Die Filmproduzenten wollen mehr Geld vom Staat. Die Regierung spielt auf Zeit. Kurz vor den Wahlen will Premier Xavier Bettel mit einem Audit die Finanzen des mächtigen « Film Fund » durchleuchten. Der von der Branche erhofften Budgeterhöhung erteilt er so eine klare Absage.

Luxemburgs Filmindustrie steht vor einem Umbruch – so oder so. Die Branche, die bereits jetzt mit jährlich rund 34 Millionen Euro durch den Staat subventioniert wird, erhofft sich seit geraumer Zeit eine Aufstockung der Beihilfen. Die Politik lässt sich auf entsprechende Forderungen bisher aber nicht ein. Vielmehr steigt offenbar der Druck zur politischen Kontrolle und zur Rechenschaftspflicht des heimischen Filmsektors.

Premier- und Medienminister Xavier Bettel (DP) gab so im Juli ein Audit in Auftrag, um die finanzielle Situation beim « Fonds National de Soutien à la Production Audiovisuelle » (« Film Fund ») zu untersuchen. In der Angebotsanfrage des Ministeriums heißt es, dass man eine gründliche Analyse sowohl des aktuellen Vergabesystems der finanziellen Hilfen als auch der Organisation des « Film Fund » vornehmen wolle. Gegenstand des Audit ist allerdings auch der wirtschaftliche Ertrag der Subventionen, also die grundsätzliche Frage: Was bringt dem Staat die finanzielle Förderung der einheimischen Filmproduktion?

Wirtschaftlicher Nutzen im Fokus

Xavier Bettel spricht auf Nachfrage von REPORTER von einer ersten « Draft-Version », die ihm seit Mitte September vorliege. Den Zuschlag zur Untersuchung der Finanzen des « Film Fund » erhielt laut REPORTER-Informationen die Beratungsfirma « Value Associates ». Das Audit werde er noch im Detail der Öffentlichkeit vorstellen, sagt Bettel. Er freue sich aber bereits jetzt darüber, « dass der kulturelle Beitrag der Branche als sehr hoch eingeschätzt wird ». Auch der wirtschaftliche Aspekt sei « nicht zu vernachlässigen », so der Premier- und Medienminister. Weitere Schlüsse wolle er allerdings gemeinsam mit der Branche erörtern.

Wir sind ein kleiner Markt und wir haben nur die Gelder des Filmfonds. »Guy Daleiden, Direktor des « Film Fund »

Der wirtschaftliche Nutzen der Beihilfen ist dabei nicht nur unter Insidern umstritten. Wie es heißt bissen sich schon in den Vorgängerregierungen die Beamten des Staats- und Finanzministeriums die Zähne am « Film Fund » aus. So blieben bei sämtlichen Sparanstrengungen der Politik – von Luc Frieden (CSV) bis Pierre Gramegna (DP) – die Millionen der Filmförderung außen vor.

Luxemburgs stolze Staatsindustrie

Kein Geheimnis ist: Luxemburgs Filmindustrie wird fast ausschließlich von der öffentlichen Hand finanziert. Kaum ein anderer Sektor wird so von der Politik hofiert und durch die Steuerzahler alimentiert. Seit 1999 investierte der Staat über den « Film Fund » mehr als 400 Millionen Euro in die Luxemburger Filmbranche. Die wohlwollende Begleitung durch die Politik beschränkt sich dabei wohlgemerkt nicht auf die aktuelle Regierung. Das aktuelle Gesetz stammt noch aus der Feder des ehemaligen Medienministers François Biltgen (CSV).

Die Mittel, die der « Film Fund » aus dem Staatshaushalt erhält, belaufen sich seit 2017 auf die stattliche Summe von rund 34 Millionen Euro pro Jahr. Das entspricht mehr als einem Viertel des gesamten Etats des Kulturministeriums. Oder um mit Vizepremier Etienne Schneider zu sprechen: dem Äquivalent von jährlich einem halben Lyzeum.

Es wurde für dieses Jahr eine Lösung gefunden, die keine akute Erhöhung des Budgets benötigt. »Premierminister Xavier Bettel

Allerdings ist für den « Film Fund » nicht das Kulturministerium zuständig, sondern die Abteilung « Service des médias, des communications et du numérique » (SMC), die dem Staatsminister untersteht und auch das Budget des Fonds verwaltet. Laut seinem Jahresbericht unterstützte der « Film Fund » 2016 insgesamt 30 Filmproduktionen mit einer Gesamtsumme von 34,78 Millionen Euro. Direktor des « Film Fund » ist seit 1999 Bettels Parteifreund Guy Daleiden.

Zunehmender politischer Zündstoff

Allerdings gilt das Verhältnis der beiden liberalen Politiker seit einiger Zeit als angespannt. Das liegt dem Vernehmen nach nicht nur an der Tatsache, dass Daleiden, von 2006 bis 2013 auch Vize-Präsident der DP, bei der Vergabe der Ministerposten gleich zwei Mal (bei der Regierungsbildung 2013 und Ende 2015 nach dem Rücktritt von Kulturministerin Maggy Nagel) leer ausging. Auch seine über die vergangenen fast 20 Jahre ausgebaute Stellung als « Alleinherrscher » beim « Film Fund » sorgt hinter den politischen Kulissen schon länger für Zündstoff.

« Es fehlt an Kontrollmechanismen », kritisiert Joy Hoffmann im Gespräch mit REPORTER. Hoffmann darf als Insider gelten, war er doch als Mitarbeiter des « Centre national de l’audiovisuel » (CNA) und Filmkritiker bis 2012 Mitglied im Ausschuss, der die geförderten Filmprojekte auswählte. Nach der Reform 2014 änderte sich die Entscheidungsstruktur des « Film Fund » grundsätzlich, erklärt Hoffmann.

Bei der Frage einer Erhöhung des Budgets des « Film Fund » vertröstete Xavier Bettel die Filmbranche bisher mit Erfolg. (Foto: Eric Engel)

Das « comité de sélection » wurde zu Dreh- und Angelpunkt und entscheidet nun allein über die Vergabe der Fördermittel in Millionenhöhe. Guy Daleiden und die Vizedirektorin des « Film Fund » Karin Schockweiler sind beide Mitglied in diesem Ausschuss. Mit dem Filmkritiker Boyd van Hoeij, dem ehemaligen « Télécran »-Journalisten Jean-Louis Scheffen sowie der früheren Leiterin der baden-württembergischen Filmförderung Gabriele Röthemeyer zählt der Ausschuss nur drei unabhängige Mitglieder.

Der Verwaltungsrat hat dagegen seit 2014 nur noch eine begrenzte Rolle. « Wie ein Buchhalter » agiere das Gremium, sagt Robert Garcia. Er war von 2014 bis 2016 Mitglied im Verwaltungsrat des « Film Fund ». Ein Verwaltungsrat müsse auch verwalten, sagt Garcia. Es ginge nicht darum, sich in die Auswahl der Filmprojekte einzumischen. Doch eine Diskussion über die Ausrichtung müsse möglich sein. Zudem sei es « grenzwertig », dass der Verwaltungsrat aktuell nur drei Mitglieder habe, so Garcia.

Filmsektor sieht sich in der « Krise »

Fast 34 Millionen pro Jahr – von dieser großzügigen Unterstützung können andere Akteure der Kultur- und Kreativszene nur träumen. Diese Summe ist den Akteuren aber nicht mehr genug. Bei einer Diskussionsrunde bei « Radio 100,7 » Anfang Juli brachten die Produzenten Paul Thiltges (« Paul Thiltges Distributions »), Nicolas Steil (« Iris Group ») und Bernard Michaux (« Samsa Film ») sowie der Direktor des « Film Fund » Guy Daleiden eine Erhöhung des Budgets des Fonds von 50 Prozent ins Spiel. Die Unterstützung des Staates würde so auf knapp 50 Millionen Euro pro Jahr ansteigen.

Die Filmbranche in Luxemburg befinde sich in einer « Finanzkrise », so etwa der Produzent und Generalsekretär der « Union luxembourgeoise de la production audiovisuelle » (ULPA) Nicolas Steil. Der Hintergrund: Der « Film Fund » hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 22 der 34 Millionen Euro an Produktionshilfen verteilt. Heute sind 30 von 34 Millionen ausgegeben. Für den Rest des Jahres 2018 dürfte damit das vom Staat stammende Geld knapp werden.

Joy Hoffmann findet diesen Vorgang « unverständlich ». Er sieht darin eine « Art Erpressung », damit die Politik dem « Film Fund » mehr Geld zur Verfügung stellt.

Die Akteure stört vor allem, dass im mehrjährigen Budgetplan festgehalten ist, dass es bis 2021 unverändert bei 34 Millionen Euro bleiben soll. « Alles wird teurer », sagte die Produzentin Bady Minck (Amour Fou) auf Radio 100,7. Gerade die steigenden Löhne würden die Firmen unter Druck setzen. 2015 sank der Haushaltsposten von 40 Millionen auf 33,33 Millionen, um dann 2017 wieder leicht zu steigen.

Geschäft mit überschaubarem Risiko

Ein Blick in die Bilanzen der großen Produktionsfirmen zeigt: Das Risiko der Produzenten hält sich in Luxemburg angesichts langjähriger garantierter Staatsfinanzierung in Grenzen. Der Geldfluss aus dem Staatshaushalt ist für die « Big player » der Branche bis heute ungebrochen. Es gebe seit jeher eine stillschweigende Vereinbarung (« accord tacite ») zwischen den Produzenten und dem « Film Fund », dass « gute Filmprojekte » unterstützt werden, so Nicolas Steil über das Erfolgsgeheimnis der Luxemburger Filmbranche.

Guy Daleiden: Der frühere Vize-Präsident der DP ist seit 1999 Direktor des Luxemburger « Film Fund ». (Foto: DP.lu/Youtube)

Dieses Jahr sei jedoch zum ersten Mal der Punkt erreicht, dass mehr « gute Projekte » als Geld da sind, deshalb müsse der Staat früher oder später mehr Geld zur Verfügung stellen. So zumindest die Argumentation der Begünstigten der staatlichen Filmförderung. Andere stellen die Situation jedoch eher so dar, dass es der Fonds und die Produzenten bewusst darauf ankommen ließen, um die Politik unter Druck zu setzen.

Dass sie vielleicht über ihre Verhältnisse leben und in Zukunft wohl oder übel besser mit den staatlichen Mitteln haushalten müssten, lassen die Akteure der Branche nicht als Argument gelten. Die « Krise » sei vor allem dadurch bedingt, dass mehr Produktionsgesellschaften sich den Kuchen aufteilen müssten und die Konkurrenz im Ausland ihre Subventionsregime nach oben angepasst hätten.

« Better Call Bettel »

« Wir brauchen mehr Geld », sagt auch der Präsident der ULPA, Paul Thiltges. Mehr Mittel seien den Produzenten auch von politischer Seite « auf eine Weise zugesagt » worden. Zu Beginn der blau-rot-grünen Amtsperiode habe die Regierung noch betont, dass in Zeiten ihrer finanziellen Konsolidierungspolitik eine Erhöhung des Budgets nicht in Frage komme. Der Filmindustrie sei aber in Aussicht gestellt worden, « mehr Geld zu bekommen », so Thiltges bei « Radio 100,7 » in Bezug auf eine Unterredung mit Premierminister Xavier Bettel beim Filmfestival in Cannes im vergangenen Jahr.

Der Premier stimmt dieser Darstellung nicht zu. Nachdem er mit der Forderung der Produzenten konfrontiert worden sei, habe er beschlossen, « dem nicht von vornherein negativ oder positiv zu begegnen, sondern zuerst eine Analyse durchzuführen ». « Eine Erhöhung des Budgets soll nicht von vornherein ausgeschlossen werden, aber in Verbindung mit einer langfristigen Planung stehen », so Xavier Bettel auf Nachfrage von REPORTER. Durch das Audit habe er sich vor allem Befunde erwartet, « inwiefern die Investitionen von öffentlicher Seite auch tatsächlich ihren Niederschlag finden ».

Die Frage der Rückerstattung

Die finanzielle « Krise » der Filmbranche rührt aber auch an einen anderen Punkt. Laut dem 2014 reformierten Gesetz über die Filmförderung sind die « Aides financières sélectives » des « Film Fund » prinzipiell rückzahlbar. Der Staat streckt Gelder vor, die von den Produktionsfirmen erstattet werden sollen, sobald die Vermarktung eines Filmes zu Einkünften führt. Es sind « avances sur recettes ».

Insider der Filmbranche sagen jedoch, dass es kaum realistisch sei, dass eine Luxemburger Produktion wesentliche Einkünfte erziele. Tatsächlich hält auch der Verwaltungsrat des « Film Fund » es für unwahrscheinlich, dass die Fördermittel zurück in seine Bilanz fließen. « Angesichts der vergangenen Erfahrungen » beschloss der « Film Fund » nicht mit den Rückzahlungen zu rechnen.

Die Entwicklung der Fördermittel

Seit 1999 investierte der Staat über den Filmfund mehr als 400 Millionen Euro in die Luxemburger Filmbranche. Die „aides financières sélectives“ erreichten in diesem Zeitraum eine Gesamtsumme von 214 Millionen Euro. 186 Millionen flossen über die sogenannten „certificats d’investissement audio-visuel“ (Ciav) vom Staat an die Produktionsfirmen. Für die Höhe der Investitionen in die Filmproduktion stellte der Staat Zertifikate, die Firmen von ihren Steuern abhalten konnten. 30 Prozent des Wertes kamen direkt vom Staat. Das System endete 2011 und lief 2013 endgültig aus. Seitdem hat der « Film Fund » die direkten Beihilfen wesentlich erhöht, um das Wegfallen der Ciav zu kompensieren. Mittlerweile liegt das Niveau der Beihilfen allerdings weit über den jährlichen Zahlungen bis 2011.

« Wir haben nur die Gelder des Filmfonds »

Guy Daleiden gibt seinerseits ganz offen zu, dass die Filmindustrie in Luxemburg fast völlig vom Staat abhängt und somit auch keinen wirklichen wirtschaftlichen Gegenwert erzeuge. « Wir sind ein kleiner Markt und wir haben nur die Gelder des Filmfonds », so der Direktor des « Film Fund » bei « Radio 100,7 » im Juli. Luxemburg sei nun einmal zu klein, um mit luxemburgischen Filmen Geld zu machen.

Eine gewisse Konfusion herrscht auch bei der Frage, wie viele Menschen beim Filmsektor beschäftigt sind. Daleiden und die Chefs der großen Produktionsfirmen sprechen stets von « 1.000 » oder gar « 1.200 » Beschäftigten der Filmbranche. Die Politik ist etwas vorsichtiger. Verfolgt man die Reden von Ministern und Abgeordneten zum Thema in den vergangenen fünf Jahren zurück, so tauchen dabei höchst unterschiedliche Zahlen auf – mal sind es « fast 1.000 », mal eher « 600 bis 700 », dann auch « einige Hundert ». Gesicherte Zahlen gibt es nicht, heißt es auch von offizieller Seite, was allerdings auch an der Tatsache liege, dass die wenigsten Regisseure, Techniker oder Schauspieler allein von der Filmproduktion leben können.

Der Wert der Filmindustrie sei jedoch vor allem « sozialer und kultureller » Natur, sind sich die großen Branchenvertreter einig. Jeder über die Landesgrenzen erfolgreiche Film sei ein Stück « Nation branding », sagte Nicolas Steil noch am vergangenen Mittwoch im Interview mit « RTL Radio ».

« Keine akute Erhöhung des Budgets benötigt »

Genau diese mögliche internationale Strahlkraft wird den Filmproduzenten auch künftig eine üppige staatliche Unterstützung garantieren. Der konstante Druck, den die Verantwortlichen von « Film Fund » und Produktionsfirmen offensichtlich seit Monaten auf die Politik auszuüben versuchen, hat bisher aber seine Wirkung verfehlt.

Dass manche Begünstigte der staatlichen Hilfen kürzlich ihre « Besorgnis » angesichts der « Unzulänglichkeit der budgetären Mittel » zum Ausdruck brachten, steht auch höchst offiziell in der besagten Angebotsanfrage des Ministeriums für das Audit. Letztlich hat die Regierung die Frage nach einer Erhöhung des Budgets des « Film Fund » aber bereits klar beantwortet.

Der Sektor wird nämlich auch heute noch von Xavier Bettel auf « später » vertröstet. « Es wurde für dieses Jahr eine Lösung gefunden, die keine akute Erhöhung des Budgets benötigt », sagt der Premier. Übersetzt bedeutet das: Am 14. Oktober wird neu gewählt und von dieser Regierung dürfen sich die Produzenten nichts mehr erwarten.