Die Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen Grundrechte. Das hielt der Europäische Gerichtshof bereits 2014 fest. Trotzdem stimmte die blau-rot-grüne Mehrheit gegen eine Aussetzung der Überwachungsmaßnahme. Justizminister Braz hofft weiter auf eine europäische Lösung.

Am Mittwoch stand der Datenschutz im Zentrum der Parlamentsarbeit. Gegenüber der « Datenbank-Affäre » erntete die Motion der Piraten gegen die Vorratsdatenspeicherung wenig Aufmerksamkeit. Dabei geht es um einen andauernden Verstoß gegen Grundrechte, der höchstrichterlich vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gleich zweimal festgestellt wurde.

Die Regierung solle die Urteile respektieren und die Vorratsdatenspeicherung schnellstmöglich unterbinden, forderte der Antrag der Abgeordneten Sven Clement und Marc Goergen. Doch ihre Motion wurde mit den 31 Stimmen der Mehrheit abgelehnt. CSV und ADR enthielten sich. Nur Déi Lénk unterstützten die Piraten.

Justizminister sieht sich bestätigt

Es sei ein « rechtswidriger Zustand », dass in Luxemburg weiterhin Vorratsdaten gespeichert werden, lautete die Einschätzung des Strafrechtsexperten Stefan Braum im Gespräch mit REPORTER. Zwei parlamentarische Anfragen von CSV und Piraten griffen diesen Artikel auf.

Die CSV-Fraktion wollte am Mittwoch die Motion unter der Bedingung mittragen, dass nicht die Abschaffung, sondern die Anpassung an die EuGH-Urteile gefordert würde. Doch auch diese Variante lehnten die Abgeordneten von DP, LSAP und Déi Gréng ab. « Die Abgeordneten der Regierungsparteien haben zu keinem Moment das Wort ergriffen », wundert sich Sven Clement.

Doch Justizminister Felix Braz (Déi Gréng) fühlt sich bestätigt durch das klare Ergebnis, erklärt er im Gespräch mit REPORTER. Es sei klar, dass es eine europäische Lösung brauche und Luxemburg nicht im Alleingang die Maßnahme abschaffen solle. Im Juni beauftragten die EU-Justizminister die Kommission, eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung auszuarbeiten. Der EuGH hatte die ursprüngliche Richtlinie gekippt.

Eine EU-Lösung mit Hürden

Doch ob diese europäische Lösung je kommen wird, steht in den Sternen. « Das EuGH-Urteil von 2016 stellt das Prinzip der Vorratsdatenspeicherung an sich infrage », erklärt Clement im Gespräch mit REPORTER. Unter Experten ist umstritten, unter welchen Bedingungen die Speicherung rechtlich überhaupt noch zulässig wäre.

Es ist deshalb unrealistisch, dass Luxemburg eine nationale Lösung findet, sagt der Justizminister. Selbst die Experten der EU-Kommission hätten Mühe, eine Lösung zu finden. Entsprechend untätig blieb Brüssel in den letzten Jahren, sehr zum Unmut von Felix Braz. Er habe immer wieder eine europäische Lösung gefordert, betont er. Das sei aber kein Argument, die Speicherung in Luxemburg in der Zwischenzeit weiterzuführen, kontert Clement.

Einen möglichen Ansatz sieht Braz darin, die Verbindungsdaten über Telefongespräche, Textnachrichten und Internetnutzung zu nutzen, die die Telekom-Dienstleister speichern, um den Kunden Rechnungen auszustellen. Der Speicherzeitraum wäre dann deutlich eingeschränkter als die sechs Monate, die heute Pflicht sind.

2015 hatte Felix Braz einen Gesetzesentwurf vorgelegt, um die Vorratsdatenspeicherung an das erste EuGH-Urteil von 2014 anzupassen. Doch die Justizkommission stellte die Arbeit am Text nach dem zweiten Urteil ein. Die Piraten fordern nun, dass dieser Entwurf wieder auf die Tagesordnung kommt und dass der Staatsrat Stellung bezieht.

Rechte können kaum eingeklagt werden

Die aktuelle Rechtslage sei problematisch, gibt der Justizminister zu. Allerdings betonte er im Parlament, die Grundrechte eines jeden seien geschützt. Gründe eine Anklage auf Vorratsdaten, könne der Beschuldigte vor Gericht diesen Beweis anfechten, meint Braz. Außerdem sei der Zugang zu den Daten in Luxemburg strenger als anderswo geregelt.

Ob eine solche Anfechtung in der Praxis realistisch ist, bezweifeln allerdings Juristen. In Deutschland kippte das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung nach einer Klage. Doch in Luxemburg kann nur ein Richter das Verfassungsgericht auffordern, zu prüfen, ob eine gesetzliche Regelung verfassungskonform ist.

2017 fragte die Luxemburger Justiz über 4.000 Vorratsdaten bei den Telekom-Anbietern an. Angesichts der hohen Zahl könne man davon ausgehen, dass es nicht jedes Mal zu einer Anklage gekommen sei, so Clement. Dann hätten die Betroffenen aber keine Möglichkeit je zu erfahren, dass die Justiz ihre Vorratsdaten angefragt hatte. Er fordert, dass sie im Nachhinein über die Nutzung informiert werden.


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