Luxemburg hat eine bunte Medienlandschaft. Doch allein die Anzahl von Presseorganen ist noch kein Garant für den viel beschworenen Medienpluralismus im Land. Vielmehr ist die Konzentration der Medien- und Meinungsmacht ein Problem von politischer Tragweite. Eine Analyse.
Luxemburgs Medienmarkt ist « einer der konzentriertesten in Europa », heißt es im « Media Pluralism Monitor » 2020. « Drei Medienunternehmen dominieren deutlich den Markt. » Im TV-Sektor hat die « RTL Group » faktisch ein Monopol inne und kontrolliert zudem mit « RTL Radio », « Eldoradio » und seinen Anteilen bei « L’Essentiel Radio » die drei Radiosender mit der bei weitem größten Reichweite. In der geschriebenen Presse sind « Saint-Paul Luxembourg » und « Editpress » mit ihren verschiedenen Titeln bei weitem die stärksten Akteure.
Die Diagnose ist nicht ganz neu. Allerdings widerspricht sie aber auch schon lange der von vielen Politikern und Medienmachern oft hervorgehobenen Einschätzung, wonach Luxemburgs Presselandschaft durch einen hohen Grad an Pluralismus geprägt sei. Für diese These spricht die schiere Anzahl an verschiedenen journalistischen Publikationen. Luxemburg habe als kleines Land erstaunlich viele Presseorgane, lautet die übliche Erzählung. Doch dieser Sicht liegt ein sehr oberflächliches Pluralismus-Verständnis zugrunde.
Denn die reine Quantität an Medien sagt nicht unbedingt etwas über die tatsächliche und nachvollziehbare Qualität des Pluralismus aus. Spricht man von Medienpluralismus, geht es auch um die Frage, inwiefern verschiedene Meinungen, Themen, Interessen und Sichtweisen tatsächlich in den Medien eine Rolle spielen – und nicht zuletzt darum, ob dieser tiefer gehende Pluralismus in Politik und Gesellschaft anerkannt und gefördert wird.
Eigentümerschaft in wenigen Händen
Luxemburg ist in dieser Hinsicht durchaus ein Sonderfall. Die hohe Konzentration der Medienmacht ist nämlich vor allem durch die beschränkte Größe des Landes begründet, heißt es weiter im « Media Pluralism Monitor ». Zudem fehlen konkrete gesetzliche Bestimmungen hinsichtlich der Einschränkung von Marktkonzentrationen in der Medienbranche. Wie es die Autoren hervorheben, ist Luxemburg neben Liechtenstein das einzige europäische Land, in dem es keine entsprechende Gesetzgebung zur Fusionskontrolle gibt.
Das Resultat: Die herausragende Marktposition der drei größten Medienunternehmen des Landes ist seit Jahrzehnten ungebrochen. Sie hat sich bei allem Wandel der Presselandschaft stetig verfestigt und konnte bisher auch die grassierende Krise der Printmedien überstehen. « RTL », « Saint-Paul Luxembourg » und « Editpress » kontrollieren die vier größten Tageszeitungen, die drei größten Wochenzeitungen, die vier größten Radiosender, den einzigen generalistischen TV-Sender und auch die sechs meistgelesenen Online-Auftritte Luxemburger Medien.
« Wenn es zwar viele Medien gibt, die aber alle ähnlich berichten, dann ist das auch eine Gefahr für den Medienpluralismus. »Mohamed Hamdi, Co-Autor des « Media Pluralism Monitor »
Die Eigentümerstruktur der drei « Big player » ist zudem überschaubar: « RTL Group » und CLT-Ufa gehören mehrheitlich der deutschen Bertelsmann-Gruppe, « Saint-Paul » seit dem vergangenen Jahr dem belgischen Medienkonzern « Mediahuis » und « Editpress » nach wie vor der Gewerkschaft OGBL. Drei Eigentümer bestimmen weite Teile des Medienmarktes: Für die Autoren des « Media Pluralism Monitor » entspricht diese wirtschaftliche Konzentration dem höchsten Risikofaktor für den Luxemburger Medienpluralismus – und damit nicht zuletzt für die Pressefreiheit.
Warum ist diese Situation problematisch? « Es ist nicht egal, wem ein Sender, ein Verlag oder ein Internetportal gehört, denn Medienbesitz bedeutet Meinungsmacht. Und Meinungsmacht garantiert Einfluss », schreibt die Organisation « Reporter ohne Grenzen » in ihrer Medienpluralismus-Definition. « Medienpluralismus ist überall dort in Gefahr, wo die Macht über Medieninhalte und damit die öffentliche Meinung in den Händen einiger Weniger liegt und deren Interessen dient. »
Medienpluralismus als Meinungspluralismus
Luxemburgs Pressefreiheit ist sicher nicht so gefährdet wie in Russland, Saudi-Arabien oder anderen autoritären Staaten. Doch eine hohe Medienkonzentration berge auch bei uns die Gefahr einer « Vereinheitlichung » der Medienmacht, sagt Mohamed Hamdi, einer der Autoren des Luxemburger « Media Pluralism Monitor ». Da die drei hiesigen Marktführer sich offensichtlich der kommerziellen Logik des Marktes unterwerfen, würden sie sich inhaltlich und konzeptionell sehr ähnlich positionieren, so der Politikwissenschaftler im Interview mit Reporter.lu. « Wenn es zwar viele Medien gibt, die aber alle ähnlich berichten, dann ist das auch eine Gefahr für den Medienpluralismus. »

Das war allerdings nicht immer so. Gerade die Tageszeitungen – « Luxemburger Wort », « Tageblatt », « Journal » – waren lange die Sprachrohre der drei größten politischen Parteien CSV, LSAP und DP. Allein dadurch war, so die traditionelle Lesart, ein gewisser politischer Meinungspluralismus gegeben.
Doch die Parteinähe der Luxemburger Medien nimmt seit Jahren ab. « Saint-Paul Luxembourg » gehört seit dem vergangenen Jahr nicht mehr dem Bistum, sondern einem ausländischen Konzern, womit auch die ideologische Verzahnung in der christlich-konservativen « C-Familie » praktisch passé ist. « Editpress » bleibt zwar im Besitz des OGBL (auch die LSAP hält weiter Anteile am Unternehmen) und die « Editions Lëtzebuerger Journal » gehören weiterhin einem DP-Verein. Doch gleichzeitig nimmt die direkte parteipolitische Einflussnahme auch hier ab.
Dass es in der Luxemburger Presse einen gewissen Trend zur Uniformierung gibt, zeigt etwa das Beispiel der Referendumskampagne 2015. Alle großen Medien positionierten sich damals mehr oder weniger deutlich für das « Ja » zum Ausländerwahlrecht. Das « Nein », das letztlich von knapp 80 Prozent der Wahlbevölkerung vertreten wurde, fand keine publizistische Entsprechung. Die formale, rein quantitative Diversität der Medienlandschaft führt demnach nicht immer zu einem inhaltlichem Pluralismus der von den Medien vertretenen Meinungen.
« Externer » und « interner Pluralismus »
Allerdings weist die medienwissenschaftliche Forschung in diesem Zusammenhang noch auf eine andere Form des Pluralismus hin. Mohamed Hamdi nennt es den « internen Medienpluralismus ». Dieser besagt, dass es auch innerhalb von Medien den Anspruch gibt, die ganze Bevölkerung und alle darin vertretenen Meinungen bestmöglich abzubilden. Demnach wurde auch in der Debatte um das Ausländerwahlrecht dem Pluralismus Rechnung getragen. Denn die Argumente des « Nee 2015 », verkörpert durch den heutigen ADR-Abgeordneten Fred Keup, spielten in der Berichterstattung der Medien natürlich sehr wohl eine Rolle.
The media market is one of the most concentrated in Europe: three media companies clearly dominate the media market. »« Media Pluralism Monitor » 2020
Bei aller nachweislichen Medienkonzentration sei der « interne Pluralismus » demnach nicht zu unterschätzen, sagt Mohamed Hamdi. Die beiden Medien mit öffentlich-rechtlichem Auftrag, « Radio 100,7 » und « RTL », müssten laut Vereinbarungen mit dem Staat diesem Anspruch auch ganz formal gerecht werden. Allerdings sei es schwierig, den Grad des jeweils innerhalb der Medien umgesetzten Pluralismus zu messen. « Da stoßen wir auf ein grundsätzliches Problem, nämlich, dass es in Luxemburg nicht genügend Daten zu diesem Thema gibt », so der Politikwissenschaftler.
Was den externen Pluralismus, also zwischen unterschiedlichen Medien, betrifft, kommt zudem dem Staat als Schiedsrichter und Wächter über die Marktentwicklung eine entscheidende Rolle zu. Mohamed Hamdi nennt das Beispiel « L’Essentiel Radio », das laut dem Forscher « extrem problematisch » ist. Der Hintergrund: 2014 hatte die « Autorité luxembourgeoise indépendante de l’audiovisuel » (ALIA) ein Projekt von « RTL » und « Saint-Paul Luxembourg » für einen gemeinsamen französischsprachigen Radiosender verworfen. Stattdessen kam es wenig später – mit dem Segen von Premier- und Medienminister Xavier Bettel (DP) – zu einer vom Konzept her sehr ähnlichen Kooperation zwischen « L’Essentiel » und « RTL » beim Sender « L’Essentiel Radio ». Dies festigte die ohnehin überragende Marktposition von « RTL » im audiovisuellen Sektor noch weiter.
Mangelnde Repräsentation von Minderheiten
Die wirtschaftliche Konzentration und die Abbildung des politischen Meinungsspektrums sind allerdings nicht die einzigen Faktoren des Medienpluralismus. Wie die Autoren des « Media Pluralism Monitor » feststellen, gehört auch die mangelnde Inklusion von sprachlichen Minderheiten zu den Problembereichen. « Trotz der offensichtlichen mehrsprachigen Wirklichkeit, sieht das Gesetz keine Garantie für den Zugang von Minderheiten vor », schreiben die Autoren etwa in Bezug auf die audiovisuellen Medien mit öffentlich-rechtlichem Auftrag. So senden « RTL » und « Radio 100,7 » ihr Programm, mit wenigen Ausnahmen, auf Luxemburgisch.
Auch in der geschriebenen Presse gibt es zumindest ein Ungleichgewicht. Zwar gibt es mit « Le Quotidien », « L’Essentiel » und « Paperjam » rein französischsprachige Publikationen, die gemeinsam einen wesentlichen Teil der Bevölkerung erreichen. Doch die Tages- und Wochenzeitungen mit der größten Reichweite (« Wort », « Tageblatt », « Télécran », « Revue ») sind exklusiv oder zumindest weitgehend an deutschsprachige Leser gerichtet. Eine Ausnahme bildet die portugiesischsprachige Zeitung « Contacto », die laut der jüngsten « Plurimedia »-Umfrage immerhin knapp neun Prozent der erwachsenen Bevölkerung erreicht.
« Durch die mehrsprachliche Realität Luxemburgs ist es noch schwerer, den Anspruch des Medienpluralismus zu erfüllen », meint der Co-Autor des « Media Pluralism Monitor », Mohamed Hamdi. Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass viele Einwohner neben Luxemburger Medien auch ausländische Zeitungen oder Rundfunksender konsumieren. Zudem sei in Sachen Sprachenpluralismus in der Presse auch etwas in Bewegung. So haben sich etwa die Medien von « Saint-Paul Luxembourg » seit Jahren viersprachig aufgestellt. Und auch « RTL » investiert seit geraumer Zeit in seine französisch- und englischsprachigen Online-Auftritte.
Staatliche Regulierung des Pluralismus
Im Detail ergibt sich demnach ein weitaus gemischteres Bild des Medienpluralismus, als es zum Teil von Politikern und Medienmachern selbst gezeichnet wird. Hinzu kommt allerdings die Rolle der staatlichen Subventionen. So wird das TV-Monopol von « RTL » seit jeher politisch gefördert. Seit diesem Jahr deckt der Staat per Konzessionsvertrag die Defizite von « RTL Télé » mit einer Summe von maximal zehn Millionen Euro pro Jahr. Das ist wesentlich mehr, als sich der Staat die Existenz eines vollkommen von den Steuerzahlern finanzierten öffentlich-rechtlichen Radiosenders kosten lässt. « Radio 100,7 » erhält aktuell (2021) laut einer Konvention mit dem Staat rund 6,6 Millionen Euro pro Jahr aus dem Staatshaushalt.
Auch im traditionellen Pressesektor entfallen mit über 70 Prozent der Großteil der staatlichen Pressehilfe (Print und Online) auf die Marktführer « Saint-Paul Luxembourg » und « Editpress ». Im Umkehrschluss könnte man argumentieren, dass immerhin knapp 30 Prozent dieser Hilfen an die anderen, kleineren Verlagshäuser geht. Doch die meisten Publikationen, die nicht einem der drei führenden Konzerne gehören, sind notgedrungen Nischenmedien. So gaben Ende 2020 laut der « Plurimedia »-Umfrage exakt 3,2 Prozent der Befragten an, dass sie regelmäßig die Wochenzeitung « D’Lëtzebuerger Land » lesen. Das heißt im Umkehrschluss: Fast 97 Prozent der Bevölkerung lesen die traditionelle Qualitätszeitung nicht. In ähnlichen Dimensionen verhält es sich mit vielen anderen « Nischenmedien », darunter wohl auch Reporter.lu.
Während die Regeln der direkten Beihilfen für Printmedien transparent sind, sind sie nicht unbedingt gerecht, weil sie in erster Linie zwei Verlagsgruppen zugute kommen: Editpress und Saint-Paul. »« Media Pluralism Monitor » 2020
Unbestreitbar ist dabei, dass der Staat über den Weg der Pressehilfe zumindest ein Mindestmaß an Pressepluralismus garantieren will. Manche Medien, vor allem Zeitungen mit niedriger Auflage und vergleichsweise hohen Druckkosten, würde es ohne die staatliche Pressehilfe längst nicht mehr geben. Darüber hinaus zementieren die Subventionen jedoch den Status quo der hohen Medienkonzentration an der Spitze. Und trotz durchaus großzügiger Pressehilfe sind mit « La Voix du Luxembourg » und zuletzt « Le Jeudi » zwei kleinere, lange vom Staat subventionierte Publikationen vom Markt verschwunden.
Die viel gepriesene Medienvielfalt dürfte demnach, wie Richard Graf einst in der « Woxx » kommentierte, « eher trotz als dank der erwähnten Rahmenbedingungen existieren ». Oder wie es wiederum der « Media Pluralism Monitor » 2020 formuliert: « Während die Regeln der direkten Beihilfen für Printmedien transparent sind, sind sie nicht unbedingt gerecht, weil sie in erster Linie zwei Verlagsgruppen zugute kommen: Editpress und Saint-Paul. » Gleiches gilt übrigens für die seit 2017 bestehende Pressehilfe für Onlinemedien: Acht der 13 über diesen Weg unterstützten Medien gehören zu Editpress und Saint-Paul.
Mögliche Wege zu mehr Medienpluralismus
Die Reform der Pressehilfe, die im Sommer 2020 ins Parlament eingebracht und aktuell im zuständigen parlamentarischen Ausschuss diskutiert wird, sieht eine stärkere Gleichbehandlung von Print- und Onlinemedien vor. Im Gesetzentwurf formuliert die Regierung dabei den klassischen Anspruch, den Medienpluralismus im Land aufrechtzuerhalten. Die Freiheit und der Pluralismus der Medien seien die « unabdingbare Konsequenz der Meinungsfreiheit », wie sie in der Verfassung gewährleistet wird, heißt es im « Exposé des motifs ». Und: « Il ne peut y avoir de pluralisme sans la garantie de l’existence d’un large éventail de médias. »
In der Tat dürfte die Reform in Sachen Pluralismus gewisse Effekte entfalten. Mehr Publikationen sollen in das neue gesetzliche Regime der Pressehilfe aufgenommen werden, das Übergangsregime für Onlinemedien soll im Zuge des neuen Gesetzes abgeschafft werden. Allerdings verändert sich der Status quo der übermäßigen Subventionierung der beiden größten Verlagshäuser nur minimal. Auch mit der neuen Pressehilfe würden laut vorläufigen Berechnungen über zwei Drittel der Beihilfen auf Medien aus den Häusern Editpress und Saint-Paul entfallen.

Dabei enthält das neue Pressehilfe-Gesetz aber einen Passus, der unter Umständen den Pluralismus nicht nur absichern, sondern weiterentwickeln könnte. Die Reform sieht nämlich eine gesonderte Hilfe für neue Medien (« médias émergents ») vor. Demnach könnten neue Initiativen, und nicht zuletzt solche, die unabhängig von großen Medienhäusern funktionieren, eine Übergangshilfe des Staates erhalten bis sie die Kriterien für die reguläre Pressehilfe erfüllen. Der Gesetzgeber definiert diese Neuheit denn auch im Gegensatz zum « Maintien du pluralisme » ganz ausdrücklich als « Promotion du pluralisme ».
Wie lässt sich Medienpluralismus aktiv fördern? Bei dieser Frage äußert sich Mohamed Hamdi denn auch zurückhaltend. « Die staatliche Pressehilfe hilft sicherlich dabei, den bestehenden Pluralismus aufrechtzuerhalten », sagt der Forscher. Ob und wie der Staat jedoch zu mehr Pluralismus beitragen könne, sei eine viel komplexere Frage. Gleiches gelte für die Frage eines Gesetzes, das die Konzentration im TV- und Radiosektor einschränken könnte. Eine solche Regelung wäre zwar wünschenswert, doch im Luxemburger Kontext nicht allzu realistisch. « Das Land und vor allem der Anzeigenmarkt ist wahrscheinlich zu klein, um sich mehr als einen privaten Fernsehsender zu leisten », so der Politologe.
Eine weitere Möglichkeit, um zumindest weitere Konzentrationstendenzen zu vermeiden, wäre die Aufwertung der ALIA oder einer anderen Institution, welche die Konkurrenz auf dem Medienmarkt effektiv kontrollieren kann. Zudem könnte im Rahmen des neuen Gesetzes zum « Radio 100,7 » zumindest der « interne Pluralismus » des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestärkt werden. Im Fall von « RTL », dem weitaus mächtigeren Hybridmodell eines staatlich-kommerziellen Senders, wäre angesichts der Höhe der Subventionen aus dem Staatshaushalt ähnliches denkbar. All dies wären zwar keine Garantien für einen qualitativeren Pluralismus, aber zumindest Wege, um die Konzentration der Medien- und Meinungsmacht in der Praxis zu begrenzen.
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