Wie in anderen Themenbereichen grenzt sich die ADR auch beim Klimaschutz bewusst von den anderen Parteien ab. Laut ihrem klimapolitischen Sprecher Fred Keup leugne seine Partei zwar nicht die menschengemachte Erderwärmung. Dennoch sieht sie keinen akuten Handlungsbedarf.
« Unrealistisch, ideologisch, unsozial, schlecht für die Wirtschaft, aufbauend auf Verboten und Zwang »: Wenn Fred Keup über die blau-rot-grüne Klimapolitik der Regierung spricht, dann ist es stets eine komplette Abrechnung mit der Regierungspolitik. Die Koalition wolle « Milliarden und Milliarden vergeuden », um « utopische Ziele » zu erreichen, die « absolut keinen Einfluss auf das Klima hätten, allerhöchstens im Mikrograd-Bereich », sagte der ADR-Abgeordnete im vergangenen April bei einer parlamentarischen Debatte zur Energiepolitik.
Die Rede ist beispielhaft für den klimapolitischen Standpunkt der ADR im Jahr 2021. Die Partei lehnte in den vergangenen Monaten quasi alle Initiativen für mehr Klimaschutz konsequent ab. Dabei nahmen die Alternativdemokraten schon seit geraumer Zeit eine skeptische Position in diesem Politikfeld ein. Doch seit Fred Keup im Oktober 2020 als Abgeordneter vereidigt wurde, und seitdem als klimapolitischer Sprecher seiner Partei auftritt, hat sich der Diskurs deutlich verschärft.
Keine politische Priorität
Es lässt sich ein klares Argumentationsmuster erkennen: Die ADR lehnt so ziemlich jede Prämisse einer Politik ab, welche die Begrenzung der globalen Erwärmung zum Ziel hat. Dominant ist in den Reden ein ausgeprägter Relativismus, den man auch bei konservativen bis rechtspopulistischen Parteien im Ausland erkennen kann. Dabei geht die ADR zwar nicht so weit, den menschengemachten Klimawandel zu leugnen. Doch man will ihn rhetorisch abschwächen und so offenbar von der Notwendigkeit von wirksamen Klimaschutzmaßnahmen ablenken.
Ich wehre mich gegen die politische Tendenz, alle möglichen Naturphänomene dem Klimawandel zuzuordnen und allein darauf die eigene Politik aufzubauen. »Fred Keup, ADR-Abgeordneter
Natürlich sei der ADR der Umwelt- und Naturschutz « immens wichtig », sagte Fred Keup bei der Debatte über ein neues Klimagesetz im Dezember 2020. Aber offenbar nicht so wichtig wie andere politische Ziele, die in Konkurrenz zu einem wirksamen Klima- und Umweltschutz stehen. Klimaschutz sei per se « nicht sozial » und er werde « negative Einflüsse » auf Luxemburgs Wirtschaft und die öffentlichen Finanzen haben, so der Abgeordnete. Was « wirklich gefährlich » für die Gesellschaft sei: Nicht so sehr der Klimawandel, sondern « eine radikale Wende, ohne über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen nachzudenken ».
« Es gibt sicher andere politische Prioritäten unserer Partei », sagt Fred Keup auch im Gespräch mit Reporter.lu. Die wissenschaftliche Grundlage des Klimawandels streite er zwar nicht ab. « Wir haben es mit erhöhten Temperaturen zu tun, die außerhalb der Normen liegen. Zu der Produktion von Treibhausgasen trägt auch der Einfluss des Menschen bei, vor allem durch die Verbrennung von fossilen Stoffen », so der ADR-Politiker. Aber: Inwiefern der Klimawandel menschengemacht ist, das sei « eine ganz andere Frage ». Auch der neueste Bericht des Weltklimarates, der kaum Zweifel am Einfluss des Menschen auf die globale Erwärmung lässt, ändere nichts an seiner Einschätzung.
Gegen alles, was das Klima schützt
Das gleiche Muster kann man aus dem Wahlprogramm der Partei von 2018 herauslesen. Die ADR trage die Bemühungen zur Reduzierung der Treibhausgase zwar mit, heißt es dort im bezeichnenden Kapitel « Fir eng vernënfteg Klimapolitik ouni Angscht ze maachen ». Dies aber nur, um in den folgenden Sätzen genau dieses Bekenntnis Punkt für Punkt wieder zu entkräften. So mache sich die Partei « keine Illusionen », dass Luxemburg als kleines Land viel am Weltklima verändern kann.
Lëtzebuerg muss sech op de Klimawandel virbereeden a Moossnamen huelen, fir den Impakt ze miniméieren. »ADR-Wahlprogramm von 2018
Das Programm macht deutlich, wogegen sich die ADR in der Klimapolitik wehrt. Welche Lösungen die Partei stattdessen in diesem Politikbereich bevorzugt, erfährt der Leser aber nicht. Einzige Ausnahme ist die abstrakte Forderung nach einer Reduzierung des Energieverbrauchs. Aber auch in diesem Punkt macht sich die Partei keine Illusionen. « Der Anstieg der Emissionen ist ein reales, aber eben auch ein globales Problem », sagt Fred Keup im Interview mit Reporter.lu. Der Energieverbrauch steige vor allem in Ländern, die sich schnell entwickeln und Anschluss an den Wohlstand des Westens halten wollen. « Da sollten wir uns nichts vormachen. »
« Klimawandel gëtt et zënter datt d’Äerd besteet », heißt es dann noch an einer Stelle des Wahlprogramms. Und nicht jedes Wetterphänomen und jede Naturkatastrophe seien « Resultate eines vom Menschen gemachten Klimawandels ». Die Erderwärmung sei ein Fakt und man könne über jegliche Maßnahmen der Klimapolitik diskutieren, erklärt Fred Keup. Wogegen er sich aber wehre, sei die « Tendenz, alle möglichen Naturphänomene dem Klimawandel zuzuordnen » und « allein darauf seine Politik aufzubauen ».
Luxemburg muss sich besser wappnen
Deshalb setzt sich die ADR auch lieber dafür ein, dass Luxemburg Maßnahmen ergreifen müsse, um die Auswirkungen des Klimawandels « zu minimieren ». Geradezu logisch erscheint in diesem Sinn das darauf folgende Kapitel des Wahlprogramms « Op de Klimawandel virbereeden ». Denn dass die ADR Luxemburgs Beteiligung an einer konsequenten Klimapolitik als sinnlos einschätzt, soll nicht bedeuten, dass ihr die Folgen der globalen Erwärmung nicht bewusst seien. Der Klimawandel sei « nicht zu stoppen », heißt es kurz und knapp.
Mit diesem Wandel würden auch extreme Wetterphänomene wie Dürren, Stürme oder starke Regenfälle zunehmen. Das Land müsse deshalb präventive Maßnahmen ergreifen, um die Schäden durch solche Naturkatastrophen zu vermeiden. Dabei listet die ADR in ihrem Programm von 2018 konkreter als andere Parteien einige Präventionsmaßnahmen auf. Darunter fallen der Ausbau der Stauseekapazität, die Modernisierung der Kanalisationen, Rückhaltedämme sowie mögliche Versicherungspflichten für Privathaushalte und Betriebe.
Genau genommen hat die ADR damit den Kampf gegen den Klimawandelt aber schon aufgegeben. Dass es sich dabei um einen « gewissen Fatalismus » handele, bestreitet Fred Keup auf Nachfrage nicht. Er nennt es aber lieber « Realismus » und « gesunden Menschenverstand ».
Dazu gehört auch, dass man sich für realistische Lösungen auf internationaler Ebene einsetzt. Der Klimawandel sei nur « auf Weltniveau » aufzuhalten, heißt es dazu im Wahlprogramm. Deshalb unterstützte man auch « die internationalen Konferenzen und Verträge, die bei solchen Treffen ausgehandelt werden ». Aber auch hier folgt die Relativierung prompt: Man werde nämlich auf internationaler Ebene keine Verpflichtungen eingehen, bei denen « schon im Voraus klar ist, dass sie nicht eingehalten werden können ».
Vom Klimaschutz zur Wachstumskritik
Für internationale Lösungen, aber nur realistische; die Erderwärmung ist real, aber Klimawandel gab es schon immer: Die ADR mag dieses Spiel mit den Wörtern. Wie in so vielen Politikbereichen schafft es die ADR aber auch, den Bogen von der Klima- und Umweltpolitik zu ihrem Kernthema, der Bewahrung der nationalen Identität, zu spannen. Dazu dient das Mittel der Wachstumskritik.
« Um die Klimaziele zu erreichen, muss der landesweite Energieverbrauch reduziert werden. Das kann nur mit einem verantwortungsvollen Wachstum erreicht werden », heißt es dazu im Wahlprogramm. Auch Fred Keup kommt im Gespräch mit Reporter.lu mehrmals auf diesen Aspekt zu sprechen. Zunächst, indem er betont, dass andere Problembereiche für ihn wichtiger seien als der Klimaschutz. Dazu zählt er an erster Stelle « das rasche Wachstum, das sich auf die Infrastruktur, die Bildungspolitik und die Integration auswirkt ».
Zudem sieht er im raschen Wachstum aber auch einen Grund, um sich verstärkt für Umwelt- und Naturschutz einzusetzen. Das sei aber nicht dasselbe wie der Kampf für Klimaschutz, denn es gehe nicht um die Reduzierung der globalen Treibhausgase, sondern um « die Bewahrung unserer Landschaften ». Auch diese Einschränkung passt in die klimarelativistische Programmatik der Partei.
Zuspitzung und « minoritäre Positionen »
Auf die Frage, ob er sich als « Klimaskeptiker » bezeichnen würde, antwortet Fred Keup allerdings mit einem klaren « Nein ». Skeptisch sein sei zwar an sich etwas Positives, doch der Begriff sei in der politischen Debatte eindeutig negativ belastet. « Ich habe mich auch immer als Querdenker verstanden, aber das kann man heutzutage ja auch nicht mehr mit gutem Gewissen », scherzt der Abgeordnete.
Ich könnte es mir natürlich auch einfach machen und nur noch so sprechen wie Max Hahn von der DP, der im Parlament nur das vorträgt, was am vorherigen Tag in der Zeitung stand. »Fred Keup, ADR-Abgeordneter
Ohne Umschweife gibt der klimapolitische Sprecher der ADR aber zu, dass er seine Kritik an der Regierungspolitik, und besonders an den Grünen, gerne etwas zuspitzt. « Ich versuche, eine klare Sprache zu sprechen und die Dinge auf den Punkt zu bringen », so Fred Keup. Was ihn an den Diskussionen im Parlament nämlich störe, seien die ewigen « Floskeln » sowie die politischen Versprechen, von denen jeder aufmerksame Bürger wisse, dass sie nicht realisierbar seien. « Ich könnte es mir natürlich auch einfach machen und nur noch so sprechen wie Max Hahn von der DP, der im Parlament nur das vorträgt, was am vorherigen Tag in der Zeitung stand », so Fred Keup. Das sei aber nicht sein Verständnis von Politik.
Dass die Positionen der ADR bei den anderen Parteien als « radikal » empfunden werden, liegt laut dem Parlamentarier denn auch daran, dass sich seine Partei nur gegen « die Auswüchse eines Klimaaktivismus, der nicht realistisch ist » wehre. Allerdings meint er auch, dass seine Partei in der politischen Debatte « minoritäre Positionen » vertrete. Das gelte zumindest für das Parlament. Denn im Volk würden diese Debatten immer anders wahrgenommen, ist sich Keup sicher: « Viele Menschen sehen die Sache ähnlich realistisch wie wir. »
Das gelte besonders für die jüngere Generation. Einige Jugendliche würden zwar für mehr Klimaschutz auf die Straße gehen. Seiner Erfahrung nach bilde das aber nur einen kleinen Teil der politischen Prioritäten der Jugend ab. « Die meisten Schüler treiben ihre Alltagsprobleme um. Sie fragen sich: Kann ich mir später ein Auto kaufen oder bei den horrenden Preisen noch eine Wohnung leisten? », so der gelernte Geografielehrer. Selbst das klimapolitische Bewusstsein der kommenden Generationen ist für die ADR also relativ.


