers payant généralisé bleibt der Text aber vage. Stattdessen plant die Koalition ein System, das den Versicherten ihr Geld sofort zurückerstattet. So müssten sie nicht mehr jede Rechnung einschicken. Soviel ist sicher: Damit das funktioniert, müsste das gesamte Versicherungssystem überarbeitet und komplett digitalisiert werden. Wie viel das kostet, wird im Text nicht erwähnt.
Cannabis: Wie ist klar, aber wann ist hier die Frage. Für den Anbau und die Abgabe, den Konsum und den Besitz des Rauschmittels soll ein gesetzlicher Rahmen entstehen. So will der Staat die Qualität, die Produktion und den nationalen Verkauf garantieren und kontrollieren. Wann die Legalisierung kommt, ist allerdings nicht im Koalitionstext festgehalten.
Maisons Relais: Es wurde vergangene Woche angekündigt und wird laut Koalitionsvertrag auch so kommen: Die Maisons Relais werden während den Schultagen für Familien kostenlos. Auch hier ist nicht klar, wann das Projekt starten soll. Daran hängen auch die „Chèques-Service“. Die Regierung will das System als Zahlungsmethode überarbeiten.
„Qualitatives Wachstum“
Blau-Rot-Grün will den Hattrick: Viel investieren, Steuern senken und nicht mehr Schulden machen. In anderen Ländern sind Regierungen froh, wenn sie einen der drei Punkte einhalten.
Die Dreierkoalition will das Unmögliche erreichen, indem sie mehr Steuerzahler ins Land lockt, also mehr Arbeitsplätze entstehen und neue Unternehmen ins Land kommen. Aber: Wie in den vergangenen Jahren soll dies im Rahmen einer „qualitativen wirtschaftlichen Entwicklung“ passieren. Die Koalition will besser lenken, welche Betriebe sich in Luxemburg niederlassen.
Um die Folgen des Wachstums in den Griff zu bekommen plant die Regierung weiterhin massive Investitionen in Straßen, Tramstrecken, Bahnstrecken und Schulen. Der Baubeginn von ganzen 25 Verkehrsprojekte ist für 2020 geplant, zahlreiche weitere sind über die Legislaturperiode hinaus vorgesehen.