Im März unterzeichnete Premier Xavier Bettel eine Übereinkunft mit China. Doch bis heute weigert die Regierung sich, den Inhalt offenzulegen – während andere Partner Chinas dies tun. Dabei geht es um nichts weniger als den Weltmachtanspruch der Volksrepublik.

In diesem Punkt ist die Luxemburger Verfassung glasklar: „Die geheimen Verträge sind abgeschafft.“ Abkommen müssen per Gesetz angenommen und veröffentlicht werden. Auf diese Weise wissen also Parlament und Bürger genau, welche Verpflichtungen die Regierung gegenüber anderen Ländern eingegangen ist. Doch immer öfter ignorieren Premierminister Xavier Bettel (DP) und seine Minister diese Vorgaben.

Ende März unterschrieb Premierminister Bettel zusammen mit dem Premierminister Chinas Li Keqiang ein gemeinsames „Memorandum of Understanding“ betreffend die chinesische Initiative „Belt and Road“. Es sei eine neue Etappe in den Beziehungen zwischen China und Luxemburg und vertiefe die Zusammenarbeit in Bereichen von Wirtschaft bis Kultur, hieß es anschließend in einer knappen Pressemitteilung.

Doch was steht genau in dieser Übereinkunft? Aus dem Staatsministerium hieß es auf Anfrage von REPORTER im März, wir würden den Text in Kürze erhalten, damit wir uns ein Bild vom Inhalt machen könnten. Doch danach: Funkstille. Eine Anfrage im Rahmen des „Transparenz“-Gesetzes lehnte das Außenministerium vor Kurzem ab: Die auswärtigen Beziehungen seien ausgenommen vom Zugang zu Dokumenten. Sprich: alles geheim.

Ein nicht-geheimes Geheimdokument

Selbst die CSV-Abgeordneten Laurent Mosar und Gilles Roth ließ die Regierung abblitzen, als die Parlamentarier Einblick in alle Memoranden forderten. Die Erklärung der Minister: Diese Memoranden sind zwar nicht per se geheim. Aber beide unterzeichnenden Länder gehen berechtigterweise davon aus, dass das Dokument anschließend nicht öffentlich wird.

Peinlich für Blau-Rot-Grün ist allerdings, dass andere Länder die Texte veröffentlicht haben: Italien, Lettland und die Schweiz haben ebenfalls ein Memorandum zur „Belt and Road“-Initiative mit China unterschrieben. Alle Regierungen haben die jeweiligen Dokumente online gestellt. Also doch nicht so geheim.

Bisher ist fast nichts aus der Absichtserklärung von Luxemburg und China bekannt. In einer Antwort auf eine Anfrage des CSV-Abgeordneten Laurent Mosar heißt es ganz allgemein: Es gehe unter anderem um Logistik, Onlinehandel und Finanzdienstleistungen.

Etienne Schneider mauert umsonst

Nicht nur das « Memorandum of Understanding » (MoU) mit China hält die Regierung geheim, sondern auch eine gemeinsame Erklärung mit den USA zum « Space Mining ». Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) verweigerte dem Parlament die Einsicht. Doch offenbar sehen die USA das anders: Wie « Luxembourg Times » berichtete, teilte die US-Botschaft in Luxemburg das Dokument am Mittwoch anlässlich eines Empfangs aus. Das MoU umfasst lediglich sechs Seiten. Es sieht regelmäßige Treffen, einen Austausch über die Weltraumaktivitäten sowie die Auslotung von Investitionen privater Unternehmen vor.

Die Opposition ist genervt von der Geheimniskrämerei der Regierung. „Wir haben in den letzten Jahren immer wieder erlebt, dass Minister Abkommen abschließen, mit juristischen Verbindlichkeiten und teils mit finanziellen Verpflichtungen. Und das am Parlament vorbei“, kritisierte der ADR-Abgeordnete und Ex-Diplomat Fernand Kartheiser im Mai. Er warf der Regierung dabei einen offenen Verfassungsbruch vor.

Verpflichtend oder doch nicht?

„Ich habe in meiner Regierungszeit nie Geheimverträge erlebt“, antwortete Außenminister Jean Asselborn (LSAP) auf diesen Vorwurf. Doch nur Verträge müssten dem Parlament vorgelegt werden. Eine Absichtserklärung – also ein „Memorandum of Understanding“ – enthalte keine juristisch bindende Verpflichtung und könne deshalb nicht als Vertrag angesehen werden.

Laurent Mosar sieht hier einen Widerspruch: Wenn der Inhalt nicht sensibel ist, dann sollte die Regierung die Erklärung auch veröffentlichen können. Und in jedem Fall muss das Parlament zumindest informiert werden, fordert der CSV-Abgeordnete im Gespräch mit REPORTER.

Luxemburg wird andere Länder überzeugen, die noch zögern.“« Global Times »

Um einzuschätzen, ob das Memorandum ein Vertrag ist, müsse man den Text genau analysieren, erklärt Edouard Fromageau, Forscher für internationales Recht am Max-Planck-Institut in Luxemburg. Ob der Text nun Memorandum oder anders genannt werde, sei nicht relevant in der Bewertung. Der springende Punkt sei, ob beide Seiten einen Willen zu verpflichtenden Inhalten zeigen, so Fromageau. In den Erklärungen, die Italien, die Schweiz und Lettland unterzeichnet haben, steht ausdrücklich, dass sie keinen rechtlich bindenden Charakter haben. Ob das im Luxemburger Fall auch so ist, bleibt unklar. Eben weil die Regierung den Text geheim hält.

Ein Machtinstrument Chinas

Doch jenseits vom Rechtlichen ist in den Beziehungen zu einer Großmacht nicht klar, was der Unterschied zwischen Versprechen und Verpflichten ist. „Es wäre naiv, zu glauben, dass eine Unterzeichnung folgenlos bleibt. Es ist davon auszugehen, dass chinesische Diplomaten auf das Dokument pochen werden, wenn Unterzeichnerländer bei späteren Verhandlungen nicht genügend Entgegenkommen zeigen“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“, als die Schweiz das Memorandum abschloss.

Seid nicht naiv gegenüber China.“Niederländischer Premier Mark Rutte

Die „Belt and Road“-Initiative (BRI) begann als gigantisches Infrastrukturprojekt – als neue Seidenstraße. Doch inzwischen geht es um mehr: die Integration der Finanzsysteme, gemeinsame Standards und kultureller Austausch. Klar ist, dass China damit einen Gegenpol zu den USA aufbauen will. „China sieht sein Projekt vermehrt als Mittel, um eine neue Form der Globalisierung durchzusetzen“, so eine Studie des „Center for Asian Studies“.

Je mehr Länder eine entsprechende Absichtserklärung unterschreiben, desto mächtiger wird das Instrument in den Händen der chinesischen Regierung. Jedes EU-Mitglied ist ein besonders guter Fang. „Global Times“ – der englische Ableger der Parteizeitung Chinas – zitierte einen staatlichen Forscher mit den Worten: „Luxemburg wird andere Länder überzeugen, die noch zögern.“

Wenige Tage vor Luxemburg hatte Italien den Schritt Richtung China gemacht – als erstes G7-Mitglied. Das sorgte im März für heftige Kritik der EU-Partner. „Seid nicht naiv gegenüber China“, warnte der liberale niederländische Premier und Bettel-Freund Mark Rutte.

Sich den Interessen des Finanzplatzes beugen

Auch wenn Xavier Bettel die Füllfeder hielt, ist es Finanzminister Pierre Gramegna, der eine Vorstellung hat, was „Belt and Road“ bringen soll. Auch wenn Luxemburg sich nicht im Zentrum der neuen Seidenstraße befinde, so könne es doch seine Rolle als Finanzier der Infrastrukturprojekte spielen, vor allem via die am Finanzplatz angesiedelten chinesischen Banken, sagte er im Interview mit dem „Luxemburger Wort“.

Die Verbindung zwischen Finanzplatz und dem diplomatischen Wagnis ist klar. Zeitgleich mit dem Memorandum schloss die Luxemburger Börse vier Verträge mit chinesischen Handelsplätzen und Finanzinstituten ab.

Länder, die die chinesische Initiative kritisieren, würden zweierlei Maß anwenden, kritisierte der Finanzminister. Denn sie selbst würden von steigenden Investitionen aus der Volksrepublik profitieren. Und der Ex-Diplomat ist sich sicher: Wir brauchen keine Angst vor China zu haben!


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