Der Finanzminister will Luxemburgs Schmuddelimage loswerden und fordert die Offenlegung von Steuertricks. Doch der Staatsrat ergreift Partei für Anwälte, Steuerberater und Buchprüfer – deren Berufsgeheimnis ist sakrosankt. Von Gramegnas Plänen bleibt damit nicht viel übrig.
« Manche Berater sind wahre Vampire. Sie gedeihen, solange es Geheimnisse gibt und florieren nur im Geheimen. Die Transparenz ist also die einzige wirksame Waffe, um gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung vorzugehen », erklärte der ehemalige Kommissar Pierre Moscovici im März 2018 vor dem Europäischen Parlament. Es ging um eine Richtlinie, die gerade für viel Aufregung am Luxemburger Finanzplatz sorgt.
Insider kennen den Text unter dem Kürzel « DAC 6 ». Anwälte, Steuerberater, Buchprüfer und Banker sollen grenzüberschreitende Steuersparmodelle offenlegen, die sie für ihre Kunden entwerfen. Indem die Regierungen über solch « aggressive » Modelle informiert werden, können sie Gesetzeslücken schneller schließen und illegalem Treiben auf die Schliche kommen. « Es geht darum, der Steueroptimierungsindustrie ein Ende zu setzen », sagte der linke Europaparlamentarier und Berichterstatter der Richtlinie, Emmanuel Maurel.
Am Luxemburger Finanzplatz sieht man das – wenig überraschend – anders. Mit geballter Rhetorik wehrt sich die Anwaltskammer gegen die Gesetzesvorlage. Aus der Meldepflicht wird « Verrat », aus dem Anwaltsbüro ein Beichtstuhl und überhaupt sei dieser Text eine Gefahr für den Rechtsstaat. « Danger » prangt in roter Schrift auf lila Grund auf der Webseite der Anwaltskammer.
Anwälte sollen nicht bevorzugt werden
Das Argument der Anwälte: Melden sie ein Steuerkonstrukt der Verwaltung, dann könnte diese Information später vor Gericht gegen ihren Mandanten verwendet werden. Das verletze das Recht auf Verteidigung. Außerdem sei die Offenlegung eine Verletzung ihres Berufsgeheimnisses und störe damit das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt.
Tatsächlich sieht die EU-Richtlinie vor, dass die Mitgliedsstaaten Ausnahmen festlegen können, falls Berater einem Berufsgeheimnis unterliegen. Das Luxemburger Finanzministerium nahm in der Gesetzesvorlage die Anwälte von der generellen Meldepflicht aus. Sie müssten allerdings allgemeine Informationen an die Verwaltung liefern – der Mandant bliebe anonym.
Doch rund um diese Sonderregelung für die Anwälte entbrannte ein bizarrer Streit zwischen den Lobbyverbänden. Die Handelskammer wunderte sich über die Ausnahmeregelung für die Anwälte. Diese Steuerberatertätigkeit gehe weit über die Verteidigung ihrer Klienten hinaus. Eine Bemerkung, die wiederum der Anwaltskammer nicht schmeckte: Dies sei überraschend von einer Institution, die von einem « confrère », sprich Luc Frieden, geleitet werde, sagte der scheidende Bâtonnier François Prum anlässlich einer Pressekonferenz.
Der Staatsrat ging noch einen Schritt weiter: Die Ausnahme für die Anwälte schaffe einen unberechtigten Vorteil gegenüber anderen Steuerberatern – etwa Buchprüfern und « experts-comptables ». Dies verstoße gegen die Verfassung und deshalb stelle sich der Staatsrat formell dagegen. Offenbar fürchteten manche Berufsgruppen, dass Steueranwälte sich das profitable Geschäft alleine unter den Nagel reißen könnten.
Alle gegen Gramegna
Doch damit nicht genug: Aufgrund ihres Berufsgeheimnisses müssten nicht nur die Anwälte, sondern auch die Buchprüfer und die « experts-comptables » komplett von der Meldepflicht entbunden werden, fordert der Staatsrat unter Androhung einer « opposition formelle ».
Auch eine anonymisierte Meldung der Steuertricks lehnt der Staatsrat ab. Durch die zahlreichen Informationen, die der Gesetzentwurf vorsehe, sei die Anonymität eine Illusion. Auch die Anwaltskammer sieht das so: In der Praxis wäre es sehr einfach für die Steuerverwaltung herauszufinden, wer von einem bestimmten Steuerkonstrukt profitiere.
Mit dieser fundamentalen Kritik desavouiere der Staatsrat Finanzminister Pierre Gramegna, schrieb das « Lëtzebuerger Land ». Tatsächlich erklärte der Minister im Dezember im Parlament, er habe einen Mittelweg verfolgt: eine Ausnahme für die Anwälte, die deren Berufsgeheimnis wahre.
Doch diese Lösung wird sich nicht durchsetzen: Die Finanzkommission des Parlaments werde den Text im Sinne des Staatsrates ändern, sagte Berichterstatter André Bauler (DP) im Gespräch mit REPORTER. Die beiden « oppositions formelles » ließen nichts anderes zu.
Und der Staatsrat hat ein Argument, das schlecht zu widerlegen ist: Deutschland und Belgien sehen ebenfalls Ausnahmen für Berater vor, die dem Berufsgeheimnis unterliegen. Warum sollte Luxemburg strenger sein?
Verantwortung auf Kunden abgeschoben
Vom ursprünglichen Gedanken wird im Gesetz nicht mehr viel bleiben. Im besten Fall erhält die Steuerverwaltung auf Umwegen die Informationen zu den Steuerkonstrukten. Denn wenn die Berater sich auf ihr Berufsgeheimnis berufen, fällt die Meldepflicht ihrem Kunden zu. Die Anwälte und die Big 4 laden damit das rechtliche Risiko bei ihrem Klienten ab. Unterlässt dieser trotzdem die Meldung an die Steuerverwaltung, dann können sie ihre Hände in Unschuld waschen.
Dabei wollten die EU-Kommission und das Europaparlament erreichen, dass weitgreifende Steuerhinterziehung wie sie sich in den « Panama Papers » zeigte, in Zukunft unmöglich würde. Vor allem die Steuerberater und Anwälte sollten stärker kontrolliert werden. Schließlich geht es bei DAC 6 um Steuertricks, die als aggressiv gelten – also nur knapp an der Illegalität vorbeischrammen.
Gerade für die Anwälte ist es aber ein wichtiger Etappensieg, dass sie ihre Sichtweise mithilfe des Staatsrates gegen die Steuerverwaltung durchsetzten. Denn parallel geht der Kampf zwischen ihnen und der Verwaltung über die Aufarbeitung der « Panama Papers » weiter. Die Steuerbeamten wollen wissen, wer sich hinter den Offshorefirmen verbirgt, die zahlreiche Anwälte gründeten. Letztere verweisen auf ihr Berufsgeheimnis.
Brüssel wird ungeduldig
Dabei wird die Zeit knapp: Steuerkonstrukte müssen der Steuerverwaltung ab dem 1. Juli gemeldet werden. Vor Ostern werde das Parlament das Gesetz sicher noch verabschieden, sagt der DP-Abgeordnete André Bauler.
Das lässt aber jenen Beratern, die letztendlich die Konstrukte melden müssen, nur knapp zwei Monate. Denn die Einschätzung, was als « aggressiv » gilt und was nicht, ist nicht unbedingt einfach.
Dabei lief die Deadline für die Umsetzung der Richtlinie bereits am 31. Dezember 2019 ab. Luxemburg ist also wieder einmal zu spät. Vergangene Woche verschickte die EU-Kommission ein Mahnschreiben an die Regierung. Ein erster Schritt, bevor es zum Vertragsverletzungsverfahren kommt.
Lesen Sie mehr zum Thema

