Als Volkspartei sucht die CSV den Ausgleich zwischen konkurrierenden Interessen – auch in der Klimapolitik. Dabei unterscheidet sich der christlich-soziale Ansatz nur geringfügig von dem der Regierung. Die innerparteilichen Zwischentöne sind jedoch unüberhörbar.

Ein „gewisser Klimaschutz“ gehöre zu den Werten einer konservativen Partei, sagte Claude Wiseler kürzlich im Interview mit Reporter.lu. Die Aussage wurde von der politischen Konkurrenz als kritisch aufgefasst. „Ich glaube das war eine unglückliche Wortwahl“, sagt seinerseits Paul Galles. Der Parteivorsitzende habe damit schlicht ausdrücken wollen, dass die Linie der Partei nicht deckungsgleich mit der Regierung sei, so der klimapolitische Sprecher der CSV im Gespräch mit Reporter.lu.

Eines stehe fest: Die CSV erkenne die Klimakrise an und habe sich deshalb auch dafür ausgesprochen, die Klimaneutralität als Staatsziel in die Verfassung zu schreiben, so Paul Galles weiter. Als Volkspartei sei man zudem bedacht, einen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen zu finden. Klimapolitik dürfe also nicht gegen die Wirtschaft gerichtet und müsse auch sozialverträglich sein.

Im Grunde handelt es sich dabei um die gleichen Positionen, die auch von der Regierung vertreten werden. Das Koalitionsprogramm spricht etwa vom Schaffen von „Synergien zwischen der ökonomischen, der sozialen und der umweltbezogenen Dimension der nachhaltigen Entwicklung.“

Ähnlich liest sich auch die rezente CSV-Programmatik. Die CSV unterstütze die im Pariser Klimaabkommen beschlossenen Ziele und werde sich für deren Umsetzung einsetzen, heißt es im Wahlprogramm von 2018. Ebenso zählt die Partei den « mittelfristigen Ausstieg aus den fossilen Energien » zu ihren Prioritäten.

Auf Regierungskurs – mit Ausnahmen

In der laufenden Legislaturperiode hat die CSV die meisten Initiativen der Regierung in diesem Bereich mitgetragen. Das gilt für das im Dezember 2020 verabschiedete Klimagesetz, den Nationalen Energie- und Klimaplan sowie ganz konkret für die CO2-Steuer. Punktuell wollte die Oppositionspartei noch weiter gehen als die Koalition. So kritisierte etwa Claude Wiseler im Parlament, dass sich unter Blau-Rot-Grün das Phänomen des Tanktourismus noch verstärkt habe. Die Bilanz der Regierung beim Klimaschutz sei « katastrophal ».

Im Prinzip versuchen wir stets auf Freiwilligkeit zu setzen. Man kann durch den Dialog und Überzeugungsarbeit bereits sehr viel erreichen. »Paul Galles, CSV-Abgeordneter

Gleichzeitig sind in den Debatten auch Zwischentöne zu hören. Während die CSV im Prinzip den gleichen Klimaschutz-Diskurs verwendet wie die Regierungsparteien, gibt es nämlich stets eine Ausnahme: die Landwirtschaft. « Um die vorgegebenen Ziele beim Klima-, Umwelt- und Wasserschutz zu erreichen, muss mit der Landwirtschaft zusammengearbeitet werden », heißt es im Wahlprogramm 2018. Es dürfe « nicht länger über die Köpfe der Landwirte hinweg entschieden werden ».

Passend dazu bricht Fraktionschefin Martine Hansen regelmäßig eine Lanze für die konventionelle Landwirtschaft. Trotz der desolaten Klimabilanz etwa der Fleischproduktion sei eine Politik gegen die Landwirte mit der CSV nicht zu machen. Unausgesprochen bleibt dabei meistens, dass die CSV die Bauern und Winzer des Landes zu ihrer konservativen Kernklientel zählt. In diesem Punkt macht die Volkspartei denn auch eine Ausnahme bei ihrem inklusiven Anspruch, wonach man dem Gemeinwohl verpflichtet sei und keine « Klientelpolitik » betreiben wolle.

Hinzu kommen denn auch polemischere Einzelmeinungen wie jene von Laurent Mosar. Auf Twitter wettert der CSV-Abgeordnete stets gegen die vermeintliche « Verbotspolitik » der Grünen. Dabei führt der Vertreter des liberal-konservativen Flügels der Partei zum Teil den klassischen klimaskeptischen Diskurs, indem er wiederholt Begriffe wie « Klimahype » oder « Klimahysterie » benutzt.

Konservativer Klimaschutz

Nicht nur auf Twitter gilt aber: Neben der Betonung auf die Konsenssuche und den Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen definiert sich die CSV weiterhin als konservative Partei. Das heißt, « dass man das schützen will, was lebenswert ist », wie es Parteichef Claude Wiseler kürzlich ausdrückte.

Viel mehr ist über die christlich-soziale Ideologie in Sachen Klimaschutz jedoch nicht bekannt. Im aktuellen Grundsatzprogramm der CSV kommt das Wort « Klima » ein einziges Mal vor. Demnach bedeute nachhaltige Entwicklung mehr denn je « auch Klima-, Umwelt- und Tierschutz ». Dementsprechend will die Partei « die natürlichen Grenzen des Wachstums respektieren ». Dies bedeute « eine nachhaltigere Nutzung endlicher Ressourcen sowie die progressive und konsequente Umstellung auf erneuerbare Energien ».

Als Prinzip der Vernetzung ist Nachhaltigkeit das zentrale christlich-soziale Zukunftsprinzip. »Grundsatzprogramm der CSV

In der Theorie birgt das christliche Menschenbild dabei durchaus das Potenzial eines konsequenteren Ansatzes im Umwelt- und Klimaschutz. Laut ihrem Grundsatzprogramm versteht die CSV unter christlich nämlich ihr « Engagement für das Wohl der Menschen und Verantwortung für das Leben auf der Erde ». « Gemeinwohl », « Nachhaltigkeit » und « Verantwortung » gehören zu den Grundwerten, die die CSV als « verbindliche politische und moralische Verpflichtungen » ansieht.

Doch so umfassend der ideologische Unterbau beschrieben wird, so schwammig bleibt die christlich-soziale Realpolitik im Kampf gegen den Klimawandel. « Im Idealfall soll man über Subventionen Anreize schaffen », sagt Paul Galles. Anders als die « Gießkannenpolitik » der Regierung wolle die CSV aber « einen stärkeren sozialen Ausgleich einführen », so der Abgeordnete. Als Beispiel nennt er die Prämie für Elektroautos. Ausgerechnet diese wurde allerdings bereits Anfang des Jahres angepasst, um nur noch Fahrzeuge mit geringerem Stromverbrauch mit der vollen Prämie zu bezuschussen. In der Regel handelt es sich dabei auch um günstigere Modelle.

Klimaschutz-Joker Wasserstoff

« Wir haben auch Vertrauen in die Innovation und die Technologie, um den Klimawandel zu bekämpfen », formulierte Claude Wiseler zudem den klimapolitischen Ansatz seiner Partei im Interview mit Reporter.lu. Eine dieser Technologien könnte der Wasserstoff-Antrieb sein. « Wir müssen von der ideologischen Fixierung auf Elektromobilität wegkommen und auch Alternativen betrachten », pflichtet Paul Galles dem Parteichef bei.

Der klimapolitische Sprecher der CSV stellte auch eine parlamentarische Anfrage zum Thema Wasserstoff. Die Antwort von Verkehrsminister François Bausch (Déi Gréng) macht sich Paul Galles nun zu eigen. Ein Wasserstoffantrieb stelle vor allem für Lastkraftwagen auf langen Strecken und den Flugverkehr eine sinnvolle Alternative dar. « Für den Individualtransport wird Wasserstoff aber wohl nie eine Lösung sein », räumt der CSV-Abgeordnete ein. Dennoch solle man laut Paul Galles die Forschung für den Bereich des Gütertransports stärker fördern.

Statt Angst und Hysterie, Forschung und Entwicklung. Nur so kommen wir mit dem Klimaschutz voran. »CSV-Politiker Laurent Mosar auf Twitter

Dass die CSV in der Klimadebatte auf Wasserstoff setzt, hat sie ausgerechnet ihrem ehemaligen Vorsitzenden Frank Engel zu verdanken. Seitdem treiben aber auch seine ehemaligen Parteikollegen, etwa Laurent Mosar und Viviane Reding, die Agenda des Wasserstoffautos voran. Mit Guy Breden zählt die CSV denn auch den einzigen Besitzer eines Wasserstoffautos in Luxemburg zu ihren Mitgliedern.

In den klimapolitischen Debatten fiel die Partei deshalb auch immer wieder mit dieser umstrittenen Forderung auf. Auf Nachfrage streitet Paul Galles aber nicht ab, dass die Zukunft der E-Mobilität gehöre. Der Grund: Laut einer Studie von « Transport and Environment » liegt die Energieeffizienz eines Elektroautos bei rund 70 Prozent, für Wasserstoff fällt der Wert auf 22 Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil von « grünem » Wasserstoff, der nicht aus klimaschädlichem Gas und nur mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt wird, verschwindend gering.

Demnach wirkt die Forderung vor allem wie der Versuch, sich stärker von der Regierungslinie abzugrenzen. Gleichzeitig steht die vermeintliche Wasserstoff-Alternative – wie in anderen konservativen Parteien – auch sinnbildlich für die Forderung des wirtschaftsliberalen Flügels, den Klimawandel nicht mit einschneidenden Maßnahmen, sondern mit Innovation und einem « Wettbewerb der Ideen » zu bekämpfen.

Konsens, Wirtschaft und Freiwilligkeit

Doch auch in einem weiteren Punkt wird die ökonomische Begründung der CSV-Politik deutlich. « Im Prinzip versuchen wir stets auf Freiwilligkeit zu setzen », formuliert es Paul Galles. Die Partei will die Bürger und Unternehmen also mit Anreizen und nicht mit einer « Verbotspolitik » für mehr Klimaschutz gewinnen. « Man kann durch den Dialog und Überzeugungsarbeit bereits sehr viel erreichen », glaubt der Abgeordnete.

Doch die Betonung der Freiwilligkeit und des Konsenses könnte man auch als Relativierung jeglichen Klimaschutzes auffassen. Es gebe « keine einseitigen Antworten auf die Klimafrage », schrieben Martine Hansen und Paul Galles Ende 2020 in einem Meinungsbeitrag im « Luxemburger Wort ». Beide Abgeordneten sprachen sich darin für eine « realistische Klimapolitik » aus. Will heißen: Klimaschutz müsse sich « auch wirtschaftlich rechnen ». Ebenso betonten die Autoren schon damals, dass Freiwilligkeit « der vielversprechendere Weg » sei, um nicht nur die Menschen, sondern auch die Wirtschaft « mit ins Klimaboot » zu bekommen.

Verbote sind nur dann sinnvoll, wenn sich die Leute auch daran halten. Also wenn sie im besten Fall selbst einsehen, dass diese Politik sinnvoll ist. »
Claude Wiseler, CSV-Parteichef

Angesichts des letzten Berichts des Weltklimarats stellt sich allerdings die Frage, ob die Zeit für « Freiwilligkeit » nicht bereits abgelaufen ist und die Politik den Klimawandel konsequenter bekämpfen muss. Paul Galles wird bei dieser Frage durchaus nachdenklich. Seine Partei habe hierzu aber noch keine gefestigte Position. Eine Erwärmung von zwei Grad bleibe weiterhin die « absolute Schmerzgrenze ». Im Wahlprogramm der Partei hieß es allerdings noch, dass die CSV « eine Begrenzung der Klimaerhitzung von deutlich unter zwei Grad » anstrebe.

Jedoch wird diese Grenze nur noch in zwei von fünf Szenarien des Weltklimarates nicht überschritten. Demnach müsste spätestens in der zweiten Hälfte der 2030er-Jahre die Klimaneutralität erreicht werden. Wie kann Luxemburg, in dem das Transportwesen mehr als 60 Prozent aller Treibhausgase ausmacht, dazu beitragen? Persönlich könne er sich eine weitere Erhöhung der CO2-Steuer vorstellen, wenn diese auch sozial ausgeglichen werde, meint Paul Galles. Zu einem möglichen Ende des Verbrennungsmotors, wie von manchen Automobilherstellern bereits angekündigt und auch von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, habe die Partei allerdings noch keine abschließende Meinung.

« Ein Weckruf für die Politik »

Auch in diesem Abwägen tut es die CSV indes der blau-rot-grünen Koalition gleich. Eine stärkere Regulierung könne die Partei sich höchstens in Bereichen vorstellen, in denen Bürger im « Verhältnis zum Staat » stehen, wie es Paul Galles ausdrückt. Etwa beim Bau von Häusern oder in der Steuerpolitik. Die Einführung eines « Veggie-Day » in Schulkantinen wäre dagegen ein zu starker Eingriff in die persönliche Freiheit der Menschen.

« Verbote sind nur dann sinnvoll, wenn sich die Leute auch daran halten. Also wenn sie im besten Fall selbst einsehen, dass diese Politik sinnvoll ist », fasste Claude Wiseler die Position der CSV im Interview mit Reporter.lu zusammen. Sprich: Verbote sind am besten, wenn man sie eigentlich gar nicht braucht. Gemeint ist aber wohl: Eine konsequentere Klimapolitik funktioniere nur im gesellschaftlichen Konsens, den es für weitreichende Maßnahmen allerdings noch nicht gebe. So lautet jedenfalls die konservative, nicht weiter belegte Prämisse der CSV-Politik in diesem Bereich.

Dennoch glaubt zumindest Paul Galles an die Wirkung des letzten IPCC-Berichts. « Es ist ein Weckruf für die Politik. Ich glaube schon, dass der IPCC-Bericht einen Einfluss auf die Klimapolitik haben wird », so der Abgeordnete. Drei Wochen nach seiner Veröffentlichung hält sich der Einfluss auf die Programmatik der CSV jedoch noch in Grenzen.

Zumindest in einem Punkt erwies sich das Wahlprogramm der CSV aber als klimapolitische Prophezeiung. « Die Klimaveränderungen werden sich auch auf die Regenfälle auswirken », hieß es 2018 im « Plang fir Lëtzebuerg ». « Die Gemeinden und Syndikate müssen in diesem Sinne weiter finanziell unterstützt und beraten werden, um Anpassungsmaßnahmen einzuführen. » Konkreter wurde es aber auch an dieser Stelle bis heute nicht.


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