Journalismus soll nicht nur Aufmerksamkeit erwecken, sondern im besten Fall etwas bewirken. In aller Bescheidenheit können wir sagen: Das ist uns im vergangenen Jahr mehrmals gelungen. Wir präsentieren den Rückblick auf die besten Stories, die im März 2020 auf Reporter.lu erschienen sind.
Nachdem ganz Luxemburg im Februar über den Waringo-Bericht und die anstehende Reform der Monarchie diskutierte, drängte sich im März ein neues Thema mit aller Macht in den Vordergrund: das Coronavirus. Ähnlich außerordentlich wuchs das Bedürfnis der Menschen nach Informationen und journalistischer Einordnung.
Wie bei anderen Medien ging die weltweite Krise auch bei uns mit einem starken Anstieg der Leserzahlen einher. Während Reporter.lu bis dahin monatlich zwischen 50.000 und 100.000 einzelne Seitenaufrufe zählte, waren es im vergangenen März fast 250.000 – die Klickzahlen mancher Artikel lagen zum Teil beim Zehnfachen der üblichen Werte. Nie zuvor in der (jungen) Geschichte von Reporter.lu wollten so viele Leser wissen, was wir zu berichten hatten. Und auch unsere Abonnentenzahlen stiegen stetig an.
Lernen, mit der Pandemie umzugehen
Liest man diese ersten Artikel zur Pandemie heute nochmals, dann fällt auf: Auch wir mussten die große Unsicherheit, die damals herrschte, erst einmal in Worte fassen. Dazu gehört aber auch die steile Lernkurve, die viele Menschen in der Pandemie mitmachten. Im Beitrag « Kein Grund zur (allzu großen) Panik » versuchte Christoph Bumb durch Gespräche mit Experten den Ernst der Lage einzuschätzen. Der Artikel erschien am 13. März – drei Tage bevor die Regierung den Ausnahmezustand ausrief. Er gehört zu den meistgelesenen Beiträgen, die jemals bei Reporter.lu veröffentlicht wurden.
« Angst ist ein normales Gefühl. Es ist absolut ok, Angst zu haben. Ja, manchmal ist es sogar sinnvoll », sagte der Psychologe Claus Vögele damals. « Mit dem Grad der Unbekanntheit steigt der Grad der Angst. Das war in der Menschheitsgeschichte schon immer so. » Allerdings, so der Uni-Professor, müsse man « Panik », also die « Angst, die aus dem Ruder läuft », unbedingt vermeiden. Das Coronavirus dürfe nicht unser ganzes Denken bestimmen.
Das stille Leiden in den Altersheimen
In mancher Hinsicht sind die Erkenntnisse vom Beginn der Pandemie also immer noch gültig. Im März war zwar alles neu, aber die Fragen bleiben weiterhin die gleichen: Wie schlimm ist es, wie gehen wir damit um und wann wird es besser?
Eine Frage, die uns auch noch immer umtreibt: Warum erkranken so viele Menschen in Altersheimen? Und wie lassen sich die « personnes vulnérables » am besten schützen? Im Artikel « La situation est très, très grave » gingen Marie-Laure Rolland und Laurence Bervard mit als erste Journalistinnen in Luxemburg auf die Lage im Altersheim in Bartringen ein. Bereits vor dem Beginn des Lockdowns war das Infektionsgeschehen dort außer Kontrolle geraten.
Es fehlte an Testkits, es gab noch keine Richtlinien des Gesundheitsamts und die Familienministerin versuchte die Situation noch herunterzuspielen. Im Rückblick war die Reportage ein erster Beleg dafür, wie schwierig das komplette Abschotten der Altersheime für die Familien und die Bewohner in dieser sanitären Krise werden würde.
Luxemburgs Krankenhäuser am Limit
Auch die Gefahr, dass die Krankenhäuser überlastet sein könnten, stand im März genauso im Raum wie heute. Im Beitrag « Warum Luxemburgs Krankenhäusern der Kollaps droht » arbeiteten Michèle Zahlen und Laurence Bervard die damalige Faktenlage auf.
Im März verschwieg die Regierung noch, wie viele Intensivbetten im Notfall zur Verfügung stehen würden. Das sei eine Information, die „nicht für breite Öffentlichkeit gedacht“ sei, meinte Gesundheitsministerin Paulette Lenert auf Nachfrage. Heute gibt es zwar mehr Transparenz. Doch die Möglichkeit einer Überlastung des Gesundheitssystems ist noch nicht gebannt. Aktuell pendelt die Auslastung bei etwa der Hälfte der verfügbaren Betten.
Dabei zeigt sich heute, dass die materielle Ausgangsposition nur ein Faktor von vielen ist. Luxemburg verfügt etwa im Vergleich zu anderen Ländern über zahlreiche Intensivbetten. Allerdings war die Lage rein nach Zahlen in Belgien noch besser und dennoch gerieten die Krankenhäuser dort in absolute Notlagen. Hierzulande ist die größte Gefahr, so auch ein Fazit des damaligen Artikels, dass es zu Personalengpässen in den Krankenhäusern und Pflegeheimen kommt.
Die besten Stories (kurz vor der Krise)
Trotz Pandemie blieben aber auch im März 2020 andere Themen auf der Tagesordnung. Kurz vor dem Lockdown berichtete Véronique Poujol über den autoritären Führungsstil des LCGB-Präsident Patrick Dury und diesbezügliche Konflikte innerhalb des Gewerkschaftbundes: « L’homme fort et les malaises au LCGB ».
Aus dem Ruder geriet auch die Debatte über die Jagd auf Wildschafe – angefeuert durch eine polemische Facebook-Kampagne der Piraten. Die Partei der Abgeordneten Marc Goergen und Sven Clement distanzierte sich erst spät und nur halbherzig von Morddrohungen gegen Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng). « Piraten vergiften den politischen Diskurs », kommentierte damals REPORTER-Chefredakteur Christoph Bumb.
Mit Alex Bodry und Gast Gibéryen verabschiedeten sich dieses Jahr zwei Langzeitpolitiker aus dem Parlament. Was macht die Macht mit den Menschen und warum fällt es so schwer loszulassen? In « Wenn die Politik zur Droge wird », näherte sich Christoph Bumb diesem Thema an und schilderte anhand von jüngeren und älteren Protagonisten die Anziehungskraft der Politik als « Wichtigkeitsdroge ».
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